Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Senioren ärgern sich über Impftermin-Vergabe
Seit Wochen auf der Warteliste, trotzdem haben die Ü80-Jährigen noch keinen Termin – Liste wird bearbeitet
BODENSEEKREIS - Einen Termin für den begehrten Piks mit einem Corona-Impfstoff zu bekommen, ist im Bodenseekreis derzeit gar nicht so einfach. Viele Menschen sind unzufrieden mit der Terminvergabe und fragen sich, warum vielen Senioren ein Termin in Tübingen oder Ulm statt in Friedrichshafen angeboten wird – obwohl sie seit Wochen auf der Warteliste stehen. Die Liste für das Kreisimpfzentrum (KIZ) wird laut dem Landratsamt seit gut einer Woche abgearbeitet.
Die 84-jährige Langenargenerin Inge Struwe ist schon seit dem 11. Februar auf der Warteliste für einen Impftermin im KIZ, erzählt sie. Doch gehört habe sie bisher noch nichts. Noch schwieriger sei es für ihre 86jährige Nachbarin. „Sie hat Parkinson und ist nicht mehr mobil. Früher war sie Krankenschwester. Für sie tut es mir sehr leid, dass sie noch nicht geimpft wurde“, berichtet Struwe.
Auch von anderen Bekannten aus dem Bodenseekreis habe sie ähnliche Geschichten gehört. Anders da bei ihren Freundinnen aus Rheinland-Pfalz und Berlin. „Die sind eigentlich alle schon geimpft. Nur hier in Baden-Württemberg scheint es so große Probleme zu geben“, sagt die Seniorin. Sie sei sehr frustriert und fühle sich im Stich gelassen.
„Ich habe das Gefühl, andere Menschen werden bei der Impfung gerade bevorzugt. Was nützt das schöne Impfzentrum, wenn keiner dran kommt?“, fragt sich die Langenargenerin. Vor einigen Tagen habe sie es noch einmal unter der Hotline 116 117 versucht und sei von einer Dame am anderen Ende der Leitung auf die Warteliste gesetzt worden. Zur Verwunderung von Inge Struwe: „Ich dachte, ich bin da schon längst drauf. Das kann ich einfach nicht nachvollziehen.“Dankbar sei sie aber für die Hilfe der Gemeinde Langenargen, die sie gut unterstützt habe.
Ähnlich frustriert ist auch Uwe Bruno aus Friedrichshafen. Er wollte einen Impftermin für seine 87-jährige Schwiegermutter bekommen, berichtet er in einem Schreiben an die „Schwäbische Zeitung“. Bisher ohne Erfolg. „In der Zwischenzeit haben wir einen Impftermin in einem anderen Impfzentrum erhalten. Traurig genug für Friedrichshafen“, so der Häfler.
„Meine Mutter ist 83 Jahre alt. Seit dem ersten Tag der Möglichkeit zur Anmeldung beim Kreisimpfzentrum in der Messe Friedrichshafen versuchen wir einen Termin für sie zu bekommen“, berichtet auch Roswitha Meyer aus Friedrichshafen. Mittlerweile habe sie einen Rückruf bekommen, dass die Mutter auf der Warteliste stehe. Doch so lange habe sie nicht gewartet, erzählt Meyer: „Zum Glück waren wir schon in Ulm.“Auch, wenn das insgesamt eine mehrere Hundert Kilometer lange Anreise bedeute.
Auch sie weichen mittlerweile nach Ulm aus, sagt Hannelore Walter aus Fischbach: „Mein Mann, Jahrgang 1936 und an Parkinson erkrankt, hat keinen Termin in Friedrichshafen bekommen. Jetzt müssen wir nach Ulm. Das ärgert uns sehr.“Sie selbst habe große Angst, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen zu infizieren und dann ihren Mann anzustecken. Darum sei die Impfung für sie beide so wichtig. „Es ist sehr schade, dass mit älteren Leuten so umgegangen wird“, sagt Hannelore Walter.
