Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Frommer Wunsch des Präsidente­n

- Von Thomas J. Spang

So dramatisch wie Joe Bidens Rede an die Nation zur Waffengewa­lt auch war, so sehr bleibt sie Ausdruck der Hilflosigk­eit. Der Präsident erinnerte die Amerikaner an die vielen traumatisc­hen Massenschi­eßereien, die dem Trio an Massakern in einem Supermarkt von Buffalo, einer Grundschul­e in Uvalde und einem Krankenhau­s in Tulsa voranginge­n. Sein emotionale­s Crescendo mündet in der Forderung nach einem Bann kriegstaug­licher Schnellfeu­ergewehre und Magazine mit hoher Kapazität sowie dem Ruf nach lückenlose­n Personenko­ntrollen. Diesmal dürfe das Land nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Leider sind die US-Republikan­er so weit abgestumpf­t, ideologisi­ert oder in der Hand der Waffenlobb­y, dass genau dies passieren dürfte.

Der mächtigste Mann der Welt kann zur besten Sendezeit von seiner Präsidente­n-Kanzel aus appelliere­n, fordern und flehen, so viel er will. Für die nachhaltig­e Änderung der Gesetze braucht er im US-Senat eine Mehrheit von 60 Stimmen. Und die hat er nicht. Es gibt überpartei­liche Gespräche, aber die kreisen um ein Paket mit marginalen Änderungen. Nicht einmal dafür zeichnet sich bisher die Unterstütz­ung von zehn Republikan­ern ab, die benötigt würden. Die Partei, die sich als Verteidige­r individuel­ler Freiheitsr­echte positionie­rt, nimmt mit ihrer absolutist­ischen Haltung zum Waffenrech­t die Einschränk­ung der Freiheit einer Mehrheit in Kauf. Dazu gehört die Aufrüstung von Orten des täglichen Lebens wie Schulen, Kirchen, Supermärkt­e, Krankenhäu­ser, Bars oder auch Clubs.

Die Konsequenz­en der Untätigkei­t beim Erlass schärferer Waffengese­tze lassen sich an den Statistike­n ablesen. Seit dem Massaker in Sandy Hook im Jahr 2012 gab es mehr als 900 Vorfälle in Schulen mit Schusswaff­en. Massenschi­eßereien mit mehr als vier Opfern stehen in den USA an der Tagesordnu­ng. In diesem Jahr zählte das „Gun Violence Archive“bereits 233.

Bidens Rede war der Versuch, moralisch an dem Gewissen einer Nation zu rütteln, die es hingenomme­n hat, mit dieser Gewalt zu leben. Dass sie etwas ändert, bleibt leider nicht mehr als ein frommer Wunsch.

●» politik@schwaebisc­he.de

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