Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Club Vaudeville startet Initiative für Luca-App
Lindauer wollen für Öffnungen bereit sein – Landratsamt will auf Entscheidung der Regierung warten
LINDAU - Sie wollen sofort bereit sein, wenn Lockerungen möglich sind: Seit einigen Tagen sammeln Mitglieder des Club Vaudeville Unterschriften von Betrieben und Unternehmen, die sich für Lindau die Luca-App wünschen. Ob und wann die App in Lindau eingeführt wird, ist allerdings noch völlig unklar. Denn das Landratsamt will auf eine Entscheidung der bayerischen Staatsregierung warten. Und das kann dauern.
Marc Jehnes ist am Montagvormittag guter Dinge. Rund 40 Unterschriften haben er und seine Kolleginnen und Kollegen vom Club Vaudeville in den vergangenen Tagen gesammelt. Darunter sind Gastronomen, Veranstalter, aber auch Betreiber von Fahrschulen, Fitnessstudios oder Friseursalons. Sie alle möchten die Luca-App so schnell wie möglich nutzen.
„Wenn wir wieder aufmachen dürfen, dann wird von uns hundertprozentig ein System für die Kontaktnachverfolgung verlangt“, sagt Marc Jehnes. „Und ich möchte dann einfach sofort loslegen können.“Die Luca-App ist sein Favorit, weil sie sehr einfach zu handhaben ist: Gäste oder Kunden checken mit dem Handy über einen sogenannten QRCode bei der App ein, sobald sie ein Restaurant, ein Theater, einen Club oder den Friseursalon betreten. Tritt dort eine Corona-Infektion auf, dann kann das Gesundheitsamt ganz einfach auf den Datensatz der App zurückgreifen und die Kontaktpersonen benachrichtigen. Auch für private Feiern kann man die App benutzen, denn jeder kann dort eine eigene Veranstaltung erstellen.
Nach einem Aufruf bei Facebook haben sich einige Lindauer beim Club Vaudeville gemeldet, aber die Vereinsmitglieder sind auch in die Akquise gegangen und haben Geschäftsleute angerufen. Das Problem: „Viele sind in ihren Betrieben grad gar nicht erreichbar“, sagt Marc
Jehnes. „Das war alles recht zeitaufwendig.“Trotzdem sei es ihm wichtig, ein möglichst breites Stimmungsbild der Lindauer Geschäftsleute zu bekommen. „Man muss halt auch mal selber was machen und aktiv werden.“
Die meisten, mit denen Marc Jehnes und die anderen Mitglieder des Clubs gesprochen haben, würden sich freuen, wenn die Luca-App so schnell wie möglich nach Lindau käme, sagt er. „Aber es gibt auch welche, die sagen, das sei ihnen zu viel Überwachung. Andere haben Sorge, dass ihre Gäste da nicht mitmachen.“Diese Sorge hält Marc Jehnes allerdings für unbegründet. „Bei unseren letzten beiden Konzerten gab es eine Maskenpflicht am Platz, selbst das haben die Leute mitgemacht.“Und die Daten, die die Luca-App speichert, liegen verschlüsselt auf deren Servern und können nur von den Gesundheitsämtern ausgelesen werden. „Corona wird uns noch eine Weile begleiten, da muss man sowas halt machen.“
Landratsamtssprecherin Angela Wolf hatte vor gut zwei Wochen auf Anfrage der SZ erklärt, dass sich der Landkreis „aktiv“um die Teilnahme an einem Pilotprojekt des bayerischen Gesundheitsministeriums zur Nutzung der Luca-App bewerbe. Das klingt am Montag allerdings ganz anders. Es müssten auf Bundes- und Landesebene noch grundsätzliche Fragen zum Einsatz der App geklärt werden. „Für die Umsetzung einer Insellösung als Pilotprojekt, in dem viele allgemeine Fragen (Datenschutz, Schnittstellen etc.) durch uns auf Landkreisebene geklärt werden müssten, fehlen uns derzeit auch schlicht die Kapazitäten“, schreibt Landratsamtssprecherin Sibylle Ehreiser nun.
Zwar sei Landrat Elmar Stegmann grundsätzlich für die Einführung einer App zur Kontaktnachverfolgung, weil dadurch die „Zettelwirtschaft“vom vergangenen Jahr endlich beendet und Kontaktpersonen schneller ermittelt und verständigt werden könnten. Allerdings will Stegmann auf eine Lösung der bayerischen Regierung warten. „Ich würde mir wünschen, dass sich die bayerische Staatsregierung ein Beispiel an Mecklenburg-Vorpommern nimmt“, sagt er. Mecklenburg-Vorpommern ist bisher das einzige Bundesland, das die Luca-App-Lizenz zentral erworben hat. „Das bedeutet nicht, dass ich mich für die Luca-App ausspreche, aber nach der dürftigen Coronawarn-App, die den Steuerzahler rund 69 Millionen Euro gekostet haben soll, erwarte ich, dass die zuständigen Ministerien jetzt endlich in die Gänge kommen und den Bürgern, den Unternehmen und den Gesundheitsämtern eine sinnvolle Lösung zur Kontaktdatenerfassung an die Hand geben“, so Stegmann weiter. „Dass sich 96 Kreisverwaltungsbehörden in Bayern selbst darum kümmern sollen – ohne zu wissen, für welche App sich Bund und Länder entscheiden werden – halte ich für ein Verschwendung von sowieso geringen Ressourcen.“
Bis es zu einer einheitlichen Lösung kommt, könnte es aber noch eine Weile dauern, wie eine Anfrage beim bayerischen Gesundheitsministerium zeigt. „Durch den Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder und der Bundeskanzlerin vom 03.03.2021 wurde ein Auswahlprozess angestoßen, der aber noch keine Festlegung für ein bestimmtes System oder eine spezielle App enthält“, schreibt Ministeriumssprecherin Ute Möller auf Anfrage der SZ. Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen würden erst festgelegt, wenn die Entscheidung für eine bestimmte App gefallen sei. „In diesem Prozess sollen die verschiedenen in Betracht kommenden Optionen bewertet und die am besten geeignete Lösung ausgewählt werden.“Sprich: Es ist noch nicht klar, ob und welche App in Bayern flächendeckend eingesetzt wird.
Anderswo wird darum längst gehandelt: Der Landkreis München zum Beispiel entwickelt derzeit seine eigene App zur Kontaktnachverfolgung, die Stadt Augsburg hat Ende vergangener Woche angekündigt, die Luca-App demnächst einzuführen. In Baden-Württemberg gibt es mehrere Pilotregionen, die die LucaApp testen, darunter der Bodenseekreis. Deutschlandweit nutzen laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bereits 60 von 375 Gesundheitsämtern die App.
Das bayerische Gesundheitsministerium will nun erst einmal verschiedene Apps „fachlich bewerten“. Eine „Zeitschiene für einen möglichen flächendeckenden Einsatz“kann Ministeriumssprecherin Ute Möller daher nicht nennen. Schließlich gebe es mehrere Apps „mit ähnlichem Funktionsumfang“, darunter die App „Darfichrein“, für die sich die Dehoga Bayern ausgesprochen hat. Viele Lindauer wollen aber nicht mehr warten. Auch deswegen gibt Marc Jehnes die Unterschriften am Dienstag beim Lindauer Landratsamt ab. Schließlich, so Marc Jehnes, gebe es bestimmte Beschränkungen bei bestimmten Inzidenzwerten ja immer mit dem Argument, dass die Gesundheitsämter sonst Probleme bei der Kontaktnachverfolgung bekämen. „Und was ist da besser? 100 Zettel oder ein Klick?“