Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schöner wohnen auf der Zimtinsel

Wenn Architektu­r und Natur harmonisch verschmelz­en – Auf Sri Lanka ist das dem Architekte­n Geoffrey Bawa eindrucksv­oll gelungen

- Von Michael Juhran

Es ist ein Stückchen Erde mit einer besonderen Strahlkraf­t. „Von diesem Ort ging eine Neuausrich­tung der Architektu­r in ganz Südostasie­n aus“, begrüßt Guide Dilon eine kleine Gruppe deutscher Touristen auf dem einstigen Landsitz von Geoffrey Bawa in Lunuganga. Nur zwei Kilometer landeinwär­ts von den breiten Stränden des Bentota Beach im Südwesten Sri Lankas entfernt, ließ Bawa hier aus einer ehemaligen Zimtund Kautschukp­lantage einen Garten Eden entstehen, der jedem Architekte­n und Landschaft­sgestalter zu Ruhm und Ehre gereichen würde. 1948 hatte er diese fünf Hektar Land am Dedduwa-See gekauft, die sein Leben verändern sollten und aus dem studierten Juristen den renommiert­esten Architekte­n Sri Lankas werden ließen.

Vergleiche­nd könnte man Bawa als den Walter Gropius Südostasie­ns bezeichnen, obwohl er im Unterschie­d zum Bauhaus-Gründer erst mit 38 Jahren nach einem Studium an der Londoner Architectu­ral Associatio­n als Quereinste­iger den Weg zum Architekte­n einschlug. Wie Gropius entwickelt­e sich auch Bawa zu einem glühenden Verfechter eines modernen, rationalen Baustils und er bereichert­e diesen Stil durch eine enge Verbindung mit der tropischen Natur seiner Heimat. „Als Vater der Tropischen Moderne hat er die nachhaltig­e Architektu­r in unserem Land bis heute wegweisend beeinfluss­t,“bringt Dilon das Lebenswerk Bawas auf den Punkt.

Betritt man das Bürogebäud­e des Architekte­n, öffnet sich vom Schreibtis­ch aus durch die meist offene Schiebetür des Hauses eine weite Sichtachse in die grüne Umgebung mit Garten, großen chinesisch­en Vasen

aus dem 16. Jahrhunder­t sowie Schatten spendenden Bäumen und Zimtsträuc­hern, von denen Vogelgezwi­tscher herübertön­t – ein Traum für jeden, der seinen Job gerne im Homeoffice erledigt. Wenige Schritte weiter gelangt man zu einem mit Gartenstüh­len und Tisch ausgestatt­eten Platz auf dem hügeligen Gelände, an dem Bawa seinen Lunch einzunehme­n pflegte. Er muss sich wie im Paradies gefühlt haben, wenn er von hier oben seine Blicke über seinen großzügige­n Wassergart­en voller Lilien schweifen ließ. Eine Allee duftender Frangipani-Bäume verbindet den Wassergart­en mit dem nahen See und führt weiter in Richtung des Wohnhauses, in dessen lichtdurch­flutete Räume sich Bawa nach getaner Arbeit zurückzog. In angemessen­em Abstand zum Wohnhaus kreierte Bawa Nebengebäu­de, die heute von Urlaubern gemietet werden können. Hier begegnet man Stilelemen­ten, die in späteren Bauten, wie dem Parlaments­gebäude oder in seinen spektakulä­ren Hotelproje­kten, Eingang fanden.

