Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mieterverein und Friedensaktivisten jubeln
Baden-Württemberg ist besonders betroffen – Was der Truppenabzug für den Südwesten bedeutet
STUTTGART (lsw) - Auch aus BadenWürttemberg und Bayern soll nach dem Willen von US-Präsident Donald Trump abgezogen werden. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Die einen befürchten herbe wirtschaftliche Verluste für den Standort Stuttgart, die anderen einen Rückschritt in den Beziehungen beider Länder. Drei ganz unterschiedliche Perspektiven auf den Truppenabzug:
Wirtschaft:
Betriebe in der Region zeigen sich besorgt. Sie bangen um den Verlust Zehntausender zahlungskräftiger Konsumenten. Denn die US-Truppen sind ein Wirtschaftsfaktor: Bei einem Abzug brächen Aufträge und langjährige wirtschaftliche Beziehungen weg. Der
Hauptgeschäftsführer der Industrieund Handelskammer Stuttgart, Johannes Schmalzl, prognostiziert einen dramatischen Einbruch für die Region. Trumps Entscheidung sei eine „Racheaktion“. Seine „beleidigte Sandkastenpolitik“und das Misstrauen dürften nicht auf die guten Geschäftskontakte in die USA überschwappen.
Für den Stuttgarter Mieterverein ist der Abzug eine einmalige Chance im Kampf gegen die Wohnungsnot, die man ergreifen müsse. „Wenn die Idee schon von den Amerikanern kommt, muss man nicht heulen und mit den Zähnen klappern“, sagte der Vorsitzende Rolf Gaßmann. In Stuttgart mangele es an rund 30 000 Wohnungen. Mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 und der Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in den
Mieter:
Untergrund würden ab 2025 rund 80 Hektar Fläche frei werden – das biete Platz für 7500 Wohnungen, sagte Gaßmann. Die gut erschlossenen Militärflächen in der Landeshauptstadt seien in der Summe mit weit mehr als 180 Hektar aber noch weit größer. Militärische Kommandozentralen und Kasernen hätten in einer dicht besiedelten Großstadt sowieso nichts zu suchen, findet er.
Friedensaktivisten:
Aus Sicht von Friedensaktivisten ist der Abzug überfällig. „Wenn die USA Truppen abziehen, begrüßen wir das“, sagte Dieter Lachenmayer, Koordinator des Friedensnetzes Baden-Württemberg. „Weil wir die militärische Präsenz für eine gegenseitige Drohgeste halten und es Teil einer militärischen Entspannung ist, wenn die da endlich abziehen.“Ralf Chevalier vom Friedenstreff
Stuttgart-Nord sieht das ähnlich: „Für Stuttgart ist dies ein erfreuliches Ereignis, da die Stadt dann im Kriegsfall nicht mehr primäres Ziel eines Gegenschlags wäre.“Der Abzug bringe zwar nicht weniger Krieg oder Frieden auf der Welt, aber die Chance auf bezahlbaren Wohnraum. Die Auflösung von „militärischen Einrichtungen zur Organisation des Drohnenmordes und zur Planung von Atomkriegsszenarien“dürfe nicht bejammert werden.
Die US-Regierung will fast 12 000 Soldaten abziehen. Stuttgart gehört mit den beiden einzigen Kommandozentralen außerhalb der USA zu den bedeutendsten amerikanischen Stützpunkten in Deutschland. Insgesamt könnten die Pläne in Stuttgart etwa 25 000 Angehörige der Streitkräfte, Zivilisten und Angehörige betreffen.