Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Brexitarier Johnson und der Käseverzicht
Der britische Premierminister Boris Johnson ist von der Figur her eher dem Barock zuzurechnen. Trotzdem scheut sich der Politiker nicht, selbst in der Badehose öffentlich aufzutreten. Böse Zungen sprechen vom „Herrn der Ringe“und meinen Johnsons um die Hüften herum gespeicherte Energiereserven. Johnson strebt nun aber ein leichteres Dasein an. Weg vom großen Vorbild Churchill, mehr so in Richtung Karl Valentin. Welche Ernährung der berühmteste aller Brexitarier dabei anstrebt, hat er neulich per Video herausposaunt. Er verzichte auf den „Late-Night-Cheese“, also den Spätnachtskäse.
Der Verzicht auf mitternächtliche Milchprodukte kommt natürlich nicht von ungefähr. Sein Land steckt in einer Fettleibigkeitskrise, weshalb ein 100 Millionen schweres Programm zum Dahinschmelzen des Übergewichts aufgelegt wurde. Sozusagen mit Pfund gegen Pfunde. Da muss Johnson natürlich mit gutem Beispiel vorangehen – Pfundskerl, der er ist.
Boris Johnson, so betont er im Video, sei „full of beans“. Das hat nichts mit einer eventuell hülsenfrüchtelastigen Ernährung zu tun. Sondern die Redewendung beschreibt einen enthusiastischen Zustand – irgendwas zwischen aufgekratzt und topfit. Johnsons Verzicht auf den Mitternachtskäse hat wahrscheinlich einen anderen Grund: Seit dem Brexit ist es auf der Insel deutlich schwieriger, anständigen Käse aus Festland-Europa zu bekommen, etwa Allgäuer Bergkäse oder Bachensteiner. Und wo es nur gelblich schimmernden Cheddar zu kaufen gibt, ist der Verzicht auch keine Kunst. (nyf )
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