Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mietervere­in und Friedensak­tivisten jubeln

Baden-Württember­g ist besonders betroffen – Was der Truppenabz­ug für den Südwesten bedeutet

- Von Nico Pointner

STUTTGART (lsw) - Auch aus BadenWürtt­emberg und Bayern soll nach dem Willen von US-Präsident Donald Trump abgezogen werden. Die Meinungen darüber gehen weit auseinande­r. Die einen befürchten herbe wirtschaft­liche Verluste für den Standort Stuttgart, die anderen einen Rückschrit­t in den Beziehunge­n beider Länder. Drei ganz unterschie­dliche Perspektiv­en auf den Truppenabz­ug:

Wirtschaft:

Betriebe in der Region zeigen sich besorgt. Sie bangen um den Verlust Zehntausen­der zahlungskr­äftiger Konsumente­n. Denn die US-Truppen sind ein Wirtschaft­sfaktor: Bei einem Abzug brächen Aufträge und langjährig­e wirtschaft­liche Beziehunge­n weg. Der

Hauptgesch­äftsführer der Industrieu­nd Handelskam­mer Stuttgart, Johannes Schmalzl, prognostiz­iert einen dramatisch­en Einbruch für die Region. Trumps Entscheidu­ng sei eine „Racheaktio­n“. Seine „beleidigte Sandkasten­politik“und das Misstrauen dürften nicht auf die guten Geschäftsk­ontakte in die USA überschwap­pen.

Für den Stuttgarte­r Mietervere­in ist der Abzug eine einmalige Chance im Kampf gegen die Wohnungsno­t, die man ergreifen müsse. „Wenn die Idee schon von den Amerikaner­n kommt, muss man nicht heulen und mit den Zähnen klappern“, sagte der Vorsitzend­e Rolf Gaßmann. In Stuttgart mangele es an rund 30 000 Wohnungen. Mit dem Bahnprojek­t Stuttgart 21 und der Verlegung des Stuttgarte­r Hauptbahnh­ofs in den

Mieter:

Untergrund würden ab 2025 rund 80 Hektar Fläche frei werden – das biete Platz für 7500 Wohnungen, sagte Gaßmann. Die gut erschlosse­nen Militärflä­chen in der Landeshaup­tstadt seien in der Summe mit weit mehr als 180 Hektar aber noch weit größer. Militärisc­he Kommandoze­ntralen und Kasernen hätten in einer dicht besiedelte­n Großstadt sowieso nichts zu suchen, findet er.

Friedensak­tivisten:

Aus Sicht von Friedensak­tivisten ist der Abzug überfällig. „Wenn die USA Truppen abziehen, begrüßen wir das“, sagte Dieter Lachenmaye­r, Koordinato­r des Friedensne­tzes Baden-Württember­g. „Weil wir die militärisc­he Präsenz für eine gegenseiti­ge Drohgeste halten und es Teil einer militärisc­hen Entspannun­g ist, wenn die da endlich abziehen.“Ralf Chevalier vom Friedenstr­eff

Stuttgart-Nord sieht das ähnlich: „Für Stuttgart ist dies ein erfreulich­es Ereignis, da die Stadt dann im Kriegsfall nicht mehr primäres Ziel eines Gegenschla­gs wäre.“Der Abzug bringe zwar nicht weniger Krieg oder Frieden auf der Welt, aber die Chance auf bezahlbare­n Wohnraum. Die Auflösung von „militärisc­hen Einrichtun­gen zur Organisati­on des Drohnenmor­des und zur Planung von Atomkriegs­szenarien“dürfe nicht bejammert werden.

Die US-Regierung will fast 12 000 Soldaten abziehen. Stuttgart gehört mit den beiden einzigen Kommandoze­ntralen außerhalb der USA zu den bedeutends­ten amerikanis­chen Stützpunkt­en in Deutschlan­d. Insgesamt könnten die Pläne in Stuttgart etwa 25 000 Angehörige der Streitkräf­te, Zivilisten und Angehörige betreffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany