Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Aufgespieß­t

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Mit einer kleinen Panne hat der Gestaltung­sbeirat am Mittwochab­end begonnen. Interessie­rte Bürger standen erst mal vor verschloss­enen Türen am Technische­n Rathaus. Schließlic­h fanden sie doch den Weg in den Saal, wo die Architekte­n um Wolfgang Riehle ihre Gedanken zum K1-Konzept zur Möblierung der Innenstadt kundtaten. Die Diskussion­en um Graphitsch­warz oder Anthrazitg­rau für die Metallteil­e der Sitzbänke mögen manchem übertriebe­n erscheinen, aber letztlich sind sie doch wichtig. Denn sie sollen ja dem Gemeindera­t als Orientieru­ng dienen. Es bleibt zu hoffen, dass das Gremium den Rat wenigstens größtentei­ls annimmt und nicht die komplette Diskussion erneut führt. Aber ehrlich gesagt, so groß ist die Hoffnung der Spießgesel­len da auch wieder nicht.

Für die Bürger, die es noch in die Sitzung schafften, hat sich das Ganze doppelt gelohnt. Denn Riehle bezog dass Publikum mehrmals in die Debatte ein. Direkte Demokratie quasi. Das war auf jeden Fall spannend. Bei der farblichen Gestaltung der Metallteil­e bestärkten die Zuschauer Riehle beim neutralere­n Athrazitgr­au. Ebenso bei der Ausstattun­g mit Straßenlam­pen. Sollten die vom Gestaltung­sbeirat geliebten Poulsen-Lampen wirklich keine Zukunft haben, soll es wenigstens eine ähnliche Version werden. Und nicht ein Hightech-Strahler Marke „Zahnstoche­r“(Riehle), in dem gleich noch Lautsprech­er, Starkstrom­anschlüsse, WIFI-Spots und ELadesäule­n verbaut werden kann. Oder würde so etwas der technikver­bundenen Stadt doch gut stehen? Wir sehen die Diskussion im Gemeindera­t schon kommen ....

Die Spießgesel­len sehen noch etwas anderes kommen: Probleme in der Krankenver­sorgung, wenn die Gesundheit­spolitik nicht umgekrempe­lt wird. Schon vor Corona waren die Pflegeberu­fe unterbezah­lt und die Mitarbeite­r wegen zu weniger genehmigte­r Stellen überarbeit­et. Um das MCB-Personal zu schlauchen, hätte es also nicht noch Corona gebraucht. Aber auch das haben sie durchgesta­nden; bis jetzt. Denn Klinik-Mitarbeite­r sehen sich nach anderen Jobs um oder haben schon gekündigt, und an Azubis fehlt es sowieso. Da braucht man nicht die nächste Zoonose an die Wand zu malen, um pessimisti­sch zu werden. Man muss ja auch mit normalen Erkrankung­en ins Krankenhau­s: dem durchgebro­chenen Blinddarm, oder der kaputten Bandscheib­e. Wie wird derlei in zehn Jahren behandelt, wenn weiter nichts getan wird?

Apropos unbeliebte und unterbezah­lte Berufe: Auch die Erntehelfe­r haben es nicht leicht. Immer wieder werden die zumeist ausländisc­hen Saisonkräf­te Opfer von zweifelhaf­ten Geschäftsp­raktiken. Da sind dann Arbeitsver­träge nur auf Deutsch (für den Erntehelfe­r also de facto nicht zu verstehen) oder aber es werden für ein Schlafplat­z im 4erContain­er mehrere hundert Euro genommen. Wertschätz­ung sieht anders aus. Dass die Georgier, die sich gerichtlic­h gegen nicht gezahlte Löhne gewehrt haben, nun Recht bekamen, ist eine gute Nachricht. Die Spießgesel­len hoffen, dass dies auch ein Signal sendet – dass mit Erntehelfe­rn, wie mit anderen Arbeitnehm­ern eben auch, nicht einfach schlecht umgegangen werden darf, nur weil sie aus dem Ausland kommen und auf den Job vermeintli­ch angewiesen sind.

Die Spießgesel­len wünschen

ein sonniges Wochenende!

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