Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ausschuss zu Kapitol-Attacke belastet Trump schwer
Ehemaliger US-Präsident soll Anhänger bewusst zu Sturm auf Parlamentssitz angestiftet haben
Von Christiane Jacke, Jürgen Bätz
und Can Merey
WASHINGTON (dpa) - Der Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols hat in einer viel beachteten ersten öffentlichen Anhörung neue Erkenntnisse zu den Hintergründen der Attacke offengelegt und Ex-Präsident Donald Trump weiter belastet. In der Sitzung, die am Donnerstagabend (Ortszeit) zur Hauptsendezeit von diversen Fernsehsendern live übertragen wurde, zeigte das Gremium unter anderem bislang unveröffentlichtes Videomaterial und Ausschnitte aus Befragungen früherer Mitglieder der TrumpRegierung. So bezeichnete etwa der damalige Justizminister William Barr die Wahlbetrugsbehauptungen Trumps als „Schwachsinn“.
Die Ausschussmitglieder warfen Trump vor, dieser habe mit seinen Betrugsbehauptungen den wütenden Mob Anfang Januar 2021 zu den Ausschreitungen angetrieben. Der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sprach von einem „Putschversuch“und mahnte, die Demokratie in den USA sei weiter in Gefahr.
Trump warf dem Ausschuss am Freitag dagegen Voreingenommenheit vor. „Eine einseitige, völlig parteiische, politische Hexenjagd!“, schrieb er auf der von ihm mitbegründeten Online-Plattform Truth Social. Trump griff auch seinen früheren Justizminister an. „Barr war ein Feigling“, schrieb er. „Er war dumm.“Trump wiederholte seine widerlegte Behauptung, dass die Präsidentenwahl 2020 „gefälscht und gestohlen“wurde. Zum Angriff seiner Anhänger auf das Kapitol äußerte er sich nicht.
Anhänger des damaligen republikanischen Präsidenten Trump hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington erstürmt. Sie wollten verhindern, dass der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden vom November 2020 bestätigt wird. Bei der Attacke kamen damals mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Der Präsident musste sich deswegen einem Amtsenthebungsverfahren stellen, an dessen Ende er damals freigesprochen wurde.
Die Vize-Ausschusschefin, die Republikanerin und Trump-Kritikerin Liz Cheney, sagte, die Attacke sei
„kein spontaner Aufstand“gewesen. „Präsident Trump hat den Mob herbeigerufen, den Mob versammelt und die Flamme dieses Angriffs entzündet.“Über Monate habe Trump einen ausgeklügelten Plan koordiniert, den Ausgang der Präsidentenwahl zu kippen und die Machtübergabe an seinen Nachfolger zu verhindern.
Der Untersuchungsausschuss hatte über Monate hinter verschlossenen Türen Hunderte Zeugen befragt und große Mengen an Dokumenten und Beweismaterial gesichtet. In der öffentlichen Sitzung wurden erstmals Ausschnitte der Befragungen gezeigt – unter anderem von Barr. Darin sagte der Ex-Justizminister mit Blick auf Trumps Behauptungen zum Wahlbetrug, er habe mehrere Gespräche mit ihm zu dem Thema gehabt. „Ich habe deutlich gemacht, dass ich nicht damit einverstanden bin, dass behauptet wird, die Wahl sei gestohlen worden, und dass dieses Zeug verbreitet wird, von dem ich dem Präsidenten gesagt habe, dass es Schwachsinn (Original: „Bullshit“) ist.“Behauptungen dieser Art nannte Barr „verrückt“.
Der Ausschuss zeigte auch den Video-Mitschnitt einer Befragung von Trumps Tochter Ivanka. Gefragt nach Barrs Aussagen sagte sie, dessen Einschätzung habe durchaus Auswirkungen auf ihre Sichtweise gehabt. Sie respektiere Barr. „Also akzeptierte ich, was er sagte.“
Das Gremium legte offen, Trump habe sich während des Sturms auf das Kapitol positiv über Drohungen seiner Anhänger gegen Vizepräsident Mike Pence geäußert. Cheney sagte unter Berufung auf Erkenntnisse des Gremiums, Trump habe von den Drohungen gewusst und dazu gesagt: „Vielleicht haben unsere Anhänger die richtige Idee.“Pence verdiene es, zitierte Cheney Trump weiter.
Pence hatte am 6. Januar 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung geleitet, bei der Bidens Wahlsieg bestätigt wurde. Trumps Anhänger suchten damals im Gebäude auch nach Pence, den sie als Verräter beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht verhindere.
Pence war nach Erkenntnissen des Ausschusses derjenige, der am Ende die Nationalgarde zur Unterstützung anforderte, um die Lage am Kapitol unter Kontrolle zu bringen.
In den kommenden Wochen sollen weitere öffentliche Anhörungen des Gremiums folgen. Die nächste Sitzung ist für Montag angesetzt.