Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schöner wohnen auf der Zimtinsel
Wenn Architektur und Natur harmonisch verschmelzen – Auf Sri Lanka ist das dem Architekten Geoffrey Bawa eindrucksvoll gelungen
Es ist ein Stückchen Erde mit einer besonderen Strahlkraft. „Von diesem Ort ging eine Neuausrichtung der Architektur in ganz Südostasien aus“, begrüßt Guide Dilon eine kleine Gruppe deutscher Touristen auf dem einstigen Landsitz von Geoffrey Bawa in Lunuganga. Nur zwei Kilometer landeinwärts von den breiten Stränden des Bentota Beach im Südwesten Sri Lankas entfernt, ließ Bawa hier aus einer ehemaligen Zimtund Kautschukplantage einen Garten Eden entstehen, der jedem Architekten und Landschaftsgestalter zu Ruhm und Ehre gereichen würde. 1948 hatte er diese fünf Hektar Land am Dedduwa-See gekauft, die sein Leben verändern sollten und aus dem studierten Juristen den renommiertesten Architekten Sri Lankas werden ließen.
Vergleichend könnte man Bawa als den Walter Gropius Südostasiens bezeichnen, obwohl er im Unterschied zum Bauhaus-Gründer erst mit 38 Jahren nach einem Studium an der Londoner Architectural Association als Quereinsteiger den Weg zum Architekten einschlug. Wie Gropius entwickelte sich auch Bawa zu einem glühenden Verfechter eines modernen, rationalen Baustils und er bereicherte diesen Stil durch eine enge Verbindung mit der tropischen Natur seiner Heimat. „Als Vater der Tropischen Moderne hat er die nachhaltige Architektur in unserem Land bis heute wegweisend beeinflusst,“bringt Dilon das Lebenswerk Bawas auf den Punkt.
Betritt man das Bürogebäude des Architekten, öffnet sich vom Schreibtisch aus durch die meist offene Schiebetür des Hauses eine weite Sichtachse in die grüne Umgebung mit Garten, großen chinesischen Vasen
aus dem 16. Jahrhundert sowie Schatten spendenden Bäumen und Zimtsträuchern, von denen Vogelgezwitscher herübertönt – ein Traum für jeden, der seinen Job gerne im Homeoffice erledigt. Wenige Schritte weiter gelangt man zu einem mit Gartenstühlen und Tisch ausgestatteten Platz auf dem hügeligen Gelände, an dem Bawa seinen Lunch einzunehmen pflegte. Er muss sich wie im Paradies gefühlt haben, wenn er von hier oben seine Blicke über seinen großzügigen Wassergarten voller Lilien schweifen ließ. Eine Allee duftender Frangipani-Bäume verbindet den Wassergarten mit dem nahen See und führt weiter in Richtung des Wohnhauses, in dessen lichtdurchflutete Räume sich Bawa nach getaner Arbeit zurückzog. In angemessenem Abstand zum Wohnhaus kreierte Bawa Nebengebäude, die heute von Urlaubern gemietet werden können. Hier begegnet man Stilelementen, die in späteren Bauten, wie dem Parlamentsgebäude oder in seinen spektakulären Hotelprojekten, Eingang fanden.
Eines dieser Hotels, gebaut von 1967 bis 1969, hat nun nach einer umfangreichen Renovierung wieder seine Pforten für Urlauber aus aller Welt geöffnet. Weniger als zehn Kilometer von seinem Landsitz entfernt, verwirklichte Bawa seine visionären Ideale in einem Meisterwerk. Riesige Fensterfronten, großzügige Gartenanlagen
mit Frangipani-Bäumen, Pools und viel Platz für schattige Ecken machen das Cinnamon Bentota Beach Hotel zu einem Sinnbild der Tropischen Moderne, lassen Innenräume und Natur verschmelzen. „Auf dem Gelände befindliche Felsen und die Grundmauern einer Festung integrierte Bawa in sein Projekt“, erläutert Kunststudentin Yashika Pitigala bei einem Rundgang. „Statt einer künstlichen Belüftungsanlage nutzte er die stets frische Meeresbrise zur Luftumwälzung in den großen, hellen Räumen, die Besucher nur durch Glas vom satten Grün der Gartenanlagen trennen.“Im Inneren des Hotels fühlt sich der Besucher wie in einer Kunstgalerie.
Wie die Bauhaus-Protagonisten arbeitete auch Bawa eng mit bildenden Künstlern zusammen. So schmücken 160 farbgewaltige Batiktücher von Ina de Silva mit Abbildungen der Flora und Fauna des Landes die Decke des Eingangsbereiches. Malereien von Ismeth Raheem sowie Kopien von Möbeln aus Bawas Landsitz machen den Aufenthalt zu einem ästhetischen Erlebnis und in der anschließenden kleinen Kunstgalerie stellen wechselnde Künstler ihre Werke aus.
Bawas enge Verbundenheit mit der Natur und Kultur seiner Heimat spiegelt sich auch in der nachhaltigen Verwendung heimischer Gesteine und Hölzer wider. Neben seinen geliebten Frangipani-Bäumen findet man nicht nur auf dem Cinnamon Hill seines Landsitzes, im Cinnamon Hotel oder in seinem Haus im Stadtteil Cinnamon Gardens in Colombo einen engen Bezug zum Zimt, dem traditionell wichtigsten Exportgut Sri Lankas, bevor der Tee auf den ersten Rang vorrückte. Seit dem 16. Jahrhundert hatte sich der Südwesten der Insel zum Zentrum des Anbaus und der Verarbeitung des für das Land so wichtigen Gewürzes entwickelt. Noch heute ist Sri Lanka Hauptexporteur von qualitativ hochwertigem Zimt.
Nicht weit von Bawas Landsitz starten in Balapitiya auf dem MaduFluss kleine Motorboote zu einer Zimtsafari. Durch dichte Mangrovenwälder, vorbei an Garnelenreusen, Stupas und einer überdimensionalen Buddha-Statue geht es zum Maduganga-See. Begleitet von Eisvögeln und Weihen erreicht das Boot die inmitten des Sees gelegene Zimtinsel (Cinnamon Island). Hier ernten Rosalin und Pramedase gemeinsam mit ihrer Tochter Sudeshika noch auf traditionelle Weise das kostbare Gewürz. Eine große Plantage sucht man auf der Insel vergeblich. Es sind die wild im Gebüsch wachsenden Zimtsträucher, die die beste Qualität der goldbraunen Stangen liefern. Sudeshika entfernt mit einem Messer die äußere Rinde der Zimtzweige und löst dann geschickt die dünne Innenhaut zwischen Borke und Mittelstamm. Nach dem Rollen platziert sie die Zimtstange auf einem Netz unterhalb des Daches zum Trocknen – so wie es ihre Vorfahren taten. Bei einem Zimttee gerät man mit der Familie ins Plaudern und kommt der Tradition Sri Lankas auf authentischer Weise näher. Es lohnt sich, die Traumstrände von Bentota Beach zuweilen für Ausflüge in die nahe Umgebung zu verlassen, die den Aufenthalt hier unvergesslich machen.