Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Tanken in Österreich lohnt nicht mehr
Wegen der deutschen Spritpreisbremse liegt der Preis für Super-Benzin beiderseits der Grenze etwa gleich hoch
HÖRBRANZ - Zum Volltanken einen Abstecher nach Österreich machen: Noch vor kurzem war das für deutsche Autofahrer im Grenzgebiet äußerst attraktiv. Je nach Zeitpunkt und Tankstelle konnte man im Nachbarland 15 bis 20 Cent je Liter SuperBenzin sparen. Das ist vorbei, seit die Bundesregierung Anfang Juni die Energiesteuer auf Kraftstoffe gesenkt hat. Wegen des auf drei Monate angelegten Tankrabatts sind die Preise beiderseits der Grenze in etwa gleich hoch.
Dass der Stopp an der Tankstelle kurz vor der Grenze nach Deutschland sich nicht mehr lohnt und ein Umweg schon gar nicht, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Noch am Nachmittag des Pfingstmontags stehen an den beiden Tankstellen in Lochau, direkt vor dem Grenzübergang nach Lindau gelegen, die Kunden Schlange – neben Schweizern und Österreichern sind auch viele Autos aus Lindau, Friedrichshafen und Ravensburg darunter. „Wir sind auch gerade nur rübergefahren und sind total geschockt“, sagt die Fahrerin am Steuer eines Autos mit Kennzeichen FN. „Vor ein paar Wochen hat sich das noch gelohnt. Jetzt nicht mehr.“Zu diesem Zeitpunkt kostet der Liter Super-Benzin in Hörbranz 1,95 Euro. Zwei Kilometer weiter in Lindau, an der ersten Tankstelle auf deutschem Boden, sind es 1,99 Euro. Wer E10 tankt, kommt hier mit 1,94 Euro je Liter sogar günstiger weg als in Hörbranz. In Österreich gibt es E10 nicht zu kaufen.
Mit dem Tankrabatt, einer bis Ende August befristeten Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe, will die Bundesregierung den gestiegenen Mobilitätskosten begegnen. Vor allem die FDP hatte darauf gedrängt, während insbesondere Grünen-Politiker darin einen Fehlanreiz für mehr Autofahrten sehen.
Der Ravensburger Mineralölhändler Werner Schindele erwartet, dass sich der deutsche Steuerrabatt auf sein Geschäft auswirkt. „Das wird sich bemerkbar machen, da bin ich mir sicher“, sagt Schindele, der neben fünf Tankstellen in Oberschwaben und im Allgäu drei weitere in Vorarlberg betreibt, die jeweils direkt hinter der Grenze liegen. Bislang gebe es aber noch keine „krassen Verschiebungen“, weil wegen der Pfingstferien ohnehin Reisezeit sei.
Von Einbußen für Österreichs Tankstellen geht Hedwig Doloszeski aus, die Geschäftsführerin des Fachverbands Mineralölindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Betriebe in Grenznähe vor allem in Vorarlberg, Tirol und Salzburg bekämen das Ausbleiben deutscher Kunden zu spüren, sagt sie. Abzuwarten sei noch, wie sich das Geschäft an den Hauptverkehrsachsen im Alpentransit entwickele. Bislang haben Fernfahrer auf dem Weg von Deutschland nach Italien und umgekehrt in Österreich getankt. Da Italien aber ähnliche Steuerrabatte beschlossen habe wie Deutschland, seien die Kraftstoffkosten in allen drei Staaten derzeit auf dem selben Niveau. „Die Frage ist, ob Lastwagenfahrer ihr Tankverhalten ändern, wenn die Preise überall etwa gleich hoch sind“, so Doloszeski.
Finanziell wäre das für Österreich ein harter Schlag: Ausländische Autound Lastwagenfahrer bescherten dem Fiskus dort in der Vor-CoronaZeit jährliche Einnahmen von einer Milliarde Euro aus Mineralöl- und Mehrwertsteuer, sagt Martin Grasslober, Sprecher des Autoclubs ÖAMTC. Zum Vergleich: Das Gesamtaufkommen an Mineralölsteuern in Österreich lag bei vier Milliarden Euro jährlich.
Ein Tankrabatt wie in Deutschland ist dort aber nicht geplant. Im Gegenteil: Spätestens im Herbst steigen die Preise dauerhaft. Die Alpenrepublik bekommt ein Nationales Emissionshandelsgesetz und damit eine CO2Bepreisung. Sie verteuert den Liter Benzin um acht Cent und den Liter Diesel um neun Cent und hätte eigentlich zum 1. Juli eingeführt werden sollen. Angesichts der hohen Energiepreise wird aktuell eine Verschiebung auf den 1. Oktober diskutiert, eine Entscheidung wird laut ÖAMTC in der kommenden Woche erwartet. Österreicher sollen im Gegenzug für diese Steuererhöhung über eine Klimabonus genannte Einmalzahlung entlastet werden, von der deutsche Tanktouristen freilich nicht profitieren. Der Abstecher zur österreichischen Tankstelle wird für Bundesbürger also auch im Herbst wohl nicht wieder so attraktiv werden wie er einmal war.