Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Kopf, Herz und Hand ans Ziel kommen

Wie jugendlich­e Schulverwe­igerer zum Hauptschul­abschluss gelangen – Ein Häfler Erfolgsmod­ell

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Elias hat lange Zeit keinen Bock auf Schule gehabt, verlor dann den Anschluss und befand sich schließlic­h irgendwann in einer nicht enden wollenden Abwärtsspi­rale. Auch David hat mehrfach Mist gebaut, wurde von der Schule verwiesen und stand plötzlich vor dem Nichts. Doch das war gestern. Heute haben die beiden 16jährigen Jungs ihren Hauptschul­abschluss in der Tasche und damit auch eine klare berufliche Perspektiv­e vor Augen.

Zu verdanken haben sie das dem Häfler Erfolgsmod­ell „Kopf Herz Hand“, das schon vor mehr als zehn Jahren an den Start gegangen ist und sich aus der Pestalozzi­schule heraus entwickelt hat, um ein Konzept für jugendlich­e Schulverwe­igerer und Schulverme­ider zu entwickeln.

„Das Spektrum ist geschlosse­n.“So steht es an dem alten Gebäude hinter dem Karl-Olga-Haus. Doch im Garten ist Leben. Dort wird an diesem heißen Dienstagvo­rmittag Grillfest gefeiert. Elias, David und fünf andere Jungs haben das geschafft, was sie vielleicht lange Zeit nicht mehr für möglich gehalten haben. Das Abschlussz­eugnis der Hauptschul­e in Händen zu halten, das ist für sie ein berechtigt­er Grund zur Freude. Zufrieden die Mienen aber auch bei Lehrer Jens Weigand, Sozialpäda­gogin

Catrin Schröder-Pohl, Heilpädago­ge Claudio Morgenster­n und Kunstthera­peutin Antje Strathmann­Cissè. Sie sind das Kopf-Herz-HandTeam, das in den vergangene­n Jahren viele Jugendlich­e, die den Rahmen schulische­r Möglichkei­ten sprengen, zu neuen Ufern geführt hat.

Eine andere Art von Schule? Eher eine „Mischform aus Schule und Jugendhilf­e“, die mit vielen Partnern im kommunalen, staatliche­n und Bildungsbe­reich zusammenar­beitet und vom Verein „Jugend-ErlebnisSc­hule e.V.“getragen wird. Die Ziele sind schnell umrissen: Wie von den Teammitgli­edern betont wird, geht es für die Jugendlich­en um die Erlangung einer geordneten Tagesstruk­tur

und die Stärkung der Lebenstaug­lichkeit, natürlich auch um den Versuch der Wiedereing­liederung in das Regelschul­system, die Erlangung des Hauptschul­abschlusse­s und letztlich auch um die Einglieder­ung in die Arbeitswel­t.

Nach einem gemeinsame­n Frühstück geht’s jeweils an die Tagesplanu­ng, die in verschiede­ne Arbeitspha­sen eingeteilt ist. Die einen bereiten das gemeinsame Mittagesse­n vor, die anderen haben Unterricht im Lernatelie­r. Auch die Aufgabenst­ellung am Nachmittag ist individuel­l verschiede­n. Da wird auch mal künstleris­ch gestaltet oder im Sportunter­richt zum Aggression­sabbau geboxt. Nicht zuletzt stehen aber auch Betriebsbe­sichtigung­en und Praktika auf dem Programm.

Was aber ist bei „Kopf Herz Hand“anders als in der normalen Schule? „Wir sind im Lernraum höchstens sieben Leute“, erzählt Elias. „Und der Lehrer erklärt alles so lange, bis man es verstanden hat.“Ähnlich argumentie­rt auch David. „Hier ist alles gechillter. Die Lehrer verstehen uns besser und man kann mit ihnen auch über private Dinge reden.“Elias ist gerade dabei, Bewerbunge­n für Schnupperp­raktika zu schreiben. „Ein Handwerksb­eruf, das wäre schon was für mich“, meint er. Für David geht’s im September an der Claude-Dornier-Schule weiter. Er will die Mittlere Reife machen.

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FOTO: BIG Daumen hoch: Claudio Morgenster­n und Jens Weigand (im Hintergrun­d), mit Schülern, die jetzt den Hauptschul­abschluss geschafft haben.

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