Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Frisch ist nicht gleich frisch
Wenn im Supermarkt auch nur eine einzige Fruchtfliege um die Erdbeeren summt, wird der Kunde auch schon misstrauisch. „Sind die auch frisch?“, wird er den Angestellten fragen. Und der wird ihm zur Antwort geben: „Ganz frisch. Heute morgen geliefert!“Daraufhin packt der Kunde die Erdbeerschale für drei Euro in den Wagen. Allerdings ist „ganz frisch“eine relative Größe.
Diese Erfahrung macht, wer Obst auch mal beim Bauern um die Ecke kauft. Dort kosten die frischen Erdbeeren dann auch drei Euro. Daneben steht aber noch eine andere Steige, und die Erdbeerschalen darin kosten nur 2,50. „Weil die von gestern sind“, wird die Bäuerin erklären und womöglich nachschieben: „Aber wissen Sie was? Die frischen Erdbeeren im Supermarkt sind auch von gestern.“Da wird der Kunde verwirrt sein. „Im Supermarkt hat man mir aber gesagt, dass die Erdbeeren wirklich frisch sind.“– „Ganz frisch sind sie nur, wenn sie direkt vom Feld kommen“, wird die Bäuerin versetzen. Im Hirn des Kunden wird es daraufhin rattern: Wenn die frischen Erdbeeren schon frühmorgens im Supermarkt ankommen, wann wurden sie dann geerntet: Mitten in der Nacht, mit Taschenlampen? Oder doch schon am Vortag; womit sie dann aber von gestern wären? Daraufhin wird der Kunde eine Schale aus der Steige mit den Erdbeeren von gestern nehmen und er wird der Bäuerin dafür drei Euro geben. Sich ein Fünfzigerle rausgeben zu lassen, darauf wird er verzichten. Immer vorausgesetzt, er weiß, was Anstand ist.