Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Beziehung folgt die Höllenfahrt
Junger Mann akzeptiert Trennung nicht und begeht viele Straftaten
FRIEDRICHSHAFEN (sig) - Neun Monate dauerte die Beziehung zwischen einem zur Tatzeit 20-Jährigen und einer 23-jährigen Frau. Als sie Schluss machte, konnte der junge Mann damit nicht umgehen. Er stahl ihre EC-Karte aus ihrem Auto und hob am Bankautomaten in Ailingen Geld ab, drang mit einem nachgemachten Schlüssel in ihre Wohnung ein und randalierte dort, schob sie auf den Beifahrersitz ihres Autos und startete eine Höllenfahrt nach Laupheim, überfiel sie in einer Damentoilette und zerrte sie aus dem Lokal.
Am Mittwoch musste sich der italienische Staatsangehörige vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Tettnang verantworten. Die Staatsanwältin warf ihm Computerbetrug, Körperverletzung mit Freiheitsberaubung, schweren Raub, Nötigung und Hausfriedensbruch vor.
Der damals 20-Jährige soll seine Ex-Freundin Ende vergangenen Jahres unter einem Vorwand von ihrem Arbeitsplatz weggelockt, sie am Oberarm zu ihrem Auto gezogen, auf den Beifahrersitz geschoben und sich selbst ans Steuer gesetzt haben, bevor er losfuhr. Angeblich zur Polizei in Friedrichshafen, um vorausgegangene Straftaten zu beichten. Tatsächlich soll er ihr Auto in Richtung Ravensburg gelenkt haben, ihre Forderung ignorierend, anzuhalten, um sie aussteigen zu lassen. Als sie an einer roten Ampel versuchte, das Auto zu verlassen, soll er sie festgehalten haben. „Es macht alles keinen Sinn“, soll er zu ihr gesagt haben. In aggressiver Stimmung soll er das Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn gelenkt haben, wo ein Lkw entgegenkam. Kurz vor einem Zusammenstoß sei er wieder rechts eingeschert.
In Laupheim angekommen, soll sie ihn gebeten haben, eine Toilette aufsuchen zu dürfen. Er habe bei einem Lokal angehalten. Sie sei ausgestiegen, habe sich in einer WC-Kabine eingeschlossen und mit Kollegen in Friedrichshafen telefoniert, denen sie ihre Situation schilderte. Doch ihr Ex-Freund sei ihr gefolgt, über eine Trennwand zu ihr in die Damentoilette gestiegen und habe sie aufgefordert, das Telefonat zu beenden. Er habe ihr das Handy weggenommen, sie gepackt. Er soll ihr ein Klappmesser gezeigt haben, bevor er sie aus dem WC und dem Lokal zerrte. Anschließend sei er ohne sie wieder mit ihrem Auto weggefahren, um nach kurzer Zeit wieder zurückzukommen. Mittlerweile hatten sich Zeugen der Frau angenommen und die Polizei gerufen. Sie nahm ihn fest.
In einem weiteren Fall hatte er die Wohnung der Ex in Friedrichshafen mit einem nachgemachten Schlüssel geöffnet, nachdem er zuvor geklingelt, die Frau aber nicht geöffnet hatte. Wie vor Gericht geschildert wurde, drang er trotz ihres Widerstands in die Wohnung ein, verfolgte sie, zertrümmerte ihr Handy.
Ein Messer habe er nie dabeigehabt und er habe die Ex-Freundin auch nicht umbringen wollen, ließ sich der Angeklagte vernehmen. Zu allen anderen Vorwürfen schwieg er.
Im Zeugenstand berichtete die Frau, den Angeklagten Anfang Februar vergangenen Jahres kennengelernt zu haben. Mit der Zeit hätten sie immer öfter gestritten, wobei es sich um keinen normalen Streit gehalten habe. Unter anderem habe er sie eingesperrt und ihr das Handy abgenommen. Sie habe schließlich die Beziehung beendet, doch dann sei es erst richtig losgegangen. Er habe die Trennung nicht akzeptiert.
Ein Soldat aus Laupheim schilderte, wie er Geschrei aus der Damentoilette hörte und sah, wie der Angeklagte die Frau über den Boden zog. Als er fragte was los sei, habe der Mann von ihr abgelassen und sei abgehauen. Der Zeuge und ein weiterer Mann halfen ihr auf die Beine, brachten ihr ein Getränk und sie berichtete von der Fahrt.
Mit einer Ausnahme (es fehlt der Nachweis, dass er gesagt habe, er wolle die Frau umbringen) sah die Staatsanwältin die Anklage bestätigt. Bei der Frage, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht zutreffe, tendierte sie aufgrund der Reifeverzögerung des Angeklagten in den Jugendbereich. Für ihn spreche, dass die Taten aus einer Beziehung heraus entstanden seien und schnell aufeinander folgten. Gegen ihn spreche, dass er bereits dreimal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, zur Bewährung ausgesetzt, sei tat- und schuldangemessen. Sie sei allerdings auch überzeugt davon, dass er keine weiteren Straftaten begehen werde. Seit einem Jahr sei nichts mehr passiert, bat Verteidiger Alexander Greiner von den auferlegten Kosten für seinen Mandanten abzusehen, schloss sich dem einen Jahr der Staatsanwaltschaft jedoch an.
Das Jugendschöffengericht folgte weitgehend der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Mann zu einer Einheitsstrafe von einem Jahr, zur Bewährung ausgesetzt, und einer Geldbuße von 300 Euro. Bis auf die vorgeworfene Drohung nach dem Leben habe sich der Anklagevorwurf bestätigt, sagte Richter Peter Pahnke.