Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Umweltverbände fordern Solarpflicht auch auf Wohnhäusern
BUND-Umweltexperte bezeichnet Klimaschutzgesetz der Landesregierung als „absolut ungenügend“
STUTTGART - Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht von einem „Meilenstein“. Der Umweltverband BUND schlägt indes andere Töne an. „Die badenwürttembergischen Klimaschutzziele sind absolut ungenügend“, sagte der Umweltexperte des BUND-Landesverbands Fritz Mielert am Donnerstag. Kern des Streits: die Novelle des Klimaschutzgesetzes, die die grün-schwarze Landesregierung am Dienstag auf den Weg gebracht hat.
Kurz vor der Sommerpause hat das Kabinett die Änderungen des Klimaschutzgesetzes von 2013 abgesegnet und an den Landtag übermittelt, der sich im September damit befassen soll. Die wesentlichsten Inhalte: Auf Neubauten, die nicht zum Wohnen bestimmt sind, gilt ab 2022 eine Fotovoltaik-Pflicht. Für Parkplätze mit 75 Stellplätzen gilt dasselbe. Außerdem müssen Große Kreisstädte bis Ende 2023 eine kommunale Wärmeplanung erarbeiten – die Kosten trägt das Land.
All das soll dazu beitragen, die selbst gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Bis 2030 sollen 42 Prozent Treibhausgasemmissionen im Vergleich zum Jahr 1990 eingespart werden, bis 2050 sogar 90 Prozent. Das Ziel für dieses Jahr – eine Reduktion
um 25 Prozent – hatte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) schon verloren gegeben. Zuletzt hieß es, dass dieses Ziel doch erreicht werden könnte.
Die Koalitionspartner Grüne und CDU hatten seit mehr als einem Jahr um Details gerungen. Die Grünen hatten etwa um eine PV-Pflicht auch für Wohnhäuser gekämpft. Johannes Enssle, Landeschef des Naturschutzbunds (Nabu) lobte die Solardachpflicht für Nicht-Wohngebäude zwar als bundesweit einmalig. Sie sei aber halbherzig, denn auch für Wohngebäude müsse sie gelten.
Das kritisiert auch Mielert vom BUND – und noch mehr. Denn das Beschlossene reiche wohl noch nicht einmal, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, geschweige denn auf 1,5 Grad, wofür er plädiert. „Natürlich sind wir sehr enttäuscht“, sagt Mielert und fordert, das Maßnahmenpaket in der nächsten Legislaturperiode wieder aufzuschnüren. „Die grüne Landesregierung hat eine Studie erstellen lassen, denn die Landesziele sollten die Bundesziele erreichen. Das war ein großer Denkfehler von Anfang an, denn die Ziele der Bundesregierung sind inkompatibel mit dem Paris Klimaschutzabkommen“, so Mielert. „Man hechelt nur hinterher.“Er fordert unter anderem einen Plan dazu, wie das Land von der Kohleverstromung wegkommt. Es brauche verpflichtende regionale Planungen, wie der Verkehr vom Auto stärker hin zu Bus, Bahn und Rad verlagert wird, und wie erneuerbare Energielieferanten ausgebaut werden.
Der Wangener CDU-Abgeordnete Raimund Haser, der die Eckpunkte zum Gesetz für seine Fraktion mit ausgehandelt hat, unterstützt den Ausbau der Erneuerbaren – gerade von Windkraftanlagen. Regionale Planungen, die es bereits gab, seien aber 2011 gestoppt und an die Kommunen übertragen worden, kritisiert er. Und: „Knackpunkt der Windkraftplanung ist der Artenschutz. Nichts verhindert den Ausbau so sehr wie dieser. Die Naturschutzverbände sind dafür verantwortlich, dafür zu werben, bei diesen Planungen den Artenschutz unterzuordnen.“
Das Klimaschutzgesetz ist nur der erste Schritt. Konkrete Maßnahmen und Empfehlungen dazu sollen in einer Novelle des Integrierten Energieund Klimaschutzkonzepts festgeschrieben werden – kurz: IEKK. Darauf konnten sich die Koalitionspartner bislang aber noch nicht abschließend einigen.