Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Berühmtheit als Bürde und Chance
Er war Thomas Manns Lieblingsenkel und hat sich mit seinen vielen Talenten gegen die Übermacht der Familie gestemmt – Zum 80. Geburtstag von Frido Mann
BONN (KNA) - „Die Großvaterschaft kommt spät und macht geringen Eindruck“, schreibt Thomas Mann zur Geburt seines ersten Enkels Frido am 31. Juli 1940. Hier sollte der große Literat irren: Der Spross von Manns jüngstem Sohn Michael und seiner Frau Gret Moser wurde sein Lieblingsenkel. Dass der Nobelpreisträger ihm im Roman „Doktor Faustus“ein grausiges literarisches Denkmal setzte, wurde für Frido Mann zur Bürde. Doch zeigt sich der Musiker, Psychologe, Theologe, Schriftsteller und Publizist, der am 31. Juli 80 Jahre alt wird, quicklebendig und vielfältig engagiert.
Geboren in Monterey, dem kalifornischen Exil der Familie, wuchs Frido Mann überwiegend bei den Großeltern Katia und Thomas in den USA und im schweizerischen Kilchberg auf. Der „Zauberer“war vernarrt in den Enkel. Im „Doktor Faustus“lässt Thomas Mann den DreijähQuantenphysik“. rigen jedoch als Nepomuk Schneidewein unter grauenvollen Qualen an Hirnhautentzündung sterben.
„Gottlob hat der Kleine seine Ermordung durch den Bösen gut überstanden“, schrieb Mann 1955 über den 15-jährigen Frido: „Aber ich fühle mich immer etwas in seiner Schuld und freue mich an jedem Jahr, um das er älter wird.“
Frido Mann hat viele Karrieren gemacht – als Musiker, Theologe und Psychologe (samt akademischen Titeln). Seit den 80er-Jahren schreibt er Romane, meldet sich auch in einem eigenen Blog zu Wort. Darin mahnt er beispielsweise mit Blick auf die Corona-Pandemie, Demokratie und Grundrechte zu schützen und gegen „die Unmenschlichkeit populistisch nationalistischer Gesinnung“zu kämpfen.
Zusammen mit seiner Frau Christine, Tochter des Physikers Werner Heisenberg, veröffentlichte er 2017 das Buch „Es werde Licht – Die Einheit von Geist und Materie in der
Mit der Pädagogin und Psychologin ist er seit 1966 verheiratet, hat einen Sohn und drei Enkel. Nach der Scheidung 1981 heirateten die beiden 1993 erneut.
Eines der Großthemen Frido Manns, der die US-amerikanische, Schweizer, deutsche und tschechische Staatsbürgerschaft hat, sind die Spuren seiner Familie in Kalifornien
und Brasilien. Auch in seinen teils autobiografisch gefärbten Romanen setzt er sich mit seiner weit verzweigten, von „Zerrissenheit“geprägten Herkunft auseinander.
Fast selbstredend, dass der Enkel eines Jahrhundert-Romanciers mit seinem Werk besonders kritisch beäugt wird. 1996 gründete er den Trägerverein „Casa Mann“, um im Geburtshaus seiner Urgroßmutter Julia da Silva-Bruhns im brasilianischen Paraty ein internationales Kulturund Begegnungszentrum zu errichten. Ähnlich sein Engagement für das Mann-Refugium in Pacific Palisades, über das er in „Das weiße Haus des Exils“(2018) schrieb. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnete 2018 die von der Bundesregierung erworbene Villa als Zentrum des transatlantischen Dialogs; Frido Mann wurde zum Ehrenstipendiaten ernannt. Bei einer Vortragsreise im Herbst 2019 sprach er vor USStudenten über Wert und Unabdingbarkeit von Demokratie.
Zur Religion hat Frido Mann ein spezielles Verhältnis. Auf Betreiben seines Großvaters in der Unitarischen Kirche in Los Angeles protestantisch getauft, konvertierte er als junger Mann, studierte Katholische Theologie und promovierte 1970 über „Das Abendmahl beim jungen Luther“. Statt des angebotenen Lehrstuhls für Fundamentaltheologie in Münster wandte sich Mann 1972 der Psychologie zu. 1986 wurde er Professor in Münster, wo er bis 1990 das Institut für Medizinische Psychologie leitete. 2009 trat der einstige Assistent des Theologen Karl Rahner wieder aus der Kirche aus. Der Anlass: Papst Benedikt XVI. hatte Mitglieder der umstrittenen Piusbruderschaft wieder in die Kirche aufgenommen, darunter den Holocaust-Leugner Richard Williamson. Heute begreift sich Frido Mann nach eigenen Worten als überkonfessionell und wirbt für ein Zusammenwirken aller Religionen im Sinne des „Weltethos“Projekts von Hans Küng.