Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kunden kehren langsam in die Innenstadt zurück
Händlerwunsch: „Nicht im Internet bestellen“– Maske hält wohl noch vom Bummeln ab
Von Marlene Gempp und Silja Meyer-Zurwelle
FRIEDRICHSHAFEN - Die Lust, in der Friedrichshafener Innenstadt einkaufen zu gehen, kehrt langsam zurück. Die Maskenpflicht aufgrund der Corona-Pandemie innerhalb der Geschäfte hält viele aber wohl noch vom Bummeln ab. Wir haben uns umgehört, wie Händler und Kunden die Situation derzeit einschätzen.
Gleich nachdem alle Läden Mitte April unter Auflagen wieder öffnen konnten, sei viel los gewesen, erzählt Manuela Neuner-Jehle, die Inhaberin der Marco-Polo-Filiale in der Wilhelmstraße. Mittlerweile seien die Tage sehr unterschiedlich: An manchen herrsche viel Betrieb, an anderen wiederum sehr wenig. „Ich bin sehr froh, dass mir viele Stammkunden geblieben sind“, sagt Neuner-Jehle. Alle Kunden haben auch Verständnis für die Hygienevorschriften, die derzeit gelten, schildert sie.
Über den sprichwörtlichen Berg sei die Einzelhandelsbranche nach der langen Schließung noch nicht, schätzt Neuner-Jehle: „Wir haben alle auch noch Frühjahrsware, die wir nun reduziert verkaufen müssen.“Ihr großer Wunsch sei, dass die Kunden vor Ort in den Geschäften einkaufen gehen und nicht im Internet bestellen. „Wir können auch Ware bestellen, die wir nicht im Lager haben. Wir kümmern uns gerne um die Wünsche der Kunden“, sagt sie.
Bisher könne sie sich nicht beklagen, erklärt Sandra Weiß, Inhaberin der Boutique Louise. Die vergangenen Wochen sei recht viel los gewesen. „Die Öffnung der Geschäfte wird gut angenommen. Wir merken allerdings, dass die Kunden vermehrt Einzelteile kaufen und sich nicht mehr komplett einkleiden. Das fehlt.“Auch könne sie noch nicht abschätzen, wie sich das Kaufverhalten entwickelt, da viele derzeit von Kurzarbeit betroffen seien. „Ich denke, die Auswirkungen werden wir in den kommenden Monaten noch spüren“, vermutet Weiß.
Sie hoffe nun, dass die Geschäfte nicht erneut wegen einer eventuellen zweiten Infektionswelle schließen müssen. „Vier Wochen schafft jedes gesunde Unternehmen. Aber bei längeren Zeiträumen wird es schwer“, lautet ihre Ansage.
Die Arbeit vieler Menschen im Homeoffice wirkt sich auch auf die Besucherzahl im Café der Buchhandlung Gessler 1862 aus, wie Philipp John berichtet. „Das Mittagsgeschäft fällt noch ziemlich komplett weg, weil die Grüppchen nicht, wie sonst, gemeinsam unterwegs sind“, sagt er. Dennoch seien sein Team und er „glücklich über viele treue Kunden.“
So sei auch das Angebot, Bücher vorzubestellen und sich gratis an die Haustür liefern zu lassen, gut angenommen worden. „Diesen Service bieten wir übrigens immer noch an. Man kann also weiterhin telefonisch, per E-Mail oder auch über die Website seine Bücher bestellen und sie sich bringen lassen. Wir haben die Krise vor allem genutzt, um das Onlineangebot auszubauen“, erläutert John. Im Café seien die Einnahmen während des Lockdowns hingegen „gleich Null“gewesen. „Für unsere Branche gab es ja auch gar keine Hilfe.
Ich denke, da werden wir jetzt deshalb auch bei der bisherigen Mehrwertsteuer bleiben und dafür dann mal lieber den Stammkunden einen Espresso aufs Haus spendieren“, kündigt er an. Im Rahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung war jüngst beschlossen worden, dass ab 1. Juli die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent herabgesenkt wird. „Im Buchladen haben wir ja sowieso eine Buchpreisbindung, können da also nicht mitziehen“, erläutert John. Im Café werde er ebenfalls beim Ursprungspreis bleiben. Er und sein Team haben sich allerdings eine besondere Aktion ausgedacht. „Den Übertrag aus den Preisen werden wir am Ende des Jahres unserer üblichen Spende für ,Häfler helfen’ beifügen“, kündigt er an.
Die meisten würden bei ihnen gezielt nach Produkten suchen und nicht spontan bummeln, erzählt Simone Göppinger vom Schreibwarengeschäft Gut: „Es ist noch relativ ruhig. Es kommen aber vor allem Kunden aus Friedrichshafen direkt, die nach bestimmten Waren suchen, wie etwa Schulranzen.“
Die Lust zu bummeln werde derzeit wohl auch durch die Maskenpflicht gehemmt, sagt Thomas Goldschmidt, Geschäftsführer des Stadtmarketings: „Das Problem beobachten wir überall, nicht nur in Friedrichshafen. Die Leute sind noch vorsichtig.“Auch, dass die wirtschaftliche Situation bei vielen Kunden durch Jobverlust oder Kurzarbeit unsicher sei, werde deutlich.
„In der Gastronomie beobachten wir, dass die Außenbereiche bei gutem Wetter sehr gut angenommen werden. Im Innenraum zu sitzen, fällt vielen aber noch schwer. Die Leute gehen derzeit eben nicht gerne rein, das merken die Geschäfte natürlich“, so Goldschmidt. Er hoffe, dass die Kunden wieder etwas unbeschwerter werden, wenn die sehr geringen Infektionszahlen bleiben. Positiv falle ihm derzeit auf, dass wieder mehr Urlauber und Tagesgäste unterwegs seien. Gerade die Besucher aus der Schweiz und aus Österreich könnten ja erst seit Kurzem wieder kommen: „Der normale Austausch zwischen den Nachbarländern hier in der Bodenseeregion muss sich jetzt wieder im Alltag einspielen.“
Eine Tagesausflüglerin aus Ulm hat sich wieder sehr darauf gefreut, bummeln zu gehen, erzählt sie, während sie nach Postkarten und Büchern im Buchladen Gessler 1862 in der Friedrichstraße stöbert: „Egal ob mit Maske oder ohne: Ich bin froh, dass man wieder einkaufen und in Museen gehen kann.“
Mancher Bürger ist von Langeweile geplangt, da „der Auslauf“eingeschränkt sei, schreibt Adorno. Nicht betroffen sei aber seine Kreativität. Schon im Kindesalter fand er die Malerei interessant. Als Rentner malt, zeichnet, modelliert und schnitzt er – und macht zudem noch Musik. Auch Ausdauer- und Kraftsport gehören für ihn zum Tagesablauf. Adorno hofft, dass auch andere von der Pandemie geplagte Menschen durch seine Zeichnungen ermuntert werden, kreativ zu werden.