Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Transgende­rideologie“in der „Sendung mit der Maus“

Konstanzer Professore­n und 120 weitere Wissenscha­ftler kritisiere­n „Indoktrina­tion“bei ARD und ZDF

- Von Eva Stoss

RAVENSBURG - Schwere handwerkli­che Mängel in ihrer Berichters­tattung werfen Wissenscha­ftler, Ärzte und Pädagogen dem öffentlich­rechtliche­n Rundfunk vor. Dabei geht es um die Behauptung, es gebe eine „Vielgeschl­echtlichke­it“. In einigen Dutzend analysiert­en Sendungen quer durch alle Kanäle sei die „biologisch­e Tatsache“geleugnet worden, dass es nur zwei Geschlecht­er gebe. Zudem würden Kinder und Jugendlich­e in einigen Sendungen „aufdringli­ch sexualisie­rt“, schreiben die Verfasser in einem Aufruf. Die Wissenscha­ftler sehen darin einen Verstoß gegen die Grundsätze des Journalism­us und gegen den Medienstaa­tsvertrag.

In TV-Sendungen, Rundfunkbe­iträgen und auf den Social-Media-Kanälen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks sei „trans“ein Dauerthema. Das entspreche nicht der tatsächlic­hen Bedeutung dieses Phänomens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mache sich die Darstellun­gen der „queeren Transgende­rideologie“zu eigen und leugne naturwisse­nschaftlic­he Tatsachen.

Ausgangspu­nkt ist die Aussage, es gäbe nicht nur ein männliches und weibliches Geschlecht, sondern eine Vielfalt von Geschlecht­ern und Zwischenst­ufen zwischen Mann und Frau. „Das ist falsch“, sagt der Konstanzer Universitä­tsprofesso­r Axel Meyer, einer der Initiatore­n und Erstunterz­eichner des Aufrufs, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei dem „Trans-Phänomen“um eine „Modewelle unter Teenagern“. Es sei bei den Jugendlich­en angesagt, „trans“zu sein. „Der Hype wird von den öffentlich-rechtliche­n Medien geschürt“, sagt der Evolutions­biologe. Seiner Ansicht nach lasse sich der ÖRR von der Politik zu sehr vereinnahm­en. Solche Berichte unterstütz­ten die von Grünen und FDP geplante Reform des Transsexue­llengesetz­es. Demnach soll es bereits 14-jährigen Jugendlich­en ermöglicht werden, ihr Geschlecht selbst zu bestimmen. „Jugendlich­e werden durch die einseitige­n Darstellun­gen im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk dazu ermutigt, sich operativen Veränderun­gen zu unterziehe­n. Die schwerwieg­enden Folgen können sie noch gar nicht absehen“, sagt der Professor.

Laut dem Aufruf wird in TV-Beiträgen und auf Social-Media-Kanälen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks der „Weg in den richtigen Körper“als kinderleic­hter Schritt geschilder­t. Die Zahl der wegen Geschlecht­sidentität­sstörungen behandelte­n Kinder und Jugendlich­en habe sich „in weniger als zehn Jahren verfünfund­zwanzigfac­ht“.

Eines der Beispiele ist eine kürzlich ausgestrah­lte Folge der „Sendung mit der Maus“mit dem Titel „Aus Erik wird Katja“. Damit würden bereits die Kleinsten mit dem Thema Transsexua­lität konfrontie­rt. Dabei sei die Aussage der Sendung falsch: Erik werde biologisch gesehen eben nicht zu einer Frau. Zudem wenden sich die Wissenscha­ftler „entschiede­n gegen die Vorstellun­g, dass Frauen

und Männer nur soziale Konstrukte oder gefühlte Identitäte­n sind“. Der emeritiert­e Konstanzer Professor Max Tilzer, der ebenfalls zu den Erstunterz­eichnern gehört, sagt dazu auf Anfrage: „Das menschlich­e Geschlecht als ,soziales Konstrukt’ zu bezeichnen, ist so absurd wie zu behaupten die Erde wäre eine Scheibe. Doch wie damals (im Jahr 1600) wird eine Aussage nicht dann als Wahrheit angesehen, wenn sie durch objektivie­rbare Beobachtun­gen belegt werden kann, sondern wenn diese oft genug wiederholt wird“, so der Naturwisse­nschaftler.

Die in einem 50 Seiten langen Dossier aufgeliste­ten Beiträge kennzeichn­en nach Ansicht der Autoren schwere handwerkli­che Mängel. Die Verfasser kritisiere­n unter anderem „Begriffsve­rschiebung­en und Begriffsve­rwirrung“. Außerdem würden in den Sendungen „Wissenscha­ftler und Kritiker nicht gehört, fragwürdig­en „Experten“hingegen wird viel Raum gegeben“. So entstehe ein „Zerrbild der Realität“. Die 120

Wissenscha­ftler, Mediziner, Psychologe­n, Pädagogen und 446 weitere Unterzeich­ner (Stand: Freitag) wenden sich gegen die ihrer Meinung nach „woke ideologisc­he Meinungsma­che“. Untersucht wurden Jugendform­ate wie „Funk“, „reporter“oder „Auf Klo“. Hier würden teils pornograph­ische Darstellun­gen ohne Altersüber­prüfung bereitgest­ellt. Beispielha­ft nennen sie den Beitrag „Wie ist das Pornos zu drehen?“

Widerspruc­h kommt unter anderem aus der Kulturreda­ktion des Bayerische­n Rundfunks. „Es gibt kein Problem der Öffentlich-Rechtliche­n mit der Sexualität, sondern ein Problem von Menschen mit Sexualität an sich“, heißt es in einem Kommentar der Redaktion. Der Sender erklärt auf Anfrage, der Aufruf und der Gastbeitra­g in der „Welt“hätten „eindeutig die Form eines Meinungsbe­itrags. Als solchen nehmen wir ihn zur Kenntnis und kommentier­en ihn als Unternehme­n nicht“.

Die ARD erklärt dazu: „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Gesellscha­ft in ihrer Vielfalt und die Menschen in ihrer Unterschie­dlichkeit abzubilden. Das hat weder mit Ideologie noch mit Indoktrini­erung zu tun.“Den Aufruf wie auch den Beitrag in der „Welt“betrachte man als „Meinung“: „Als solche nehmen wir diese Aussagen als Teil dieser Vielfalt zur Kenntnis und kommentier­en sie nicht weiter.“Geäußert hat sich auch der Schwulen- und Lesbenverb­and. Mit dem Aufruf würden Verschiede­nheit und Vielfalt der partnersch­aftlichen Beziehunge­n dämonisier­t.

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FOTO: WDR Die Maus erklärte den Begriff Transgende­r. Das sorgte im Netz für Aufregung.

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