Ihr Sohn habe lange versucht, einen Termin in Friedrichshafen zu organisieren. Aber erfolglos. Trotzdem wolle sie nicht nur schimpfen, sagt die Seniorin: „Ich bin jetzt einfach froh, dass wir einen Termin für meinen Mann haben. So, wie ich es mitbekommen habe, haben wir auch andere auf die Idee gebracht, nach Ulm auszuweichen.“
Im KIZ werden alle impfberechtigten Personengruppen geimpft. Einzelne Berufsgruppen, wie beispielsweise berechtigtes Personal der Kliniken oder des Rettungsdienstes bekommen gesonderte Zeitfenster, erklärt Robert Schwarz, Sprecher des Bodenseekreises, auf Anfrage. Alle anderen Impfberechtigten müssten sich über das landeseinheitliche Anmeldesystem registrieren und sich hier einen Termin geben lassen. Darauf habe der Landkreis keinen Einfluss.
„Das Gefühl, dass einige Personen hintenanstehen und eher woanders als in Friedrichshafen einen Impftermin erhalten, können wir gut nachvollziehen. Dafür gibt es auch reelle Gründe“, erklärt Schwarz. Folgendes müsse man hierzu verstehen: Es gibt in Baden-Württemberg ein offenes System, wo die Anmeldung zur Impfung unabhängig vom Wohnort oder -landkreis ist. Die zentralen Impfzentren des Landes (ZIZ) in den Ballungsräumen haben eine deutlich höhere Kapazität als die Kreisimpfzentren (KIZ). Die ZIZ sollen das flächendeckende Netz an KIZ ergänzen. Außerdem erhalten alle KIZ dieselbe Anzahl an Impfdosen, unabhängig von der Einwohnerzahl des Landkreises. Kleine Landkreise und nicht so dicht besiedelte Regionen haben hier also eine etwas bessere Versorgung mit Impfstoff, so Schwarz weiter. Beides führe dazu, dass in diesen Impfzentren die Chance auf einen Termin mathematisch betrachtet etwas größer ist, als in einem KIZ wie in Friedrichshafen.
Seit gut einer Woche sei erstmals bekannt geworden, was aus den Tausenden Anmeldungen auf der Warteliste
geworden ist. „Auch wir haben in den vergangenen Wochen viele Nachfragen und Beschwerden von Wartenden und deren Angehörigen erhalten, die wissen wollen, wann Sie denn nun an der Reihe sind“, erklärt der Pressesprecher. Das Sozialministerium habe dem Landkreis am Freitag vor einer Woche überraschend eine Liste mit rund 3800 Namen von wartenden Personen aus dem Bodenseekreis zur Bearbeitung übersandt. Bisher sei das ausschließlich Sache des Sozialministeriums und der Kassenärztlichen Vereinigung gewesen, auf die der Landkreis keinen Einfluss hatte.
Informationen dazu hätten nicht nur die Wartenden nicht erhalten, auch der Betreiber des Impfzentrums habe nicht gewusst, wie die Warteliste bisher abgearbeitet worden sei. „Wir müssen nun annehmen, dass die Warteliste bisher kaum oder gar nicht bearbeitet worden ist und diejenigen, die sich vertrauensvoll darauf haben registrieren lassen, dort erst mal abgestellt wurden“, so Schwarz. Nun habe der Landkreis die Aufgabe übertragen bekommen, diesen Menschen einen Termin anzubieten.
Das Problem dabei: Das Land habe dem Bodenseekreis hierfür bisher nur zusätzliche 1170 Impfdosen allein für die Erstimpfung angekündigt. Die regulär gelieferten Impfdosen seien jedoch bereits großteils für die laufende Terminvergabe verplant gewesen. „Wir werden nun unser Möglichstes tun, um den teils seit Wochen Wartenden recht bald Impftermine anbieten zu können“, so Pressesprecher Robert Schwarz. Bereits in der vergangenen Woche sei dafür ein erstes Zeitfenster eingeplant gewesen. Die gute Nachricht daran sei: Jetzt kümmere sich der Landkreis und es komme Bewegung in die Warteliste.