Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Städte wollen mehr sein als ein Name
Wunsch nach einer charakteristischen Zusatzbezeichnung wird aber nicht immer erfüllt
STUTTGART - Vor zwei Jahren war das noch unmöglich, heute heißen sie offiziell Schillerstadt, Hochschulstadt oder Donauquellstadt. Auch in Baden-Württemberg dürfen Orte inzwischen Zusatzbezeichnungen tragen und auf ihren Ortsschildern damit prahlen. Denkbar ist vieles, aber nicht alles – Enttäuschungen nach sehr viel Engagement vor Ort und Arbeit für diverse Behörden inklusive.
Lange war der Südwesten extrem restriktiv. Außer den Attributen „Bad“oder „Universitätsstadt“war kaum etwas zulässig. Dank einer Gesetzesänderung vom Dezember 2020 hat sich das fundamental geändert. Seitdem können Städte und Gemeinden Zusatzbezeichnungen beantragen – wenn dies der Gemeinderat mit Dreiviertelmehrheit beschließt. Einige Vorgaben gibt es: Die Zusatzbezeichnung soll historisch begründet sein, die aktuelle Funktion oder ein Alleinstellungsmerkmal der Gemeinde beschreiben. „Mit der Genehmigung von Zusatzbezeichnungen stärken wir unsere Kommunen im besten Sinne, wir stärken ihre Identität, das Zusammengehörigkeitsgefühl vor Ort“, hatte der zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein Jahr nach der Gesetzesänderung erklärt. Damals, im Dezember 2021, hat er den ersten 23 Orten einen Zusatz genehmigt.
Acht Städte dürfen sich seitdem als Hochschulstadt ausweisen – darunter Biberach, Riedlingen, Sigmaringen und Weingarten. Donaueschingen und Furtwangen konkurrierten um den Titel Donauquellstadt – nun prangt die Bezeichnung auf den Eingangsschildern beider Orte. Es gibt geschichtliche Bezüge, wie die „Zähringerstadt“Bräunlingen, oder die „Keplerstadt“Weil der Stadt zeigen. Und es gibt Bezüge zum kulturellen Erbe, etwa in der„Schäferlaufstadt“Markgröningen oder im „Schreinerdorf“Eschelbronn.
Die Kommunalverbände haben die Gesetzesänderung sehr begrüßt, wie sie betonen. Gerade heute, in Zeiten der Selbstvermarktung in sozialen Medien, sei das wichtig, sagt Städtetagsdezernent Norbert Brugger. „Man kann sich klar definieren, eine Botschaft senden und sich ein Selbstempfinden, eine Charakterzuschreibung geben.“Er verweist auf Ostdeutschland, wo das zum Teil seit Jahrzehnten möglich ist. „Die waren nach der Wende nicht so festgelegt“, so Brugger. Als Verwaltungsfachmann hat er vor 30 Jahren in Sachsen dabei geholfen, Strukturen zu schaffen. „Dort gab es damals schon einen sehr liberalen Umgang mit Zusatzbezeichnungen“, die zum Teil wie Werbeslogans gewirkt hätten. Wie unterschiedlich die Bundesländer mit Namenszusätzen umgehen, hat die Heinrich-Böll-Stiftung zusammengetragen. Manche Länder wie Thüringen ermöglichen das bis heute nicht.
Ganz so liberal wie Sachsen ist Baden-Württemberg nicht. Aktuell bereitet das Innenministerium einen weiteren Schwung an Genehmigungen vor, wie ein Sprecher Strobls erklärt. Zehn Anträge liegen bereits vor, „einige weitere erwarten wir in nächster Zeit“, erklärt er. Nach der Sommerpause soll gebündelt darüber entschieden werden.
Nicht dabei sein wird der Wunsch von Bartholomä im Ostalbkreis. Der 2000-Seelen-Ort wollte sich „Dorf am Rande des Himmels“nennen. Die Bezeichnung ist Jahrzehnte alt und wurde ursprünglich geprägt vom Pächter des Turnerheims, das der Schwäbische Turnerbund in Bartholomä errichtet hat. Inzwischen sei es ein Synonym für den Ort geworden, erklärt der parteilose Bürgermeister Thomas Kuhn. „Die Bezeichnung kommt von der Lage auf der Schwäbischen Alb, daher fühlen wir uns dem Himmel etwas näher.“Das Innenministerium sah darin indes eine „frei erfundene Werbebezeichnung“, die „nicht mehr von der entsprechenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers gedeckt und damit nicht genehmigungsfähig“ sei, heißt es in einem Brief an Bürgermeister Kuhn – mit der „dringenden“Empfehlung, den Antrag zurückzuziehen.
In Bartholomä sorgte der Brief für Überraschung und Enttäuschung, erklärt Kuhn „Ein gutes Jahr an Arbeit dafür, dass am Ende nichts rauskommt.“Immerhin weiß er, dass seine Bürger hinter der Bzeichnung stehen. Um die Bürger mitzunehmen, hat die Gemeinde nämlich zunächst zwei Umfragen gestartet, diverse Male im Verwaltungsausschuss und im Gemeinderat darüber diskutiert, den Antrag verfasst, zu dem Landratsamt und Regierungspräsidium Stellung nehmen mussten, mit dem Innenministerium korrespondiert – bis der Gemeinderat mit knapper Mehrheit wegen des Briefs aus dem Ministerium den Antrag zurückgenommen hat. Am Beispiel Bartholomä zeigt sich, wie aufwendig ein solcher Genehmigungsprozess sein kann. Die Bearbeitungsdauer sei sehr unterschiedlich, erklärt Strobls Sprecher. Wie viel Arbeitszeit hierfür gebunden wird, beziffert er nicht. Es seien aber keine zusätzlichen Stellen geschaffen worden.
Dass der Aufwand mitunter beträchtlich sein kann, zeigt sich auch an Müllheim in Südbaden. Die Stadt wollte die Zusatzbezeichnung „im Markgräfler Land“. Einen formalen Antrage habe man aber gar nicht gestellt, weil bereits das Regierungspräsidium
abgewunken habe, sagt Bürgermeister Martin Löffler. Zum einen sollte der Zusatz dabei helfen, die Stadt von anderen Mühl- und Müllheims in Deutschland zu unterscheiden. Ein zweiter Grund: „Müll wird heute vorwiegend mit Abfall assoziiert, was falsch ist“, so Löffler. Das Wort stamme vom alemannischen Wort Mühle ab.
Statt einer Zusatzbezeichnung soll die Stadt durch einen einen offiziellen Namenszusatz künftig „Müllheim im Markgräflerland“heißen. So wie Biberach etwa offiziell Biberach an der Riß heißt. Diese Verfahren ist aufwendiger als ein Antrag auf eine Zusatzbezeichnung. Noch viel mehr Stellen sprechen mit – etwa die Bahn und die Post. „Das hat aber auch Vorteile, es ist dann offizieller Bestandteil des Namens“, sagt Löffler.
Neben Zusatzbezeichnung und Namenszusätzen gibt es noch eine dritte Möglichkeit, wie Gemeinden ihre Besonderheit auf Ortsschildern betonen können – durch Prädikate wie „Kurort“oder „Heilbad“, die rund 300 Kommunen im Land tragen. Auch diese müssen staatlich anerkannt werden und unterliegen Qualitätskontrollen. Für Bartholomä mag sein langjähriges Prädikat „Erholungsort“vielleicht ein Trost sein.
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