Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Alles teurer: Region schnallt Gürtel enger
Die Inflation senkt die Umsätze des Handels – doch sparen die Menschen der Region gerade wirklich?
WANGEN/RAVENSBURG - Die Inflation und ihre Auswirkungen betreffen jeden. An der Zapfsäule, aber auch im Einzelhandel. Dort sind laut Statistischem Bundesamt die Umsätze innerhalb eines Monats so stark gesunken wie seit 1994 nicht mehr. Besonders deutlich ist der Einbruch bei Lebensmitteln – das Bundesamt sieht den Hauptgrund des Umsatzeinbruchs in den gestiegenen Preisen. Die „Schwäbische Zeitung“hat in den Innenstädten von Wangen und Ravensburg nachgefragt: Sparen die Menschen der Region derzeit – und spüren die Händler eine Veränderung?
Erste Station: Musikhaus Lange in der Ravensburger Innenstadt. Zum Jahresanfang sei es noch gut gelaufen, seit dem Krieg in der Ukraine merke er, dass weniger Menschen in den Laden kommen, sagt Geschäftsführer Marc Lange. „Wir sind im Hobbybereich und da wird gerade als erstes gespart.“Er bekomme mit, dass sich die Menschen beispielsweise Reisen noch leisten. „Aber beim Instrument sagen sie gerade, ,das reicht noch in einem Jahr’ und verschieben den Kauf.“
Anders ein paar Häuser weiter. In Anna Rahms Buchhandlung schmökert zwar derzeit kein Kunde, „aber eigentlich merke ich keinen Umsatzeinbruch“. Anna Rahm hat das Gefühl, dass die Ravensburger sich derzeit eher über den Einzelhandel vor Ort freuen und Bücher einfach immer Freude bereiten. Ähnlicher Laden, andere Stadt. Renate Natterer von der Buchhandlung Natterer in Wangen lässt sich die gute Laune durch die Umsatzeinbrüche nicht vermiesen. „Wir spüren das schon: An der Kundenfrequenz und vor allem am Girokonto“, sagt Natterer und lacht. Das liege aber nicht nur an der Inflation, glaubt sie. Die Menschen seien durch den Krieg grundsätzlich etwas verunsichert, einige würden sich wegen der weggefallenen Masken unwohl fühlen und somit seltener in die Läden kommen.
„Ich habe aber Hoffnung, dass es bald besser wird. Die Ferienzeit läuft bei uns immer gut.“
Etwas die Schmiedstraße hinunter steht Johann Abler mit verschränkten Armen in seinem Schuhgeschäft. Die Inflation habe nun eben die Regierung verschuldet, die werde die Gesellschaft noch einige Zeit begleiten. „Das haben aber auch unsere Eltern und Großeltern schon mitgemacht, das ist nichts Einmaliges“, sagte Abler mit etwas Zuversicht. Draußen auf der Schmiedstraße lehnt Harald Kiechle gegen sein
Lasten-E-Bike. Eigentlich spare er nicht wirklich, sagt er. „Ich habe die Teuerung aber neulich beim Döner bemerkt. Der ist von 4,50 Euro hoch auf 6,50 Euro glaube ich.“Auf die Frage nach seiner Hoffnung für die kommenden Monate, lacht Kiechle: „Sobald Putin verliert, wird es wieder besser.“
Er spare beim Lebensmitteleinkauf, sagt der Wangener Dieter Seibel. Was er sich früher mal gegönnt habe, lässt er jetzt häufiger mal im Regal stehen. Er merke die Inflation aber auch bei anderen Gütern. „Für unser Wohnmobil wollte ich eine Lüftungsklappe kaufen. Normalerweise kostet die 30 bis 40 Euro, jetzt 60 bis 70 – oder sie ist gar nicht lieferbar.“
Vor der Spitalkirche berichten Josef und Barbara Rues, dass sie alle paar Wochen von Kempten nach Wangen zum Flanieren und Einkaufen fahren. „Weil es hier so schön ist“, sagt Barbara Rues.
Gerade bei diesem Besuch merke sie, dass sie doch etwas aufs Geld schaut. „Ich habe heute nur die Hälfte eingekauft. Statt Kalbsfleisch gibt’s heute Putenfleisch. Statt Spargel, gibt’s anderes Gemüse“, sagt sie und klopft auf die Tüte in ihrem Arm.
Die Ravensburger Passantinnen und Passanten klingen erst einmal ähnlich wie die in Wangen, doch nicht alle. „Ich bin grundsätzlich ein sparsamer Mensch“, sagt Adelheid Gebhard, die auf einer Bank am Flappach sitzt. „Ich kenne also die Preise und sehe genau, wie diese gerade zulegen.“Sie bemerke in ihrem Umfeld, dass die Situation vor allem Rentnerinnen belaste. Viele hätten wegen der Kinder jahrelang nur halbtags gearbeitet – jetzt ist die Rente knapper als sowieso schon.
Einige Meter weiter den Flappach hinunter zwängt sich Hans-Thomas Ober mit seiner Frau auf einen der Metallhocker am Gespinstmarkt und isst ein Eis. „Das Thema wird noch bis Mitte des Jahres anhalten“, sagt er, und da müsse man jetzt durch. Ihn ärgern jedoch vor allem die Energiepreise. „Die sind gemacht und da könnte man etwas einschränken.“Wenn die Politik das nicht wolle, blieben sie halt oben.
„Was willst machen?“, fragt Ralf Dillmann achselzuckend. Der Ravensburger sitzt vor der Gaststätte Humpis und genießt ein Weizenbier. „Ich komme mit den Teuerungen klar und ich glaube, ich spreche für viele, wenn ich sage, dass wir uns nicht beschweren können. Es gibt gerade eine ganz andere Situation, von der wir alle wissen, in der es den Leuten viel schlechter geht.“