Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Flicks Qual der Wahl
Bundestrainer rätselt über seine Formation für den Nations-League-Auftakt
Von Jan Mies und Klaus Bergmann
HERZOGENAURACH (dpa) - Mit roter Trillerpfeife um den Hals überließ Hansi Flick nichts dem Zufall. Selbst das Aufwärmprogramm der Nationalspieler auf einem Nebenplatz kontrollierte der Bundestrainer mit prüfendem Blick. Seine Profis machten es ihm aber auch am Freitag bei der persönlichen Italien-Empfehlung alles andere als einfach. „Wir konnten sehen, dass alle richtig motiviert sind“, berichtete Flick vor dem Kracherspiel gegen den Europameister am Samstag (20.45 Uhr/RTL) im heißen Bologna. Spielen will jeder – nur wer darf es auch?
„Letztendlich ist das ein gutes Zeichen“, sagte Flick, wenn ein Trainer die Qual der Wahl habe. Das Abschlusstraining habe auch nicht geholfen, „dass wir mal klarer sehen“. Der gehobene Konkurrenzkampf kein halbes Jahr vor der Weltmeisterschaft in Katar insbesondere in der Offensive gefällt dem braungebrannten Bundestrainer sichtlich.
„Wir sind einfach zufrieden wegen dieser Flexibilität und Variabilität, die wir im Kader haben. Das ist genauso, wie wir uns das als Trainer vorstellen“, schilderte Flick. Wegen des Überangebots vorne mit Topakteuren wie Timo Werner, Leroy Sané,
Serge Gnabry, Kai Havertz und Thomas Müller „brauchen wir uns nicht zu verstecken“. Flick sprach von einem „Gesamtpaket, das wir in der Offensive haben, da sind wir happy“.
Nach einem Jahr mit Qualifikationsspielen gegen die zweite und dritte Klasse im europäischen Fußball sind die Partien gegen die angestachelte Squadra Azzurra, am Dienstag in München gegen England, in Budapest gegen Ungarn (11. Juni) sowie in Mönchengladbach wieder gegen Europameister Italien (14. Juni) echte
Standortbestimmungen. „Das sind keine Test- oder Freundschaftsspiele“, sagte Rückkehrer Joshua Kimmich: „Danach sieht man ein Stück weit besser, wo wir stehen“, bemerkte der 27-jährige Kimmich.
Das Spiel in Bologna bei wahrscheinlich 30 Grad „vor der Brust“(Kimmich), die WM im Hinterkopf: Das übergeordnete Ziel ließ Flick auch vor der Abreise aus dem Teamquartier in Herzogenaurach nicht unerwähnt. „Wir wollen versuchen, dass wir eine Entwicklung machen, die uns da wieder hinbringt, wo Deutschland auch stehen sollte: Unter den Besten in Europa und der Welt!“Die DFB-Auswahl sei auf einem guten Weg. Flick schaut auf die WM-Bewerbung jedes Einzelnen: „Ich werde genau darauf achten, was die nächsten Monate passiert.“
„Man spürt, dass sich da etwas entwickelt, und ich nehme viel mehr Aufbruchstimmung wahr“, äußerte DFB-Direktor Oliver Bierhoff im „Spiegel“. „Wir brauchen jetzt emotionale Momente.“Gegen Gegner wie Liechtenstein, Armenien oder Nordmazedonien mögen dem Publikum „die Highlights fehlen“, aber gegen die Hochkaräter in der Nations League, meinte der frühere Nationalspieler, „da werden die Fans wieder mitfiebern“.