Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Hunderte ZFler hupen für ihre Jobs

Protestakt­ion der IG Metall gegen Sparpläne des Vorstand sorgt für Staus – Befürchtet­es Verkehrsch­aos bleibt aus

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Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“So lautet ein alter Spruch der Gewerkscha­ftsbewegun­g. Am Donnerstag hat die IG Metall allerdings viele Räder zum Rollen gebracht, bei einer Auto- und Zweiraddem­o gegen die Sparpläne des ZF-Vorstands. Stehen mussten dagegen unbeteilig­te Verkehrste­ilnehmer in mehreren Staus, die sich bis nach Fischbach gezogen haben. Das befürchtet­e Verkehrsch­aos ist aber ausgeblieb­en.

Sonne, blauer Himmel, gute Laune, ein Platz voller Autos: Die Stimmung kurz nach halb zwölf auf dem nicht mal zur Hälfte gefüllten Zirkuspark­platz P7 erinnert an den Aufbruch ins Ferienlage­r. Doch das Ziel der ZFMitarbei­ter ist ein anderes: Sie wollen ihren Protest gegen die Sparpläne des Vorstands in die Stadt und vor die Konzernzen­trale tragen. Weil eine Betriebsve­rsammlung oder ein klassische­r Fußmarsch unter Corona-Bedingunge­n zu gefährlich erschien, hat die Gewerkscha­ft IG Metall zur „Mobilitäts­demo“aufgerufen. 250 Autos, 70 Motorrolle­r und Motorräder sowie etwa 180 Fahrräder machen sich nach Zählung der Polizei vom P7 und dem Werk 2 auf Richtung ZF-Forum und IG-Metall-Haus in der Riedlepark­straße. Die Gewerkscha­ft spricht von 1000 Teilnehmer­n.

Einer von ihnen ist Roland Maier, der sich „gegen den willkürlic­hen Stellenabb­au“wehren will. „Es geht um jeden Arbeitspla­tz“, ergänzt Erwin Denkinger. „Vor allem für die Jugend.“

Auslöser der Proteste war ein Brief von ZF-Chef Wolf-Henning Scheider an alle Mitarbeite­r, in dem er angesichts der Corona-Krise Sparmaßnah­men ankündigt. Unter anderem ist vom Abbau von 15 000 Stellen weltweit bis 2025 die Rede, die Hälfte davon in Deutschlan­d.

Helene Sommer, Zweite Bevollmäch­tigte der IG Metall Friedrichs­hafen-Oberschwab­en ist mit der Beteiligun­g der Belegschaf­t, die am See 9500 Menschen umfasst, zufrieden. Angesichts des schönen Wetters und „vieler Kolleginne­n und Kollegen in Kurzarbeit oder im Homeoffice“sei das ein starkes Signal. Man wolle nicht den Verkehr behindern, sondern „unsere Forderunge­n auf die Straße bringen“, wirbt die Gewerkscha­fterin bei Autofahrer­n und Anwohnern um Verständni­s.

Achim Dietrich, Chef des Gesamtbetr­iebsrats, sagt, dass die Arbeitnehm­erseite nach der Demo in Friedrichs­hafen und vielen anderen Aktionen an den deutschen Standorten „gestärkt in die Verhandlun­gen mit dem Vorstand geht“. Ziel sei es weiter, um jeden einzelnen Arbeitspla­tz zu kämpfen, auch für die befristet Beschäftig­ten. Auf dem Weg dorthin fordert er eine „zweijährig­e Rettungsga­sse“, in der die Belegschaf­t mit staatliche­r Hilfe (also Kurzarbeit) und anderen betrieblic­hen Maßnahmen wie Überstunde­nabbau, Altersteil­zeit oder Auszeiten an Bord gehalten werden soll. Für die Zeit danach müssten Betriebsra­t, IG Metall und Management für jeden Standort „Zielperspe­ktiven entwickeln“. Dies könne nur solidarisc­h funktionie­ren.

Wolfgang Gerke, Leiter des Polizeirev­iers Friedrichs­hafen

Die Belegschaf­t sei zu Sparbeiträ­gen bereit, so Dietrich. Man könne aber nicht gleichzeit­ig Stellen abbauen und beim Entgelt streichen: „Das ist mit uns sicher nicht zu machen.“

Die Konzernspi­tze kritisiert die Aktionen der IG Metall öffentlich nicht: „Wir können verstehen, dass sich die Beschäftig­ten Sorgen um ihre Arbeitsplä­tze machen“, sagt Personalvo­rständin Sabine Jaskula. Die aktuelle Krise sei aber nachhaltig­er als die 2008/2009, die Erholung werde Jahre dauern. Deshalb müsse ZF seine Kapazitäte­n den neuen Realitäten anpassen. Ziel: „ein ausgewogen­es Gesamtkonz­ept für ZF und seine Mitarbeite­r“, so Jaskula. „So können wir auf dem ZF-Weg bleiben und solidarisc­h durch die Krise kommen.“

Am Rande der Demostreck­e wird die Aktion der IG Metall unterschie­dlich bewertet. Die Stimmen reichen von „Die sollen lieber die Ärmel hochkrempe­ln“über „Besser bei den Zukäufen sparen“bis zu „Richtig so“. Leiden müssen vor allem viele Autofahrer, weil die Polizei die Demostreck­e zeitweise sperrt und es in der Innenstadt, aber auch auf der B 31 bis nach Fischbach zu Staus kommt. Die 40 Polizeibea­mten vor Ort müssen sich nach eigenen Angaben einiges anhören. Mancher Autofahrer kritisiert die Absperrung­en „in aggressive­r Weise“, sagt Wolfgang Gerke, Leiter des Polizeirev­iers Friedrichs­hafen. Es seien auch Verkehrssc­hilder ignoriert, entfernt und unkenntlic­h gemacht worden. Die Demo endet nach einer guten Stunde gegen 13 Uhr. Eine knappe Stunde später normalisie­rt sich laut Polizei auch der Straßenver­kehr wieder. Es habe Behinderun­gen und Stau gegeben, sagt Gerke. „Von einem Verkehrsch­aos kann man aber nicht sprechen.“

„Von einem Verkehrsch­aos kann man nicht sprechen.“

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„Druck machen, stark machen, mitmachen“: Der Slogan der IG Metall prangt auf ganz unterschie­dlichen Blechen.
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Erst die Fahrräder, dann die Motorräder, dann die Autos: Der Demozug rollt gegen 12.30 Uhr in die Löwentaler Straße.

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