Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
So könnte Vergabe an Einheimische laufen
Gemeinderat entscheidet noch – Experte rät von Orientierung an Ravensburger Modell ab
TETTNANG - Unter welchen Umständen Einheimische einen Bonus bei der Vergabe von städtischen Bauplätzen haben dürfen, darüber hat in der letzten Woche der Tettnanger Verwaltungsausschuss diskutiert. Hier kommt ein Punktesystem zum Tragen, das aber an soziale Kriterien gekoppelt ist. Des Weiteren sollen auch alternativ ein Höchstgebotsverfahren sowie ein Festpreisverfahren nach sozialen Kriterien möglich sein. Der Gemeinderat muss noch entscheiden, der Ausschuss stimmte bei einer Enthaltung dafür.
Der Beschluss aus dem Ortschaftsrat Langnau kam nicht zum Tragen. Der Beigeordnete Gerd Schwarz wies darauf hin, dass der nicht als Antrag zur Abstimmung gestellt werden konnte, weil der Beschluss anders hätte formuliert werden müssen. Die Formulierung lautete: „Der Ortschaftsrat Langnau stellt in Aussicht, über ein Modell in Anlehnung an das Ravensburger Einheimischenmodell nochmals zu beraten und zu beschließen.“
Auf Rückfrage der „Schwäbischen Zeitung“heißt es seitens der Stadt, dass der Verwaltungsausschuss nicht darüber bestimmen könne, dass der Ortschaftsrat Langnau nochmal über das Thema beraten könne. Auf die Frage, wie eine korrekte Formulierung hätte lauten müssen, erfolgte die Antwort beispielhaft: „Für die Vergaberichtlinien wird ein Modell in Anlehnung an das Ravensburger Einheimischenmodell beschlossen.“Das war allerdings nicht der Fall.
Inhaltlich kam das Thema dennoch zur Sprache. Denn im Entwurf für die Tettnanger Vergaberichtlinien ist die Vergabe an Einheimische möglich, aber an Obergrenzen gekoppelt. Das Vermögen darf maximale die Höhe des Grundstückswerts haben, weiteres Vermögen darf nicht vorhanden sein. Und das Einkommen darf pro Person 51 000 Euro nicht übersteigen, plus 7000 Euro je unterhaltspflichtigem Kind.
Bei einer Vergabe nach dem Einheimischenmodell zählen Kriterien wie der bisherigen Wohndauer, der Dauer der Erwerbstätigkeit oder der ehrenamtlichen Tätigkeit maximal zur Hälfte, ansonsten kommen noch soziale Kriterien wie das Vermögen, der Familienstand oder die Anzahl der Kinder zum Tragen. Von einer Regelung wie im Ravensburger Modell, wo die Obergrenzen nicht zum Tragen kommen, riet Verwaltungsrechtler Andreas Kohnke, der die Stadt juristisch berät, ab. Hintergrund ist, dass seitens des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2013 das Urteil erging, dass Einheimischenmodelle nicht grundsätzlich rechtswidrig sind, dass sie aber faktisch bestimmte Personengruppen nicht ausschließen dürfen.
Zwar gibt es noch keine Rechtsprechung zu diesem neuen Verfahren, allerdings werden hier wohl Gerichtsverfahren erwartet. Als relativ sicher werden Vergabeverfahren angesehen, die Leitlinien einer Einigung von 2017 zwischen EU-Kommission,
Bundesumweltministerium und der bayerischen Staatsregierung folgen, wie Andrea Luitz vom Fachbereich Finanzen, Grundstücksverkehr und Kasse erläuterte.
Diese sogenannten Kautelen, also Sicherheitsmaßnahmen im juristischen Sinne, hob Fachanwalt Kohnke als bedeutsam hervor. Es müsse einen Sachgrund geben, die einheimische Bevölkerung bei der Vergabe bevorzugen zu können. Das Vehikel sei hier die ärmere Bevölkerung. Derzeit handle es sich um einen rechtsfreien Raum, da es noch keine Urteile gebe. Der Einbezug der finanziellen Obergrenzen schaffe dennoch eine größere Sicherheit, so Kohnke.
Mit Blick auf Ravensburg äußerte Kohnke: „Die scheinen ein Risiko einzugehen. Das kann man so machen, aber ich kann so ein Vorpreschen nicht empfehlen.“Sollte sich dieses Vorgehen als rechtssicher herausstellen, könne man später immer noch nachziehen.
Auf die Frage von Bernd Bentele (CDU) und Peter Bentele (FW), ob es theoretisch ein Teilort-Modell geben könne, verwies Kohnke darauf, dass sich die Regelung immer auf die Gemeinden als Ganzes beziehe. Sprich: Teilorte seien damit raus.
Martin Bentele (FW) fragte nach, ob jemand auf die Idee kommen könne, ein Zuviel an Vermögen an seine Kinder zu übertragen, um in den Genuss des Einheimischen-Modells zu gelangen. Darauf erwiderte Kohnke, dass das bedeute, dass man dann auch den Anspruch aufs Vermögen aufgeben müsse. Unzulässig sei allerdings die Verankerung eines Rückübertragungsanspruchs.
Kajo Aicher (Grüne) meinte, dass es ihn überraschen würde („oder vielleicht auch nicht“), wenn manche Leute versuchen würden, „zu tricksen, tauschen und tarnen“. Er verwies darauf, dass ansonsten ja auch eine Bewerbung etwa über das Höchstgebotsverfahren möglich sei. Wichtig sei es, das EinheimischenModell an die Richtlinien anzulehnen. Das Ravensburger Modell sei zu anfechtbar.
Der Ausschuss stimmte den in einem Punkt redaktionell anzupassenden Vergabekriterien bei einer Enthaltung mehrheitlich zu. Der Gemeinderat wird seinen Beschluss am Mittwoch, 22. Juni, fassen.