Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Es ist komfortabler, wenn man die Altersvorsorge selbst initiiert hat“
Finanzjournalistin Anke Dembowski erklärt, warum Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen müssen
WASSERBURG - Frauen besitzen weniger Geld als Männer. Sie bekommen beispielsweise durchschnittlich eine niedrigere Rente. Denn sie pausieren häufiger im Beruf, verdienen weniger und zahlen weniger in die Rentenkasse ein. Das belegen Zahlen der deutschen Rentenversicherung. Damit Frauen dennoch fürs Alter vorsorgen, sollten sie ihr Geld anlegen, findet Anke Dembowski. Die Wasserburgerin ist Finanzjournalistin und Mit-Gründerin des Netzwerks Fondsfrauen.
Im Gespräch mit Ronja Straub hat sie erzählt, warum Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen müssen und warum sie sogar die besseren Anlegerinnen sind.
Warum ist es wichtig, dass Frauen sich selbst um ihre Finanzen kümmern?
Damit wir unabhängig sind. Und nicht mit einem Mann zusammen sein müssen, weil wir sonst nicht finanziell über die Runden kommen, sondern weil wir gerne mit ihm zusammen sind. Oder auch, um keine Angst zu haben bei einer Trennung oder einer Scheidung, dass wir finanziell nicht zurechtkommen. Dann ist es wichtig, dass frau von Anfang an das Heft in der Hand hat. Es ist einfach komfortabler, wenn man Dinge wie eine Altersvorsorge selber initiiert hat und auch versteht.
Warum glauben Sie, dass Frauen vielleicht auch manchmal Angst
oder Respekt vor dem Thema Finanzen haben? Wurden sie auch lange zurückgehalten?
Eigentlich haben sich Frauen schon immer mit Finanzen beschäftigt. Auch in sehr traditionellen Familien ist es oft so, dass die Frau das Tagesgeschäft macht. Sie geht einkaufen und bezahlt. Sie schaut, dass die Kinder alle zu ihren Rechten kommen und, dass sie ihr Geld für die Schule und so weiter beisammen haben. Oft ist es allerdings so, dass sich die Frau um die kleineren Ausgaben kümmert.
Bis in die 70er-Jahre durfte eine Ehefrau tatsächlich kein Konto unterhalten ohne die Zustimmung ihres Mannes. Und so weit weg sind die 70erJahre ja gar nicht. Vielleicht wollte man nicht, dass die Frau die großen Finanzen überblickt, damit sie einem nicht dazwischenfunkt. Dabei haben Frauen eigentlich ein sehr gutes, mütterliches Verständnis für Finanzen – sie wollen wissen, dass alles auf solide Beine gestellt ist. Wenn große Dinge schiefgehen, wie bei der Finanzkrise, waren überwiegend Männer involviert. Da, wo viel schief lief, aufgrund von übersteigertem Selbstbewusstsein oder zu hoher Risiken, waren eher Männer involviert.
Glauben Sie, Frauen sind die besseren Anlegerinnen?
Es gibt viele Studien, die genau das zeigen. Wobei ich das nicht unkommentiert stehen lassen will. Frauen legen im Schnitt etwas konservativer an als Männer. Sie wollen nicht die ganz großen Risiken eingehen. Zum Teil auch, weil sie es sich nicht erlauben können. Frauen haben im Schnitt weniger Geld, und dann ist es nicht egal, ob 10 000 Euro mehr oder weniger im Portemonnaie sind. Daher haushalten Frauen besser und sind aus diesem Grund oft konservativer in der Anlage. In Jahren, in denen die Börsen gut laufen, liegen oft von
Männern geführte Depots vorne. In Jahren, in denen es nach unten geht, wie bei der Finanzkrise oder auch im März 2020 zum Corona-Crash, sind die Frauen besser, weil sie weniger Risiken genommen haben.
