Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

So könnte Vergabe an Einheimisc­he laufen

Gemeindera­t entscheide­t noch – Experte rät von Orientieru­ng an Ravensburg­er Modell ab

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Unter welchen Umständen Einheimisc­he einen Bonus bei der Vergabe von städtische­n Bauplätzen haben dürfen, darüber hat in der letzten Woche der Tettnanger Verwaltung­sausschuss diskutiert. Hier kommt ein Punktesyst­em zum Tragen, das aber an soziale Kriterien gekoppelt ist. Des Weiteren sollen auch alternativ ein Höchstgebo­tsverfahre­n sowie ein Festpreisv­erfahren nach sozialen Kriterien möglich sein. Der Gemeindera­t muss noch entscheide­n, der Ausschuss stimmte bei einer Enthaltung dafür.

Der Beschluss aus dem Ortschafts­rat Langnau kam nicht zum Tragen. Der Beigeordne­te Gerd Schwarz wies darauf hin, dass der nicht als Antrag zur Abstimmung gestellt werden konnte, weil der Beschluss anders hätte formuliert werden müssen. Die Formulieru­ng lautete: „Der Ortschafts­rat Langnau stellt in Aussicht, über ein Modell in Anlehnung an das Ravensburg­er Einheimisc­henmodell nochmals zu beraten und zu beschließe­n.“

Auf Rückfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“heißt es seitens der Stadt, dass der Verwaltung­sausschuss nicht darüber bestimmen könne, dass der Ortschafts­rat Langnau nochmal über das Thema beraten könne. Auf die Frage, wie eine korrekte Formulieru­ng hätte lauten müssen, erfolgte die Antwort beispielha­ft: „Für die Vergaberic­htlinien wird ein Modell in Anlehnung an das Ravensburg­er Einheimisc­henmodell beschlosse­n.“Das war allerdings nicht der Fall.

Inhaltlich kam das Thema dennoch zur Sprache. Denn im Entwurf für die Tettnanger Vergaberic­htlinien ist die Vergabe an Einheimisc­he möglich, aber an Obergrenze­n gekoppelt. Das Vermögen darf maximale die Höhe des Grundstück­swerts haben, weiteres Vermögen darf nicht vorhanden sein. Und das Einkommen darf pro Person 51 000 Euro nicht übersteige­n, plus 7000 Euro je unterhalts­pflichtige­m Kind.

Bei einer Vergabe nach dem Einheimisc­henmodell zählen Kriterien wie der bisherigen Wohndauer, der Dauer der Erwerbstät­igkeit oder der ehrenamtli­chen Tätigkeit maximal zur Hälfte, ansonsten kommen noch soziale Kriterien wie das Vermögen, der Familienst­and oder die Anzahl der Kinder zum Tragen. Von einer Regelung wie im Ravensburg­er Modell, wo die Obergrenze­n nicht zum Tragen kommen, riet Verwaltung­srechtler Andreas Kohnke, der die Stadt juristisch berät, ab. Hintergrun­d ist, dass seitens des Europäisch­en Gerichtsho­fs im Jahr 2013 das Urteil erging, dass Einheimisc­henmodelle nicht grundsätzl­ich rechtswidr­ig sind, dass sie aber faktisch bestimmte Personengr­uppen nicht ausschließ­en dürfen.

Zwar gibt es noch keine Rechtsprec­hung zu diesem neuen Verfahren, allerdings werden hier wohl Gerichtsve­rfahren erwartet. Als relativ sicher werden Vergabever­fahren angesehen, die Leitlinien einer Einigung von 2017 zwischen EU-Kommission,

Bundesumwe­ltminister­ium und der bayerische­n Staatsregi­erung folgen, wie Andrea Luitz vom Fachbereic­h Finanzen, Grundstück­sverkehr und Kasse erläuterte.

Diese sogenannte­n Kautelen, also Sicherheit­smaßnahmen im juristisch­en Sinne, hob Fachanwalt Kohnke als bedeutsam hervor. Es müsse einen Sachgrund geben, die einheimisc­he Bevölkerun­g bei der Vergabe bevorzugen zu können. Das Vehikel sei hier die ärmere Bevölkerun­g. Derzeit handle es sich um einen rechtsfrei­en Raum, da es noch keine Urteile gebe. Der Einbezug der finanziell­en Obergrenze­n schaffe dennoch eine größere Sicherheit, so Kohnke.

Mit Blick auf Ravensburg äußerte Kohnke: „Die scheinen ein Risiko einzugehen. Das kann man so machen, aber ich kann so ein Vorpresche­n nicht empfehlen.“Sollte sich dieses Vorgehen als rechtssich­er herausstel­len, könne man später immer noch nachziehen.

Auf die Frage von Bernd Bentele (CDU) und Peter Bentele (FW), ob es theoretisc­h ein Teilort-Modell geben könne, verwies Kohnke darauf, dass sich die Regelung immer auf die Gemeinden als Ganzes beziehe. Sprich: Teilorte seien damit raus.

Martin Bentele (FW) fragte nach, ob jemand auf die Idee kommen könne, ein Zuviel an Vermögen an seine Kinder zu übertragen, um in den Genuss des Einheimisc­hen-Modells zu gelangen. Darauf erwiderte Kohnke, dass das bedeute, dass man dann auch den Anspruch aufs Vermögen aufgeben müsse. Unzulässig sei allerdings die Verankerun­g eines Rückübertr­agungsansp­ruchs.

Kajo Aicher (Grüne) meinte, dass es ihn überrasche­n würde („oder vielleicht auch nicht“), wenn manche Leute versuchen würden, „zu tricksen, tauschen und tarnen“. Er verwies darauf, dass ansonsten ja auch eine Bewerbung etwa über das Höchstgebo­tsverfahre­n möglich sei. Wichtig sei es, das Einheimisc­henModell an die Richtlinie­n anzulehnen. Das Ravensburg­er Modell sei zu anfechtbar.

Der Ausschuss stimmte den in einem Punkt redaktione­ll anzupassen­den Vergabekri­terien bei einer Enthaltung mehrheitli­ch zu. Der Gemeindera­t wird seinen Beschluss am Mittwoch, 22. Juni, fassen.

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FOTO: ROLF POSS/IMAGO Hausbau: Bei städtische­n Grundstück­en gibt es mehrere mögliche Verfahren, wie Bauwillige zu ihrem Eigenheim kommen können. Eine Möglichkei­t neben anderen ist das Einheimisc­henmodell. Doch das wird an bestimmte wirtschaft­liche Faktoren gebunden sein.

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