Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Windhauch
Spektakuläre Bilder liefert zurzeit der Mars-Roboter „Perseverance“. Erst von seiner Landung, und jetzt, zwei Wochen später, gibt es gestochen scharfe Panorama-Bilder von seiner Umgebung. Der Clou aber ist eine Tonaufnahme. In einer kurzen Sequenz – man muss sich konzentrieren, um ihn nicht zu überhören – ist ein Windhauch zu erahnen. Der Original-MarsWindhauch.
Sie kommen zur richtigen Zeit, diese Bilder und der Windhauch. Nach einem Jahr Pandemie und im zweiten Lockdown sind wir der Einschränkungen müde. Kontakt-, Öffnungs- und Auftrittsverbote lähmen unser privates und öffentliches Leben. Auch wenn wir – jedenfalls die meisten von uns – die Notwendigkeit dieser Beschränkungen einsehen: Wir sind ihrer müde!
Da kommen solche Bilder wie die vom Mars gerade recht. Sie zeigen uns eine Weite, die gut tut. Sie erzählen vom Erfolg einer Mission, über die man nur staunen kann. Sie bringen uns Bereiche des Weltalls, die eigentlich unerreichbar schienen, näher als je zuvor. Und sie stellen die Frage nach dem Leben außerhalb unseres Planeten – und damit auch, ob irgendwann auch menschliches Leben da draußen vorstellbar ist und wie dieses wohl aussehen könnte. Mir tut es im nervenden Lockdown gut, solche Bilder zu sehen und solche Gedanken zu spinnen.
Allerdings: Je länger ich spinne, umso nüchterner werde ich. Bei aller Schönheit der Bilder vom Mars: Es ist doch nur eine Stein- und Staubwüste. Eine Obstblüte, an die man hier langsam wieder denken kann, ist dort wohl nicht zu erwarten, und der zarte Windhauch reicht mir auf die Dauer auch nicht. Da haben unsere Vögel für das Ohr gerade schon deutlich mehr zu bieten. Kurzum: Ich habe mich entschieden, doch hierzubleiben.
Übrigens: „Perseverance“heißt Ausdauer oder Beharrlichkeit. Die brauchen wir nicht nur, um auf den Mars zu kommen, sondern manchmal auch, um standzuhalten.
Und soviel ist klar: Der Frühling kommt!
Dr. Thomas Borne Diakon und Klinikseelsorger