Dann werden wir jetzt mal praktisch: Nehmen wir an, ich habe 1000 Euro, bin Berufseinsteigerin und möchte dieses Geld gerne anlegen, um bei der Rente in 40 Jahren etwas davon zu haben. Wichtig ist: Wir können davon ausgehen, diese 1000 Euro liegen lange. Auf lange Sicht gleicht sich vieles aus. Dann ist es sinnvoll, in den Aktienmarkt reinzugehen. Natürlich kann es einen Crash geben oder eine Inflation. Aber über lange Zeit, das heißt über zehn Jahre und mehr, hat der Aktienmarkt eigentlich immer alle anderen Anlagemöglichkeiten ausgestochen. Am Aktienmarkt macht man keine Punktlandung. Es kann sein, dass Sie aus ihren 1000 Euro nach zehn Jahren 3000 Euro gemacht haben, wenn es schön läuft, und es kann auch sein, dass Sie immer noch bei den 1000 Euro sind. Das heißt, frau muss sich etwas frei machen von dem Gedanken: ’Ich muss genau wissen, was rauskommt.’
Wie genau lege ich an?
Es ist nicht gut, alles auf eine Branche zu setzen. Wir brauchen eine breite Streuung, und dafür bieten sich „Investmentfonds“an, weil die nicht nur in einen Titel gehen, sondern in viele Branchen und am besten in mehrere Länder. So wird das Geld breit gestreut, was dann auch die Risiken besser verteilt.
Was genau ist ein Fonds? Kann man sich das vorstellen wie einen Einkaufskorb, in dem Aktien unterschiedlicher Unternehmen sind?
Genau, und das Ganze wird von einem Portfolio-Manager oder einer Managerin betreut. Die packen das in den Korb, was sie für richtig halten und haben auch gesetzliche Richtlinien. Beispielsweise können Sie sagen, das ist ein japanischer Aktienfonds, dann sind nur japanische Aktien drin. Ihnen als Anfängerin würde ich zu einem weltweiten Fonds raten. Selbst wenn dort eine Aktie drin ist, die nicht so toll ist, ist das nicht schlimm. Das wird durch die anderen Aktien, die sich wunderbar entwickeln, ausgeglichen.
Was sind meine ersten Schritte, wenn ich loslegen möchte?
Sie eröffnen ein Depot – online oder vor Ort bei der Bank. So, wie man ein Konto braucht, um Geld darauf zu tun, braucht man ein Depot für Wertpapiere. Und dann können Sie online Fondsanteile kaufen. Wenn Sie sehr kostenbewusst sind, kaufen Sie einen sogenannten ETF (engl. Exchange Traded Fund). Das sind Fonds, die nicht aktiv gemanagt werden, sondern sich an einem Index orientieren. Deshalb zahlt man dort weniger Gebühren. Denn hohe Gebühren schmälern den Gewinn. Man gibt in die Suchmaschine zum Beispiel ein: „Aktienfonds, international, ETF“. Dann bekommt man Treffer und kauft einen Fonds, der einem plausibel erscheint.
Das heißt, Sie animieren da auch zu mehr Mut, einfach mal loszulegen. Oder ist aus Ihrer Sicht auch Vorsicht geboten?
Also Mut nicht, um sich um Kopf und Kragen zu bringen. Wenn man sich gar nicht auskennt, sollte man sich im Internet erst einmal schlau lesen. Es gibt viele Plattformen, wie zum Beispiel „herMoney“, die Basiswissen vermitteln und auf aktuelle Themen eingehen. Das ist eine gute Grundlage. Wenn es dann ums Anlegen geht, beruhen viele Entscheidungen auf Prognosen, und selbst der tollste Experte und die tollste Expertin wissen nicht mit Sicherheit, was in der Zukunft passiert. Wer ein Grundwissen hat und zumindest mal am Wochenende kurz einen Blick auf die Börse wirft, ist schon ganz gut im Bilde. Viel mehr muss man auch gar nicht unbedingt machen. Das macht ja dann das Fondsmanagement.
Das
komplette Gespräch mit Anke Dembowski können Sie in der neuen Folge des Lindau Podcast anhören unter
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