Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Scholz verspricht Glasfaserausbau bis 2030
Kritik an Telekommunikationsfirmen – Kanzler sieht großen digitalen Nachholbedarf
BERLIN - Die Bundesregierung werde „massiv“in die Digitalisierung investieren, versichert Kanzler Olaf Scholz auf der re:publica. Er ist der erste deutsche Regierungschef, der die Netzkonferenz besucht, und er bringt das Versprechen mit, es werde nun aber wirklich den „flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2030“geben. „Hier müssen wir aufholen“, sagt der Kanzler. Als er auch noch eine „digitale Verwaltung auf allen staatlichen Ebenen“anspricht, bekommt er in Berlin tosenden Applaus.
Scholz sieht einen wesentlichen Grund für den digitalen Nachholbedarf darin, dass die Telekommunikationsfirmen nicht in die Verantwortung genommen wurden. „Wenn wir ein privates Straßennetz hätten“, so Scholz, wären harte Gesetze gemacht worden, um den Anschluss aller an dieses Netz zu gewährleisten. Beim Internetausbau sei das versäumt worden. Nun aber werde das nachgeholt.
„Unterambitioniert“seien die Vorgaben der Bundesregierung für die Mindeststandards bei der Datenübertragung nach dem Breitbandausbau und „nicht zeitgerecht“. Solche Formulierungen könnten durchaus auf der re:publica gefallen sein, stammen aber aus dem Verkehrsausschuss des Bundesrates. Es geht um eine Verordnung der Bundesnetzagentur, die das Kabinett und den Bundestag schon passiert hat.
Dort ist festgelegt, dass überall in Deutschland eine Mindestgeschwindigkeit beim Download aus dem Internet von zehn Megabit pro Sekunde (Mbit/s) und im Upload von 1,7 Mbit/s möglich sein muss. Dies würde als Rechtsanspruch gelten und wer ein langsameres Internet hat, kann bei der Bundesnetzagentur seinen Anspruch geltend machen. Für den Kanzler ist das „ein ganz großer Schritt nach vorne“.
Dabei wird eine Zehn-Mbit/sDownloadrate den meisten im Land extrem langsam vorkommen. Und tatsächlich dürfte damit das Herunterladen von Filmen mühsam und das Streamen oft unmöglich sein.
Aus Sicht des Bundesrats-Verkehrsausschusses ist zudem beispielsweise Telemedizin unmöglich. Der Ausschuss fordert deswegen eine Verdreifachung der Mindestraten.
Tatsächlich haben laut dem Breitbandatlas der Bundesregierung 98,5 Prozent der deutschen Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von 16 und mehr Mbit/s. Bei fast 90 Prozent würden 100 Mbit/s und mehr möglich sein und bei immerhin 62,1 sogar 1000 Mbit/s und mehr. Das Problem ist der Rest der Haushalte, der in oft abgelegenen Regionen über gar kein oder über extrem langsames Internet verfügt.
Die Internetwirtschaft hat sich mit den Mindestforderungen der Bundesnetzagentur arrangiert. Mehr gehe aber nicht.
Die Telekom hat darauf hingewiesen, dass „überzogene Qualitätsanforderungen zu signifikanten Störeffekten für den Glasfaser-Rollout führen wird.“Mit anderen Worten: Wenn die Mindeststandards erhöht würden, müssten Baukapazitäten umgeschichtet werden, etwa um Einzelgrundstücke zu erreichen, und die von der Ampelkoalition angestrebte vollständige Versorgung der Haushalte mit Glasfaseranschlüssen wäre im angestrebten Zeitraum nicht zu schaffen.