Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Frisch ist nicht gleich frisch

- Von Harald Ruppert

Wenn im Supermarkt auch nur eine einzige Fruchtflie­ge um die Erdbeeren summt, wird der Kunde auch schon misstrauis­ch. „Sind die auch frisch?“, wird er den Angestellt­en fragen. Und der wird ihm zur Antwort geben: „Ganz frisch. Heute morgen geliefert!“Daraufhin packt der Kunde die Erdbeersch­ale für drei Euro in den Wagen. Allerdings ist „ganz frisch“eine relative Größe.

Diese Erfahrung macht, wer Obst auch mal beim Bauern um die Ecke kauft. Dort kosten die frischen Erdbeeren dann auch drei Euro. Daneben steht aber noch eine andere Steige, und die Erdbeersch­alen darin kosten nur 2,50. „Weil die von gestern sind“, wird die Bäuerin erklären und womöglich nachschieb­en: „Aber wissen Sie was? Die frischen Erdbeeren im Supermarkt sind auch von gestern.“Da wird der Kunde verwirrt sein. „Im Supermarkt hat man mir aber gesagt, dass die Erdbeeren wirklich frisch sind.“– „Ganz frisch sind sie nur, wenn sie direkt vom Feld kommen“, wird die Bäuerin versetzen. Im Hirn des Kunden wird es daraufhin rattern: Wenn die frischen Erdbeeren schon frühmorgen­s im Supermarkt ankommen, wann wurden sie dann geerntet: Mitten in der Nacht, mit Taschenlam­pen? Oder doch schon am Vortag; womit sie dann aber von gestern wären? Daraufhin wird der Kunde eine Schale aus der Steige mit den Erdbeeren von gestern nehmen und er wird der Bäuerin dafür drei Euro geben. Sich ein Fünfzigerl­e rausgeben zu lassen, darauf wird er verzichten. Immer vorausgese­tzt, er weiß, was Anstand ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany