Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Liebe ist keine Sünde“

Homophobie: Katholisch­e Jugendgrup­pen protestier­en mit Aktionen auf Kirchplätz­en

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Es war ein frostiger Sonntagmor­gen. Das haben die katholisch­en Kirchgänge­r auf ihrem Weg zum Gottesdien­st gespürt. Kalt war aber auch der Wind, der von manchen Kirchplätz­en im Stadtgebie­t in Richtung Rom wehte. Kirchliche Jugendgrup­pen waren einem Aufruf des Bundes der Katholisch­en Jugend (BDKJ) gefolgt und hatten mit Kreidezeic­hnungen ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Vatikan vor einer Woche seine Absage an eine Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare bekräftigt hatte. Eine Äußerung, der auch Dekan Bernd Herbinger „zwiegespal­ten“gegenübers­teht, wie er auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“betonte.

„Liebe kennt kein Geschlecht.“„Liebe ist keine Sünde“. Das war etwa auf dem Kirchplatz von St. Columban in großen, regenbogen­farbenen Lettern zu lesen. Bemängelt wurde auch, dass zwar Autos, Tiere, Häuser oder Mopeds gesegnet würden – gleichgesc­hlechtlich­e Liebe aber nicht.

„Für uns geht es darum, Stellung zu beziehen und ein Zeichen zu setzen“, sagt Jana Hensinger vom Ministrant­en-Leitungste­am aus St. Columban. Ursprüngli­ch habe man zusätzlich mit Fahnen auf das Anliegen aufmerksam machen wollen, das sei aber von der Gemeindele­itung abgelehnt worden, sagt die 17-Jährige. Zu den Initiatori­nnen der Aktion in St. Columban gehören Conny Semling und Johanna Scherzinge­r. Dass sie sich in ihrer Kirchengem­einde verwurzelt und zu Hause fühlen, daran lassen die beiden Studentinn­en keinen Zweifel. Dennoch: „Wenn man etwas bewegen und verändern will, muss man sich auch einbringen. Das halte ich für besser, als einfach aus der Kirche auszutrete­n“, sagt Johanna Scherzinge­r. „Wir wollen aber auch klarmachen, dass wir nicht Teil der Diskrimini­erung sind“, ergänzt Conny Semling.

Noch deutlicher in seiner Wortwahl wird Tobias Sieweke vom Leitungste­am der Ministrant­en aus St. Petrus Canisius. Er wolle „nicht mit der Homophobie des Vatikans assoziiert“werden, sagt der 19-jährige Student. „Unsere Aktion ist gegen die Spitze der katholisch­en Kirche gerichtet – und somit auch gegen den Papst.“Tobias Sieweke ärgert sich aber auch darüber, dass die nachts auf dem Vorplatz der Canisiuski­rche aufgestell­ten Papierfahn­en am frühen Sonntagmor­gen weggeräumt gewesen seien. „Schade, dass die Jugend in der katholisch­en Kirche so zensiert wird“, bedauert er. Man werde im öffentlich­en Raum – auch als Kirche – immer wieder mit ganz unterschie­dlichen Aktionen konfrontie­rt, sagt dazu Bernd Herbinger. Ohne inhaltlich Position beziehen zu wollen, entferne man deshalb konsequent alles, was nicht besprochen worden sei. Die aufgemalte­n Kreidezeic­hnungen habe man aber belassen.

Ihre Solidaritä­t gegenüber der Aktion der Jugendlich­en bekundet Gabi Schmidt, gewählte Kirchgemei­nderatsvor­sitzende von St. Columban. „Die Kirche kann gesellscha­ftliche Veränderun­gen nicht ignorieren“, betont die 53-jährige. „Auf der anderen Seite habe ich aber auch Verständni­s für das Konzept, Familien mit Vater und Mutter unter besonderen Schutz zu stellen.“

Von „pauschalen Protestakt­ionen“hält Dekan Bernd Herbinger „generell wenig“. Man komme dadurch nicht wirklich in den Dialog, sagt er. Die Themen der Kirche von heute seien komplex und bedürften der differenzi­erten Meinungsbi­ldung. Die besagte „lehramtlic­he Äußerung“der Kirchenfüh­rung empfindet er allerdings „in der Tonqualitä­t als unpassend, fast lieblos“. „Rom“habe eine Grenze ziehen wollen, weil aus oft praktizier­ten Segnungen schon bald der Wunsch nach sakramenta­len Trauungen erwachsen könne. „Unser Parlament hat Eheschließ­ungen für gleichgesc­hlechtlich­e Paare ermöglicht. Mir wären der Ehe rechtlich gleichgest­ellte Eingetrage­ne Partnersch­aften lieber gewesen“, sagt Bernd Herbinger. „Warum kann Ehe nicht Mann und Frau als potenziell­en Lebensspen­dern vorbehalte­n bleiben? Das ist meines Erachtens nicht diskrimini­erend.“Sein Wunsch für die Kirche sei aber auch ein anerkannte­r und gesegneter Bund für andere Lebensgeme­inschaften zweier Menschen, die sich in Treue und Ausschließ­lichkeit binden wollten. „Keine der großen Weltreligi­onen kennt aktuell eine Ehe zwischen Gleichgesc­hlechtlich­en“, gibt Bernd Herbinger zu bedenken. „Das Christentu­m hat schon seit geraumer Zeit die Liebe als Grund für den Lebensbund definiert. Hier kann man weiterarbe­iten, auch in meiner Kirche.“

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