Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Das verbundene Klassenzimmer
Wie wichtig die Digitalisierung in Schulen ist, wird in der Krise sichtbar
Von Silja Meyer-Zurwelle und Alexander Tutschner
FRIEDRICHSHAFEN - Wie gut funktioniert der Unterricht an Schulen, wenn er – wie vor allem zur Zeit des totalen Lockdowns – größtenteils digital ablaufen muss? Schnell wurden nach der Verlagerung ins Homeschooling Rufe von Lehrern und Eltern laut, dass man schon vorher viel mehr in die Digitalisierung an den Schulen hätte investieren müssen. Und auch Oberstufenschülerin Tabea Kuhlmann, die Vorsitzende des Jugendparlaments ist, sprach das Thema im Kultur- und Sozialausschuss Mitte Mai an.
„Ich habe mich dort zu Wort gemeldet, weil wir vor allem im GrafZeppelin-Gymnasium dringend mehr Ausstattung benötigt haben. Es ging dabei um den Präsenzunterricht, der jedoch mit einem abwesenden Lehrer stattfinden musste. Denn viele waren als Risikogruppe eingestuft und da gab es vermehrt Ausfälle“, erläutert die Schülerin. Deshalb habe sie im KSA angeregt, dass etwas passieren muss, da die Stadt Träger vom GZG und auch vom Karl-Maybach-Gymnasium (KMG) ist. „Das hat Gott sei Dank bewirkt, dass zumindest das Lehrerzimmer WLAN bekommen hat zu Anfang der Krise, aber halt nicht die ganze Schule“, berichtet Tabea Kuhlmann.
Am GZG habe man außerdem über ein spezielles Konferenzprogramm, das Avaya heißt, den Kopf des Lehrers auf das Smartboard projizieren können. „Das wäre für alle Unterrichte das Ideal gewesen. Am KMG ging das allerdings nicht, da hatten wir ein anderes Programm: Cisco Webex, das dieses nicht kann. Dort konnte man auch die entsprechende Avaya-App nicht herunterladen, weil es eine Firewall gibt, die das verhindert“, schildert die Oberstufenschülerin. Eine weitere Anregung durch sie sei gewesen, dass es WLAN im gesamten Schulgebäude geben sollte.
„Es hat eben nicht nur an den Programmen, sondern auch am Internet gehapert. Ein Beispiel: Im GZG hatten wir Unterricht über das WLAN aus dem Lehrerzimmer, um Avaya nutzen zu können. Mal ging es, mal nicht – irgendwann hat es geklappt, aber anfangs ist es immer wieder abgebrochen. Auch die Schulrechner waren damit zunächst nicht kompatibel, sodass die Lehrer ihre Privatlaptops einsetzen mussten. Mittlerweile sind wir etwas besser ausgestattet, die Stadt hat auch meine Anregungen aufgenommen: Wir haben jetzt Kameras, die an die Laptops angeschlossen werden können und haben auch Verbindungskabel für das Internet erhalten. Im besten Fall läuft eine digitale Stunde jetzt so ab, dass die Klasse im Klassenzimmer den Lehrer auf dem Smartboard sieht und dieser wiederum die Schüler durch eine Dokumentenkamera“, sagt Kuhlmann. Ein Problem sei immer noch, dass alle Schulen unterschiedliche Programme für den digitalen Unterricht nutzen. „Wenn die Informations- und Kommunikationstechnik in Friedrichshafen ein Programm auf die Rechner aufspielen müsste, wäre es nicht so schwierig, wie wenn sie zehn Programme aufspielen muss“, erklärt sie.
Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“sagt eine Sprecherin der Stadt zur technischen Ausstattung der Schulen: „Je nach medienpädagogischem Konzept der einzelnen Schule stehen PCs oder Laptops in den Schulen zur Verfügung.“Insgesamt seien es rund 1600 Endgeräte. Im Zuge der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Ausstattung der Schulen mit digitaler Präsentationstechnik erhielten alle Unterrichtsräume laut Stadt außerdem eine einheitliche Grundausstattung, wie einen Medienwagen oder ein Medienpult. Hierzu gehöre auch eine Dokumentenkamera, die als Webcam eingesetzt werden könne. „Diese Ausstattung reicht für die vom Land beschriebene digitale Unterstützung
im Rahmen des Fernlernunterrichts und des Unterrichts in der Präsenzphase aus“, sagt die Sprecherin weiter. Sie erklärt zudem, dass die Stadt Friedrichshafen ihre Schulen im Rahmen der vom Kultusministerium beschriebenen digitalen Unterstützungsangebote mit dem technischen Support unterstütze. „Handlungsbedarf im Sinne zu tätigender Investitionen besteht derzeit nicht.“
Zur Live-Bildübertragung aus den Unterrichtsräumen stünden keine Webcams zur Verfügung, weil dies bislang nicht notwendig war, heißt es weiter vonseiten der Stadt. Die Beschaffung von Webcams sei derzeit aufgrund der Marktlage kaum möglich und gegebenenfalls sehr kostenintensiv. Mit den vorhandenen Dokumentenkameras bestehe jedoch die Möglichkeit zur Bild- und Tonübertragung in allen Klassenzimmern.
Gedanken, wie es mit den Klausuren in diesem – und für die kommenden Abiturienten auch im nächsten Jahr – laufen wird, machen sich Tabea Kuhlmann und ihre Mitschüler trotzdem. „Seit dem 4. Mai hatten wir ja nur noch unsere Leistungskurse in der 11. und 12. Klasse. Davor ist auch schon viel ausgefallen. Wie viele Onlinestunden man durch einen Lehrer, der auf dem Laptop war, während wir im Klassenraum sitzen, erhält, lag im Ermessen jedes einzelnen Lehrers. Unterm Strich war es nicht so viel. Das ist ein Problem, denn wir schreiben nächstes Jahr Abitur. Lehrer machen ja einen guten Job und nicht jeder Schüler kann sich den Stoff zu Hause selbst beibringen. Ich bin wirklich gespannt, wie sich das auf unsere Klausuren auswirken wird“, sagt die Jugendparlaments-Vorsitzende.