Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehr Asylanträge in Europa
In Deutschland sinkt der Anteil um zehn Prozent
BRÜSSEL/VALLETTA (dpa) - Erstmals seit der Flüchtlingskrise ist die Zahl der Schutzsuchenden in Europa im vergangenen Jahr gestiegen. In Deutschland stellten 2019 hingegen deutlich weniger Menschen einen Antrag auf internationalen Schutz als im Vorjahr, wie aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der EU-Asylbehörde Easo hervorgeht. Dabei waren den Vereinten Nationen zufolge Ende 2019 weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie nie. „Asyl kann eine Angelegenheit von Leben und Tod sein“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bei der Vorstellung des Jahresberichts.
In Deutschland haben 2019 ungeachtet des Rückgangs zum achten Mal in Folge so viele Menschen wie in keinem anderen europäischen Land Schutz gesucht – insgesamt 165 615. Dies entspricht mehr als einem Fünftel (22 Prozent) aller Anträge. Im Vergleich zu 2018 handelt es sich jedoch um einem Rückgang um zehn Prozent. Auch der Anteil an der Gesamtsumme lag im Vorjahr höher (28 Prozent). Deutschland ist mit Abstand das EULand mit den meisten Einwohnern.
Europaweit – der Bericht bezieht sich auf die 27 EU-Staaten sowie auf die Schweiz, Großbritannien, Norwegen, Island und Liechtenstein – gab es einen Zuwachs um elf Prozent auf 738 425. Bereits im Februar hatte Easo vorläufige Zahlen für 2019 veröffentlicht, die etwas geringer ausfielen.
2015 hatte es noch fast 1,4 Millionen Anträge gegeben. Die Zahlen berücksichtigen auch Anträge von Menschen, die zuvor schon einmal Schutz gesucht hatten.
Hintergrund des Zuwachses ist Easo zufolge vor allem die gestiegene Zuwanderung aus Lateinamerika, etwa aus Venezuela oder Kolumbien. Zugleich machte Easo deutlich, dass die meisten Vertriebene aus diesen Staaten nicht in Europa, sondern in der Region Schutz suchten. Dennoch habe es aus dem Krisenstaat Venezuela 2019 mit rund 46 000 doppelt so viele Anträge auf internationalen Schutz gegeben wie 2018. Bürger aus vielen südamerikanischen Ländern brauchen kein Visum, um in den Schengenraum zu reisen. Sie stellten ihre Anträge hauptsächlich in Spanien.
Im Gegensatz zu Deutschland seien in Staaten wie Frankreich, Spanien oder Griechenland 2019 sogar mehr Anträge auf internationalen Schutz gestellt worden als während der Flüchtlingskrise. Die Hälfte aller Anträge wurde in Deutschland, Frankreich und Spanien gestellt. „Es ist klar, dass einige Länder mehr beitragen könnten“, sagte Johansson mit Blick auf jene Staaten, in denen nur wenige Anträge gestellt wurden. In Ungarn waren es beispielsweise nur 500, in Estland 105. Die Schwedin kritisierte zudem die großen Unterschiede der nationalen Asylsysteme. So schwanke die Anerkennungsrate von Afghanen je nach europäischem Land mitunter um bis zu 65 Prozentpunkte. Auch die Bearbeitungszeit von Anträgen sei sehr verschieden.
Rund ein Viertel der Anträge in Europa kam von Menschen aus Syrien (rund 80 000), Afghanistan (rund 61 000) und Venezuela (rund 46 000). Fast allen Venezolanern wurde ein Schutzstatus gewährt.