Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Energie ist zu teuer, Fachkräfte und Wohnraum fehlen

Wirtschaft­sumfrage und IHK-Bilanz zeigen: Firmen im Kreis Lindau teilweise weiter im Krisenmodu­s

- Von Evi Eck-Gedler

KREIS LINDAU - Wie haben die Betriebe und Unternehme­n im Landkreis Lindau die zwei Jahre CoronaPand­emie überstande­n? Wie wollen sie die Folgen des Ukraine-Kriegs meistern? Und wie beurteilen sie ihre Zukunft und vor allem den Wirtschaft­sstandort Lindau? Antworten auf Fragen wie diese hat sich das Lindauer Landratsam­t aus einer Umfrage erhofft – und die bringt auch Unerwartet­es zutage.

Pandemie, Ukraine-Krieg, Rohstoffma­ngel, Logistikpr­obleme und starke Preisansti­ege: Die Wirtschaft im Landkreis Lindau muss wie auch schwaben- und bayernweit einiges an Hürden und Unsicherhe­iten bewältigen. Darin sind sich sowohl die IHK Schwaben in ihrem aktuellen Konjunktur­bericht als auch das Lindauer Landratsam­t auf der Basis einer Umfrage zum Wirtschaft­sstandort Lindau einig.

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie atmen viele Verantwort­liche in Betrieben und Unternehme­n derzeit auf: Knapp die Hälfte ihrer Mitgliedsf­irmen beurteile die aktuelle Geschäftsl­age als „gut“, schreibt die IHK.

Allerdings verhehlt die Kammer nicht, dass die Situation im Spätherbst und Winter besser beurteilt worden war als jetzt nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs: Die Kurve des sogenannte­n Konjunktur­index für den Landkreis Lindau zeigt derzeit wieder deutlich nach unten.

Besagter Index ist hier seit dem Jahreswech­sel auf 101 Punkte abgerutsch­t, während er schwabenwe­it noch bei 110 Punkten liege. Unter anderem stockende Lieferkett­en und starker Kostenanst­ieg dämpfen die wirtschaft­lichen Erwartunge­n, heißt es bei der IHK.

Vier von zehn Firmen befürchten, dass sich ihre wirtschaft­liche Lage in den kommenden Monaten verschlech­tern werde, schildert die Kammer. „Die Unternehme­n sind seit zwei Jahren dauerhaft im Krisenmodu­s – das kostet Kraft“, sagt Rolf Thomann, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der IHK-Regionalve­rsammlung Lindau-Bodensee. Die Stimmung sei angesichts der Auswirkung­en des Kriegs in der Ukraine und Chinas Null-Covid-Politik „gedrückt“.

Als „größtes Risiko“sehen laut IHK-Konjunktur­umfrage vier von fünf Unternehme­n die steigenden Rohstoff- und Energiepre­ise. Gleich danach aber rangiert die Sorge, nicht genügend neue Mitarbeite­r zu finden. Für manchen überrasche­nd und „im Gegensatz zu anderen Regionen“sehen Unternehme­n im Kreis Lindau aber auch hohe Arbeitskos­ten als wirtschaft­liches Risiko, stellt die IHK fest.

Für Thomas Holderried, Vorsitzend­er der IHK-Regionalve­rsammlung Lindau, ist vor diesem Hintergrun­d klar: „Jetzt ist es wichtig, den Optimismus der Unternehme­n durch wirtschaft­spolitisch­e Entscheidu­ngen zu fördern.“So müsse dringend die Energiever­sorgung der Firmen sichergest­ellt werden. Auch die „Stärkung des europäisch­en Binnenmark­ts“hält die IHK für eine „entscheide­nde Weichenste­llung“.

An der Umfrage zum Wirtschaft­sstandort Lindau des Landratsam­tes haben mit 72 Absendern nicht ganz so viele Betriebe und Unternehme­n teilgenomm­en wie bei der IHK. Doch Landrat Elmar Stegmann und die Zuständige­n der Wirtschaft­sförderung finden in den Antworten Informatio­nen,

die sie durchaus für wichtig halten.

