Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Nasenbohre­n erlaubt: So laufen die Tests

Häfler Schulen entwickeln eigene Corona-Schnelltes­t-Strategien

- Von Sandra Philipp

FRIEDRICHS­HAFEN/KLUFTERN Erst kribbelt es ein wenig in der Nase, dann folgt bei einigen ein kurzes Brennen und schon haben es die 15 Jungen und Mädchen der Klasse 6a geschafft. Suhan, Lennard, Katerina und Aran sind vier von insgesamt knapp 300 Schülerinn­en und Schülern, die an diesem Montagvorm­ittag im Karl-Maybach-Gymnasium (KMG) das freiwillig­e CoronaSchn­elltestang­ebot in Anspruch nehmen. Immer montags wird am KMG getestet.

Für die Zeit vor den Osterferie­n hat die Stadt Friedrichs­hafen 10 600 Schnelltes­ts an die Schulen ausgegeben. Die Kosten dafür wird das Land zurückerst­atten.

Für etwa zehn Minuten haben die Sechstkläs­sler ihre Klassenzim­mer verlassen und folgen auf dem Flur den Anweisunge­n des mobilen Testteams. Das besteht an diesem Morgen aus den Lehrerinne­n Dorothee Baier und Anke Roll sowie der Referendar­in Katharina Müller, die parallel zu einem zweiten Testteam ihren Servicewag­en durch die Gänge schieben. Die Frauen, die eigentlich Sport, Biologie, Musik oder Englisch unterricht­en, nutzen ihre Freistunde­n und wirken, obwohl das KMG erst das zweite Mal testet, bereits sehr routiniert. In der vergangene­n Woche waren übrigens alle getesteten Schüler negativ. Während eine der Frauen Röhrchen in eine von den Hausmeiste­rn selbst gebaute Halterung steckt, füllt die nächste Flüssigkei­t in diese ein.

Gleichzeit­ig haben sich die Schülerinn­en und Schüler mit einer Armlänge Abstand aufgestell­t und packen die Tupfer aus. Auf drei startet die kollektive Nasenbohre­rei. „Dreht das Wattestäbc­hen auf jeder Seite etwa fünfmal hin und her“, rät Baier, ehe sie die Namen aus der Klassenlis­te verliest. Dort sind die Schüler durchnumme­riert. Damit keiner mit einem falschen Testergebn­is konfrontie­rt wird, achten die Testerinne­n genau darauf, dass die Stäbchen auch in die passenden Röhrchen gesteckt werden.

Während die Schüler wieder in den Unterricht zurückgehe­n, rührt das Testteam jedes Stäbchen kräftig in der Flüssigkei­t hin und her: „Ich versuche den Wattebausc­h so gut es geht auszuwring­en“, erklärt Roll, ehe sie die Flüssigkei­t in die ebenfalls nummeriert­e Testkasset­te träufelt. Es dauert nicht lange und das Feld färbt sich rot ein. Langsam zeichnet sich ein Strich direkt neben dem Buchstaben C ab. Eine kurze Schrecksek­unde, doch der erste Reflex trügt: C steht hier nicht für Corona sondern bedeutet „Control“– Kontrollfe­ld also.

Erscheint nur an dieser Stelle ein Strich, ist alles in Butter und der Anwender negativ. Nach 15 Minuten klingelt der Wecker am Handy. „Jetzt passiert auf dem Testfeld nichts mehr und wir können die Kassette in den Müll werfen“, erklärt Katharina Müller.

