Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Käpt’n Kommando kehrt zurück
Kimmich ist nach längerer Pause zurück in DFB-Auswahl und soll sofort wieder Chef sein
BOLOGNA - Zu Robert Lewandowski? Nein, danke. Alles schon gesagt, nur noch nicht von jedem – auch nicht von Joshua Kimmich. Doch der Mittelfeldspieler lehnte es ab, über den Wechselzoff seines aktuellen und wohl bald ehemaligen Teamkollegen beim FC Bayern zu sprechen auf der DFB-Pressekonferenz am Freitagmittag vor der Abreise nach Bologna, sagte nur kurz und knapp: „Die Frage war ja auch sehr beliebt in den letzten Tagen. [...] Das müssen Verein und Spieler untereinander klären.“Status: Sie versuchen es.
Emotionaler, ja richtig angefasst, war der 27-Jährige als es um die Zukunft von Serge Gnabry ging, der ebenfalls nur noch ein Jahr Vertragslaufzeit hat. „Das ist für mich ein schwieriges Thema. Serge ist nicht nur auf dem Platz wichtig, er ist auch mein bester Freund. Wir verstehen uns auf und neben dem Platz sehr gut“, sagte Kimmich und rutschte auf seinem Stuhl unruhig hin und her, „deswegen hoffe ich, dass er bleibt. Er weiß ja, was er an Bayern hat. Jeden Tag in ein Team zu kommen, wo wir Spaß haben. Er hat jedes Jahr die Chance, um alle wichtigen Titel mitzuspielen. Als Freund ist es mir auch sehr wichtig, dass er eine Entscheidung trifft, mit der er am Ende zufrieden ist – es muss die richtige Entscheidung sein.“
So empathisch und emotional hat bisher nur Trainer Julian Nagelsmann um den Flügelspieler gekämpft. Auch Bundestrainer Hansi Flick sprach in Sachen Gnabry ein überraschendes Plädyoer pro Verbleib bei Bayern aus: „Er war hinter Robert Lewandowski immer derjenige, der die meisten Tore geschossen hat (14 Bundesliga-Treffer in dieser Saison, d.Red.). Er weiß, dass bei Bayern seine Kumpels sind und was man an dem Verein hat. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat, dass er dort zu wenig Geld verdienen könnte. So kenne ich Serge nicht. Die Entscheidung, ob er verlängert oder nicht, ist auch die, ob er aus seiner Komfortzone herausgeht.“
Stichwort Komfortzone – und damit zurück zu Kimmich, der tatsächlich einen großen Anteil daran haben dürfte, wenn Kumpel Serge wie er selbst (bis 2025) doch noch verlängert. Stichwort Nummer 2: verlängert. Kimmich gilt als verlängerter Arm von Flick im Nationalteam. „Da wir mit zwei Sechsern spielen, müssen die gut aufeinander abgestimmt sein. Der eine muss auf den anderen aufpassen“, so Flick. Also Kimmich auf Leon Goretzka, noch ein dicker Kumpel, der ebenfalls im Herbst sein Arbeitsverhältnis bei Bayern ausgedehnt hat (sogar bis 2026) – und umgekehrt. Flick: „Darauf haben wir im Trainerteam aufmerksam gemacht. Klarheit im Spiel ist auf dieser Position enorm wichtig.“Ist Kimmich klar.
Gegen die Squadra Azzurra feiert er sein Comeback im DFB-Trikot. Aufgrund der coronabedingten Pause im November (erst als Quarantäne-Opfer wegen seiner Impf-Verweigerung, dann als Infizierter) und der Pause im März, als seine Partnerin Lina Meyer das dritte gemeinsame Kind erwartete, verpasste er vier
Länderspiele. In Bologna steht Nummer 65 an. „Leider war ich im letzten halben Jahr nicht zu oft bei der Nationalmannschaft“, sagte er und fügte hinzu: „Die Freude ist immer groß, wenn man für Deutschland spielt.“Käpt'n Kommando kehrt zurück – das ist unbestritten. Aber ist er nach der quälenden Corona-Causa überhaupt noch unumstritten im DFBKreise? Sein Ruf hatte gelitten. Außerdem
war seine Saison mit dem FC Bayern und dem zu frühen Champions-League-Aus im Viertelfinale persönlich und als Mannschaft eher durchschnittlich bis mäßig. Leidet darunter die Autorität eines Spielers, leidet der erarbeitete Führungsanspruch? „Ich bin froh, dass ich wieder hier bin“, sagte er, „ich habe das Gefühl, dass ich hier schon gern gesehen bin.“
„Ich bin froh, dass ich wieder hier bin. Ich habe das Gefühl, dass ich hier schon gern gesehen bin.“
Joshua Kimmich