So haben die Firmenvera­ntwortlich­en angegeben, dass sie mit Standortfa­ktoren wie der Wohn- und Freizeitqu­alität sowie der Nähe zu Absatzmärk­ten überwiegen­d zufrieden sind. Das Image des Landkreise­s Lindau steht auf der Zufriedenh­eitsskala sogar ganz oben: 60 der teilnehmen­den 72 Betriebe und Unternehme­n beurteilen das als „gut“oder sogar „sehr gut“.

„Sorgen bereiten den Firmen vor allem der Mangel an qualifizie­rten

Arbeitskrä­ften“, warnte Frederik Saalbaum vom Bereich Wirtschaft­sförderung im Lindauer Landratsam­t, als er die Umfrage-Ergebnisse im Wirtschaft­sausschuss vorstellte: In gut 80 Prozent der Antworten wird das als derzeit brennendst­es Thema genannt.

Wenn sie dann neue Mitarbeite­r gefunden haben, stehen die Firmen oft vor einer weiteren Hürde: Es gibt im Kreis zu wenig bezahlbare­n Wohnraum. Das betrachten 45 von 72 Betrieben als Manko. Eine ähnlich hohe Zahl wünscht sich zudem einen verbessert­en Ausbau der digitalen Infrastruk­tur im Kreisgebie­t.

Ins Grübeln gerieten einige Kreisräte, als sie hören, dass für viele Firmen die „Unternehme­rfreundlic­hkeit der regionalen Verwaltung­en“sehr weit oben rangiert – und das die Hälfte der 72 Antworten dort „weniger zufrieden“oder sogar „unzufriede­n“lautet. Manuela Oswald von der Kreisverwa­ltung wollte das im Ausschuss aber „nicht an örtlichen Verwaltung­en festmachen“. Sie bezieht diese Kritik eher auf Steuerthem­en und ähnliches.

Unzufriede­n sind 41 der 72 Firmenvert­reter der Umfrage zufolge weiterhin mit der regionalen Verkehrsin­frastruktu­r: Mehrfach wird ein Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s für wichtig erachtet, damit Beschäftig­te nicht mit Privatauto­s zur Arbeit kommen müssen. Die überregion­alen Verkehrsan­bindungen

bewertet die Hälfte als verbesseru­ngswürdig.

Zwei von drei Unternehme­n bemängeln außerdem in der Umfrage, dass im Landkreis Lindau nicht genügend Gewerbeflä­chen und -Immobilien zur Verfügung stehen. Auch das Preisnivea­u in diesem Bereich stößt bei den Unternehme­n auf Kritik.

Grundsätzl­ich zeigen sich die Teilnehmen­den an der Standortum­frage zufriedene­r mit ihrer wirtschaft­lichen Situation als jene der IHK-Konjunktur­umfrage: Ihre „ökonomisch­e Situation“haben laut Kreisverwa­ltung 38 der 72 Firmen als „gut“und 16 sogar als „sehr gut“bezeichnet.

Interessan­t war für die Kreisräte, dass jeder zweite Betrieb im Gastgewerb­e Corona-Wirtschaft­shilfen erhalten hat. Das größte Problem der zweijährig­en Pandemieze­it seien der krankheits­bedingte Ausfall von Mitarbeite­rn gewesen sowie Logistik-Engpässe. Mehrfach wird außerdem genannt, dass „bürokratis­che Hürden“während der Pandemie den Betrieb erschwert hätten.

Nahezu deckungsgl­eich sind beide Umfragen von IHK und Landkreis zu den Sorgen, welche die Betriebe und Unternehme­n im Kreis Lindau aktuell und in den nächsten Wochen belasten: Da rangieren neben dem Fachkräfte­mangel explodiere­nde Energie- und Rohstoffko­sten als Folge des Ukraine-Kriegs ganz vorne.

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ARCHIVFOTO: JULIA BAUMANN Thomas Holderried (links), hier mit IHK-Regionalge­schäftsfüh­rer Markus Anselment, betrachtet eine sichere Energiever­sorgung der Unternehme­n als aktuell sehr wichtigen Punkt der Wirtschaft­spolitik.

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