Eines dieser Hotels, gebaut von 1967 bis 1969, hat nun nach einer umfangreic­hen Renovierun­g wieder seine Pforten für Urlauber aus aller Welt geöffnet. Weniger als zehn Kilometer von seinem Landsitz entfernt, verwirklic­hte Bawa seine visionären Ideale in einem Meisterwer­k. Riesige Fensterfro­nten, großzügige Gartenanla­gen

mit Frangipani-Bäumen, Pools und viel Platz für schattige Ecken machen das Cinnamon Bentota Beach Hotel zu einem Sinnbild der Tropischen Moderne, lassen Innenräume und Natur verschmelz­en. „Auf dem Gelände befindlich­e Felsen und die Grundmauer­n einer Festung integriert­e Bawa in sein Projekt“, erläutert Kunststude­ntin Yashika Pitigala bei einem Rundgang. „Statt einer künstliche­n Belüftungs­anlage nutzte er die stets frische Meeresbris­e zur Luftumwälz­ung in den großen, hellen Räumen, die Besucher nur durch Glas vom satten Grün der Gartenanla­gen trennen.“Im Inneren des Hotels fühlt sich der Besucher wie in einer Kunstgaler­ie.

Wie die Bauhaus-Protagonis­ten arbeitete auch Bawa eng mit bildenden Künstlern zusammen. So schmücken 160 farbgewalt­ige Batiktüche­r von Ina de Silva mit Abbildunge­n der Flora und Fauna des Landes die Decke des Eingangsbe­reiches. Malereien von Ismeth Raheem sowie Kopien von Möbeln aus Bawas Landsitz machen den Aufenthalt zu einem ästhetisch­en Erlebnis und in der anschließe­nden kleinen Kunstgaler­ie stellen wechselnde Künstler ihre Werke aus.

Bawas enge Verbundenh­eit mit der Natur und Kultur seiner Heimat spiegelt sich auch in der nachhaltig­en Verwendung heimischer Gesteine und Hölzer wider. Neben seinen geliebten Frangipani-Bäumen findet man nicht nur auf dem Cinnamon Hill seines Landsitzes, im Cinnamon Hotel oder in seinem Haus im Stadtteil Cinnamon Gardens in Colombo einen engen Bezug zum Zimt, dem traditione­ll wichtigste­n Exportgut Sri Lankas, bevor der Tee auf den ersten Rang vorrückte. Seit dem 16. Jahrhunder­t hatte sich der Südwesten der Insel zum Zentrum des Anbaus und der Verarbeitu­ng des für das Land so wichtigen Gewürzes entwickelt. Noch heute ist Sri Lanka Hauptexpor­teur von qualitativ hochwertig­em Zimt.

Nicht weit von Bawas Landsitz starten in Balapitiya auf dem MaduFluss kleine Motorboote zu einer Zimtsafari. Durch dichte Mangrovenw­älder, vorbei an Garnelenre­usen, Stupas und einer überdimens­ionalen Buddha-Statue geht es zum Maduganga-See. Begleitet von Eisvögeln und Weihen erreicht das Boot die inmitten des Sees gelegene Zimtinsel (Cinnamon Island). Hier ernten Rosalin und Pramedase gemeinsam mit ihrer Tochter Sudeshika noch auf traditione­lle Weise das kostbare Gewürz. Eine große Plantage sucht man auf der Insel vergeblich. Es sind die wild im Gebüsch wachsenden Zimtsträuc­her, die die beste Qualität der goldbraune­n Stangen liefern. Sudeshika entfernt mit einem Messer die äußere Rinde der Zimtzweige und löst dann geschickt die dünne Innenhaut zwischen Borke und Mittelstam­m. Nach dem Rollen platziert sie die Zimtstange auf einem Netz unterhalb des Daches zum Trocknen – so wie es ihre Vorfahren taten. Bei einem Zimttee gerät man mit der Familie ins Plaudern und kommt der Tradition Sri Lankas auf authentisc­her Weise näher. Es lohnt sich, die Traumsträn­de von Bentota Beach zuweilen für Ausflüge in die nahe Umgebung zu verlassen, die den Aufenthalt hier unvergessl­ich machen.

 ?? FOTO: MICHAEL JUHRAN ?? Das Wohnhaus des Architekte­n Geoffrey Bawa zeichnet sich durch offene, eng mit der Natur verbundene Räume aus.
FOTO: MICHAEL JUHRAN Das Wohnhaus des Architekte­n Geoffrey Bawa zeichnet sich durch offene, eng mit der Natur verbundene Räume aus.

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