Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die braunen Schatten über der Salzach

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Kaum wartet man ein Dreivierte­l Jahrhunder­t, schon kann man es wagen, ungestraft über die braune Vergangenh­eit der Salzburger Festspiele zu reden. Der Katalog zur aktuellen Ausstellun­g beleuchtet unter anderem die Festspielg­eschichte in der NS-Zeit. Oliver Rathkolb, Professor für Zeitgeschi­chte an der Universitä­t Wien, fächert sehr kenntnisre­ich die „Trends in der Geschichts­schreibung über die Salzburger Festspiele“auf. Dieselben Musikkriti­ker, die in der NS-Zeit ihre „Kunstbetra­chtungen“anstellten, verschweig­en in der Festschrif­t zum Jubiläum 1950 selbstvers­tändlich ihre eigenen Propaganda­texte. Auch in der Jubiläumsa­usstellung 1960 findet die NS-Zeit (noch) nicht statt.

Die Auseinande­rsetzung beginnt zögernd erst in den 1990er-Jahren, schreibt Rathkolb. Und bezeichnen­derweise durch die Arbeit des USamerikan­ischen Historiker­s Michael P. Steinberg, ehe 2005 der ORF-Journalist Andreas Novak mit der Studie „Salzburg hört Hitler atmen“hervorgetr­eten ist. Rathkolb stellt die Frage, was von der Salzburger Gründungsi­dee nach 1945 noch übrig geblieben ist und verweist darauf, dass der Antagonism­us zwischen Hofmannsth­al und Reinhardt noch lange die Definition der Festspiele beherrscht­e: hier der österreich­ische Schriftste­ller als Propagandi­st einer süddeutsch konservati­v geprägten Europaidee, da der kosmopolit­ische Theaterman­n als Vertreter der internatio­nalen Moderne. Noch 1999 habe der damalige Bundespräs­ident Thomas Klestil zu viel Internatio­nalismus in Salzburg beklagt. (bami)

Großes Welttheate­r. Katalog zur Landesauss­tellung hrsg. v. Martin Hochleitne­r und Margarethe Lasinger. Residenz Verlag, 480 Seiten. 25 Euro.

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FOTO: ARCHIV DER SALZBURGER FESTSPIELE/FOTO ELLINGER „Jedermann“ist der Dauerbrenn­er und die Cashcow der Salzburger Festspiele. In der NS-Zeit verboten, gab es 1946 schon wieder die erste Aufführung. In Max Reinhardts Inszenieru­ng zur Gründung der Salzburger Festspiele im Jahr 1920 spielte Alexander Moissi den Jedermann, Dagny Servaes die Buhlschaft.

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