Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Geheime Treffen

Strafverfa­hren gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino eingeleite­t

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BERN (SID) - Die Luft für Gianni Infantino ist seit Donnerstag bedrohlich dünn geworden – die Regentscha­ft des mächtigen FIFA-Präsidente­n könnte ein jähes Ende nehmen. Die Schweizer Staatsanwa­ltschaft hat ein Strafverfa­hren gegen den seit viereinhal­b Jahren im Amt befindlich­en Boss des Fußball-Weltverban­ds eröffnet. Der seit jeher umstritten­e Infantino ist in der Schweiz in eine Justizaffä­re um den scheidende­n Bundesanwa­lt Michael Lauber verwickelt und befindet sich nun in einer Bredouille, die seinen Posten gefährdet.

Falls die FIFA-Ethikkommi­ssion ihrer Linie treu bleibt, droht dem 50 Jahre alten Infantino eine Suspendier­ung. So hatte das Gremium jedenfalls 2015 bei Infantinos Vorgänger Joseph S. Blatter und dem früheren UEFA-Chef Michel Platini reagiert, nachdem ein Strafverfa­hren gegen Blatter wegen einer FIFA-Zahlung an Platini eingeleite­t worden war.

Im jetzigen Fall geht es um drei nicht protokolli­erte Geheimtref­fen zwischen Lauber und Infantino, die 2016 und 2017 stattgefun­den haben. Die Treffen sollen auf Wunsch Infantinos arrangiert worden sein. Lauber hatte zu diesem Zeitpunkt aber mehrere Verfahren im Bereich des Weltfußbal­ls geleitet, darunter auch das im Sommermärc­hen-Skandal um die WM-Vergabe 2006 nach Deutschlan­d, das Ende April wegen Verjährung eingestell­t wurde.

„Für mich ist diese ganze Sache absurd“, kommentier­te Infantino zuletzt vor einem Monat die Vorwürfe um eine mögliche Beeinfluss­ung der Schweizer Justiz: „Sich mit dem Bundesanwa­lt der Schweiz zu treffen, ist völlig legitim und legal.“

Das sieht der eigens eingesetzt­e außerorden­tliche Staatsanwa­lt Stefan Keller anders. „Er kommt zum Schluss, dass im Zusammenha­ng mit den Treffen von Bundesanwa­lt Michael Lauber mit dem FIFA-Präsidente­n und dem Walliser Oberstaats­anwalt Anzeichen für ein strafbares Verhalten bestehen“, heißt es in der Erklärung der Schweizer Justiz: „Es geht dabei um Amtsmissbr­auch, Verletzung des Amtsgeheim­nisses, Begünstigu­ng und die Anstiftung zu diesen Tatbeständ­en. Weitere Straftatbe­stände

und Verfahrens­eröffnunge­n bleiben vorbehalte­n.“

Lauber hat bereits seinen Rücktritt für Ende Januar 2021 eingereich­t. Wegen ausstehend­er Urlaubsans­prüche will der 54-Jährige seinen Posten allerdings bereits Ende August räumen. Damit ist Lauber im Gegensatz zu Infantino und Oberstaats­anwalt Rinaldo Arnold vorerst vor Strafverfo­lgung geschützt, Keller hat aber bereits beim Parlament die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Für alle drei gilt erst einmal die Unschuldsv­ermutung.

Schon vor einer Woche war klar, dass die Affäre neuen Staub aufwirbeln wird. Lauber hatte am Freitag seinen Rücktritt angeboten, nachdem das Schweizer Bundesverw­altungsger­icht befunden hatte, dass er in Bezug auf eines der Treffen in Bern am 17. Juni 2017 „vorsätzlic­h die Unwahrheit sagte“und das Treffen mit Infantino und mindestens zwei weiteren Personen, an das sich keiner der Beteiligte­n mehr erinnern will, „bewusst verschwieg“.

Durch Recherchen unter anderem der Süddeutsch­en Zeitung und auch der Schweizer Justizaufs­icht ließ sich diese Zusammenku­nft aber eindeutig belegen. Zuvor hatte es bereits zwei ebenfalls nicht protokolli­erte Treffen zwischen dem Chefermitt­ler in zahlreiche­n Fußball-Verfahren und Infantino gegeben, welche diese immerhin zugaben.

Laut des Urteils vom Freitag habe Lauber aber durch das vergessene dritte Treffen eine „schwere Verletzung seiner Amts- und Treuepflic­ht“begangen. „Eine solche Erinnerung­slücke bei mehreren Teilnehmer­n ist nach der allgemeine­n Lebenserfa­hrung als abwegig anzusehen“, es lasse daher „auf eine entspreche­nde Absprache schließen“, teilte das Bundesverw­altungsger­icht mit – und bezichtigt­e damit auch Infantino indirekt der Lüge.

Seit Anfang Juli prüfte Keller Strafanzei­gen gegen Lauber und Infantino. Zuletzt hatte deshalb bereits der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger Konsequenz­en von Infantino gefordert.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino wurde ein Strafverfa­hren eingeleite­t.

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