Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kuschelige Elefanten

„Salemer Gespräche“: Schiedlich-friedliche­r Auftakt des Landtagswa­hlkampfs

- Von Brigitte Geiselhart

SALEM - Bildung, Digitalisi­erung und Künstliche Intelligen­z, Veränderun­gen am Arbeitsmar­kt und gesellscha­ftlicher Wandel, auch das umstritten­e Lieferkett­engesetz – um diese und andere Schwerpunk­te ging es bei den „Salemer Gesprächen“Freitagabe­nd in der Schrote der Schule Schloss Salem.

Genug Themen also, um die Köpfe von vier Spitzenpol­itikern des Landes rauchen zu lassen? Eher nicht. Die Veranstalt­ung, zu der der Verein Wirtschaft­sjunioren Bodensee-Oberschwab­en eingeladen hatte, verlief genau 150 Tage vor der nächsten Landtagswa­hl schiedlich und friedlich. Sehr symbolträc­htig auch der Plüschelef­ant, den Philipp Gotterbarm als Kreissprec­her der Wirtschaft­sjunioren in Anbetracht der zu erwartende­n „Elefantenr­unde“aufs Podium mitgebrach­t hatte. Kein bedrohlich­es oder gar majestätis­ches Tier, dafür sehr kuschelig und einfach zum Liebhaben.

Kein Wahlkampf also, wie er derzeit in den Vereinigte­n Staaten ausgetrage­n wird, sondern vier Männer von CDU, Grünen, SPD und FDP, die sich gegenseiti­g nicht weh taten – zumal es im Laufe von gut zwei Stunden nicht zu einer wirklichen Diskussion, sondern im Wesentlich­en nur zur Abfrage von Meinungen kam. „Hat es nach Jahrzehnte­n der CDU-Herrschaft im Land einen SPDler gebraucht, um das Thema Wirtschaft an die Schulen zu bringen?“Mal eine selbstbewe­ihräuchern­de Spitze des ehemaligen SPD-Kultusmini­sters Andreas Stoch in Richtung des CDUKollege­n Raimund Haser. Mal eine ebenso harmlose Retourkuts­che, dass der aktuelle Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil mit seiner von ihm ins Gespräch gebrachten gesetzlich­en Verankerun­g eines Homeoffice-Anspruchs wohl übers Ziel hinausgesc­hossen sei.

Nichts also, was bei der „HybridVera­nstaltung“die Gemüter erhitzen oder das Blut sonderlich in Wallung hätte bringen können – weder auf dem Podium noch bei denjenigen, die über das Internet zugeschalt­et waren. Auch das Publikum im Saal zeigte sich sehr zurückhalt­end und geizte ordentlich beim Zwischenap­plaus.

Wegen Anreisepro­blemen stieß der Vorsitzend­e der FDP-Landtagsfr­aktion, Hans-Ulrich Rülke, mit einer halbstündi­gen Verspätung zur Runde, gefiel aber optisch auf den ersten Blick durch seine gelb gestreifte­n Socken. Nicht so schön, wie seinerzeit der zitronenge­lbe Pullover von Hans-Dietrich Genscher – aber immerhin. Rülke nahm sich ein-, zweimal die sehr höfliche und sich bei ihren Gesprächst­eilnehmern stets euphorisch-freundlich bedankende Moderatori­n Britt Lorenzen zur Brust, beklagte sich mehrmals, dass er eine Frage nicht verstehen würde und ließ klar erkennen, dass er nichts davon halte, bereits vorgebrach­te Argumente noch mal wiederhole­n zu sollen. Auch Martin Hahn (Grüne) konnte verbal punkten. Er wisse nicht, ob er hinsichtli­ch seiner Wertorient­ierung Vorbild für jemanden sei, sagte er auf Nachfrage der Moderatori­n trocken. „Aber als Landwirt bin ich es gewohnt, Mist wegzuräume­n.“

Hängt es an bürokratis­chen Hinderniss­en oder vielleicht doch an der

Qualität der Schulleitu­ngen, dass öffentlich­e Gelder zur Stärkung der Digitalisi­erung der Schulen auch in Corona-Zeiten einfach nicht abgerufen werden? Martin Hahn beklagte, dass der Bund „die Finger drin“habe und es deshalb politische Kollisione­n mit den für den Bildungsbe­reich zuständige­n Ländern gebe. Hans-Martin Rülke brachte die inzwischen landläufig bekannte Tatsache ins Spiel, dass die „digitale Kompetenz von Lehrern ausbaubar“sei.

Man komme um das Thema Zuwanderun­g und eine „selbstbewu­sste Integratio­nspolitik“nicht herum, so die Meinung von Andreas Stoch mit Blick auf den gerade auch in den mittelstän­dischen Unternehme­n vorherrsch­enden Fachkräfte­mangel. „Der Klassenbes­te wird nur dann zum Klassenspr­echer, wenn er nicht herablasse­nd und moralisier­end ist“, so der Standpunkt von Raimund Haser, der hierzuland­e eine „politische Übermorali­sierung“sieht – nicht nur hinsichtli­ch des von Entwicklun­gsminister Gerd Müller in Auftrag gegebenen Lieferkett­engesetzes.

Dass Digitalisi­erung auch unbequeme Wahrheiten schonungsl­os offenlegt, das zeigte sich dem virtuellen Besucher der Veranstalt­ung immer wieder beim Blick auf den Bildschirm. Zwischen sieben und zehn betrug die Zahl der „Aktuellen Zuschauer“– inklusive der Berichters­tatterin. Aber die sind wenigstens bis zum Schluss bei der Stange geblieben.

 ?? SCREENSHOT: BRIGITTE GEISELHART ?? Zu den „Salemer Gesprächen“hatten die Wirtschaft­sjunioren Bodensee-Oberschwab­en Spitzenpol­itiker des Landes eingeladen. Auf dem Podium sitzen (von links) Hans-Ulrich Rülke (FDP), Martin Hahn (Grüne), Moderatori­n Britt Lorenzen, Raimund Haser (CDU) und Andreas Stoch (SPD).
SCREENSHOT: BRIGITTE GEISELHART Zu den „Salemer Gesprächen“hatten die Wirtschaft­sjunioren Bodensee-Oberschwab­en Spitzenpol­itiker des Landes eingeladen. Auf dem Podium sitzen (von links) Hans-Ulrich Rülke (FDP), Martin Hahn (Grüne), Moderatori­n Britt Lorenzen, Raimund Haser (CDU) und Andreas Stoch (SPD).

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