Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Klärwerk funktioniert wie ein Fluss
SZ-Leser werfen exklusiven Blick hinter die Kulissen der modernen Anlage
FRIEDRICHSHAFEN - Das Klärwerk Friedrichshafen gilt zu den Großklärwerken der Region, und es versorgt sich größtenteils selbst mit Energie. Wie das funktioniert, haben 18 Leserinnen und Leser bei der Aktion „SZ öffnet Türen“erfahren. Sie warfen einen exklusiven Blick hinter die Kulissen der Kläranlage.
Das Image eines Klärwerks gehört nicht gerade zu den Besten. Dabei ist kaum eine Einrichtung so bedeutsam für das Funktionieren einer Stadt. Ein bunt gemischtes Grüppchen hat sich davon am Freitagnachmittag ein Bild gemacht. Der Rundgang startet bei den riesigen Schneckenpumpen. Denn wenn das Abwasser aus Friedrichshafen und der umliegenden Industrie am Klärwerk eintrifft, wird es am tiefsten Punkt der Kanalisation gesammelt.
Bis es am Ende wieder in den Bodensee fließt, durchläuft das Wasser vier Reinigungsstufen. Ausgiebig erläutern Jens Kliemann und Michael Grob die verschiedenen Schritte und beantworten den interessierten Lesern ihre Fragen. So entsteht am Regenablaufbecken ein munterer Austausch darüber, wie sich verhindern lässt, dass erneut Fäkalien in den Bodensee gespült werden, wie bei dem Vorfall im Sommer 2019.
Grob erklärt, dass damals die Überwachungstechnik versagt habe. Allerdings hätten die Verantwortlichen daraus gelernt und in Technik und Personal investiert. Rasul Vardar, Leiter des Klärwerks, nimmt den Faden auf und klärt die Besucher gleich noch über die Zuständigkeiten auf: „Der Verantwortungsbereich des Klärwerks beginnt ab dem Zeitpunkt, wenn das Wasser aus der Kanalisation im Einlaufhebewerk
ankommt.“
Wenn die Grobstoffe entfernt sind, kommen Millionen von fleißigen Helfern zum Einsatz: Bakterien-Kolonien und andere Mikroorganismen befreien das Wasser beispielsweise von Phosphaten. Der Schlamm, der sich dabei am Boden absetzt, kommt in einen der beiden Faulbehälter. „Über unsere Biogasanlage können wir 60 Prozent unseres Eigenstrombedarfs decken“, berichtet Grob.
Mit dem erzeugten Gas, betreibt das Klärwerk ein Blockheizkraftwerk, in dem zwei Gasmotoren mit einer jeweiligen Leistung von 180 Kilowattstunden
Energie für den Eigenverbrauch erzeugen.
Rund 50 Tage bleibt der Schlamm dazu in den Behältern, erfahren die SZ-Leser auf die Frage von Theresia Herold. Sie ist eine von vier Damen, die am Rundgang teilnehmen. „Ich finde es toll, hier hinter die Kulissen schauen zu dürfen“, freut sie sich. Mit seiner Frage nach dem niedrigen Phosphatgehalt im Wasser stößt Leser Kurt Pfleghaar gleich eine weitere Diskussion an.
„Der Bodensee versorgt fünf Millionen Menschen mit Trinkwasser“, hakt Vardar ein. „Da ist es von unserer Seite oberste Priorität, den See zu schützen, in dem wir das Wasser so sauber wie möglich in den Kreislauf zurückgeben.“Apropos Kreislauf:
„Wir machen eigentlich nichts anderes als ein Fluss, nur in kürzerer Zeit“, fügt Kliemann hinzu.
Während früher erst mechanisch, dann biologisch und dann chemisch gereinigt wurde, sorgt seit gut einem Jahr in Friedrichshafen zudem die vierte Reinigungsstufe, die Ozonung dafür, dass zusätzlich Medikamentenreste, resistente Keime und andere anorganische Stoffe herausgefiltert werden können. Vardar: „Damit nehmen wir hier in Friedrichshafen eine Vorreiterrolle ein.“
Weitere Bilder und Videos zur Aktion gibt es im Internet auf
●» www.schwaebische.de/ klaerwerk