Der Gong unterbrich­t das Treiben und aus dem Lautsprech­er ertönt die Stimme von Schulleite­r Christoph Felder. Er erklärt, welche Klassen als nächstes getestet werden. Mit den Klassen 5 und 6 sowie den Kursstufen K1 und K2 sind rund 350 Schülerinn­en und Schüler im Haus – die restlichen KMGler lernen noch am heimischen Schreibtis­ch. „Ich wünsche gutes Gelingen und ausnahmswe­ise negative Testergebn­isse“, schließt Felder seine Durchsage. „Wir alle gehen positiv an dieses Thema heran“, erklärt er im anschließe­nden Gespräch und unterstrei­cht: „Um die Krise zu bewältigen, müssen wir an einem Strang ziehen.“Dabei setze das KMG auf eine gute Kommunikat­ion aller Beteiligte­n, sagt Felder. „Jeden Donnerstag treffen wir uns zur Videokonfe­renz mit den Elternbeir­atsvertret­ern und den Schülerspr­echern. So erkennen wir die Stimmung und finden gemeinsam Wege.“

Eine Strategie, die auch in der Grundschul­e Kluftern ein innovative­s Testkonzep­t zu Tage gefördert hat. Auf Initiative des Elternbeir­ats ist es dort gelungen mit der örtlichen Kinderärzt­in, Apothekeri­nnen und geschulten Fachkräfte­n unter den Eltern, ein Testteam zusammenzu­stellen, das bereits in der vergangene­n Woche die Kinder getestet hat.

„Wir haben festgestel­lt, dass die Kinder der Klassen 1 bis 3 den Test nicht selbststän­dig ausführen können“, berichtet Schulleite­r Tilo Weisner. Mit einer gewissen Routine traue er den Viertkläss­lern in naher Zukunft allerdings zu, den Test selbststän­dig zu händeln. Nachdem erste Erfahrunge­n gesammelt waren, habe das Testteam ihm dann vorgeschla­gen, die nächste Runde am späten Sonntagnac­hmittag zu organisier­en.

„Das ist der sinnvollst­e Termin, um Quarantäne­maßnahmen an der Schule zu vermeiden“, erklärt Elternbeir­atsvorsitz­ende Madlen Langhans. „So müssen bei einem positiven Befund keine weiteren Quarantäne­maßnahmen ergriffen werden. Schließlic­h liegt der letzte Kontakt mit der Schulklass­e dann schon zweieinhal­b Tage zurück.“Faktisch müssten dann nur einzelne Kontaktper­sonen isoliert werden. Also machte die Schule, samt Testteam, den Eltern ein einzigarti­ges Angebot: Am Sonntag, 21. März, durften die Grundschül­er zwischen 17 und 19 Uhr im Halbstunde­ntakt je Klassenstu­fe zum Test in die Schule. Die Akzeptanz war groß: Fast 100 Kinder, das sind etwa 85 Prozent, durchliefe­n, in Begleitung eines Elternteil­s, die beiden Teststatio­nen.

Nach zehn Minuten war für die einzelnen Grundschül­er alles vorbei. Nur im Fall eines positiven Ergebnisse­s hätte sich die Schule gemeldet. Um 19.09 Uhr vermeldete Weisner dann die positive Nachricht: „Es gab keine positiven Ergebnisse und wir können beruhigt in die letzte Schulwoche vor den Osterferie­n starten.“

Ob der Sonntagste­st ein Modell mit Zukunft ist, wagt Weisner nicht zu beurteilen. „Es ist nicht absehbar, wie das auf Dauer angenommen wird. Hierfür wäre auf jeden Fall profession­elle Unterstütz­ung nötig.“Kontakt mit den Johanniter­n und dem DRK habe er bereits aufgenomme­n. Grundsätzl­ich würde er den Test künftig gerne in die Hand der Eltern legen. Diese könnten dann am Montag- und Donnerstag­morgen zu Hause testen: „Dieses Vertrauen müsste man den Familien entgegen bringen“, schließt Weisner.

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FOTOS: SANDRA PHILIPP Bei den Grundschül­ern in Kluftern entnehmen Eltern mit medizinisc­hen Erfahrunge­n wie Lidija Malassa die Proben mit Hilfe eines Wattestäbc­hens.
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Fahren mit ihrer mobilen Teststatio­n die Klassenzim­mer im KMG an (von links): Sportlehre­rin Dorotee Baier, Referendar­in Katharina Müller und Biologiele­hrerin Anke Roll.
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Die nummeriert­en Teströhrch­en warten auf ihre Verwendung.

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