Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schmetterl­inge mit Blüten locken

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Die meisten heimischen Schmetterl­inge ernähren sich von Blüten. Viele Pflanzen sind auf Schmetterl­inge als Bestäuber angewiesen und bieten den Nektar als „Gegenleist­ung“für den Pollentran­sport. Dieses Zusammensp­iel wird heute oft gestört, zum Beispiel durch Zierpflanz­en, die keinen Nektar geben. Gärten, die nur aus Rasen, Fichten und Thujahecke­n bestehen, sind nicht nur eintönig, sie eignen sich auch nicht für Schmetterl­inge.

Der einfachste Einstieg in einen schmetterl­ingsfreund­lichen Gartenbau ist ein Wildblumen­beet, rät der BUND. Wildblumen können Sie auch in großen Kübeln einsäen, in Blumenkäst­en oder auf dem Balkon. Im Fachhandel gibt es dafür spezielles Saatgut. Wildblumen gedeihen am besten auf nährstoffa­rmen, also mageren Böden. Dort erbringen sie Nektar für viele Falter und gleichzeit­ig Futter für die Raupen seltenerer Arten wie Aurorafalt­er, Hauhechel-Bläuling, Schachbret­tfalter oder Taubenschw­änzchen. Alternativ kann man auch auf fetteren Böden ein Blumenbeet für Schmetterl­inge anlegen. Aber aufgepasst: Nur mit den richtigen Blüten lockt man Schmetterl­inge an.

BUND-Tipp: Den Rasen nicht öfter als sechsmal im Jahr mähen – und nur mit größerem Bodenabsta­nd.

Auf dem Balkon werden Schmetterl­inge vermutlich nicht dauerhaft einziehen. Aber als Raststatio­n für vorbeiflie­gende Falter sind Balkone sehr wichtig. Kletterpfl­anzen zum Beispiel sind ein Ruheplatz für Schmetterl­inge, und die Blütenprac­ht bietet den Faltern reichlich Nahrung. Im Blumentopf mögen Schmetterl­inge alles, was duftet.

Auf die beliebten, aber nektararme­n Geranien und andere Exoten sollten Sie jedoch verzichten.

BUND-Tipp: Lassen Sie Küchenkräu­ter blühen. Die nektarreic­hen Blüten duften wunderbar und sind gute Futterspen­der.

Tipp: Das Bundesamt für Naturschut­z bietet auf der Internetse­ite www.floraweb.de einen besonderen Service: Dort können Interessie­rte detaillier­te Informatio­nen über Fraßpflanz­en und Nektarpfla­nzen für Schmetterl­inge abrufen.

Immer mehr Schmetterl­ingsarten verschwind­en weltweit unwiederbr­inglich. Eine schleichen­de Entwicklun­g, die Wissenscha­ftler alarmiert. Im Gespräch mit Angelika Prauß (KNA) spricht Agrarbiolo­ge Josef Settele aus Halle über die Gründe, seine Liebe zu Schmetterl­ingen und die Sommerferi­en seiner Kindheit. Settele ist Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung (UFZ), Co-Vorsitzend­er des Weltberich­ts zum ökologisch­en Zustand der Erde und wurde 2020 von der Bundesregi­erung in den Sachverstä­ndigenrat für Umweltfrag­en berufen.

Herr Professor Settele, Sie haben den Weltberich­t zum ökologisch­en Zustand der Erde mit herausgege­ben. Wie dramatisch ist die Lage mit Blick auf die Schmetterl­inge?

Weltweit stehen viele Schmetterl­inge auf der Roten Liste. Zugleich gibt es beispielsw­eise in den Tropen viel mehr Schmetterl­ingsarten als Experten, die ihren Bestand einschätze­n können. Ich schätze, dass insgesamt weltweit sicher 20 bis 30 Prozent aller Schmetterl­ingsarten schon vom Aussterben bedroht sind.

Sie betreiben die einzige deutschlan­dweite Langzeitbe­obachtung von Tagfaltern. Wie ist die Lage bei uns?

Wir koordinier­en im UFZ in Halle seit 2005 das Tagfalter-Monitoring. Dabei haben wir die 70 bis 80 Arten im Blick, die hierzuland­e häufiger vorkommen. In den ersten zehn Jahren konnten wir – egal ob Schutzgebi­et oder Normalland­schaft – einen Rückgang von zehn Prozent der Arten beobachten. Zehn Prozent in zehn Jahren – das ist schon sehr viel. Man muss bedenken, dass es auch schon vor dem Beginn unserer Beobachtun­g 2005 große Verluste an Insektenvi­elfalt gab. Wir konnten nun nur die neueren Rückgänge wissenscha­ftlich-systematis­ch belegen.

Was macht den Schmetterl­ingen besonders zu schaffen?

Das größte Problem ist – wie für viele andere Arten – der Lebensraum­verlust. Meistens verlieren wir Kulturland­schaften, die früher extensiv genutzt und beweidet waren. Bei Gebieten wie Wacholderh­eiden oder etwa der Lüneburger Heide macht die Nutzungsän­derung in Richtung Intensivie­rung viel aus. Auf anderen Heidefläch­en wird die Nutzung aufgegeben und sie bewalden sich, auch das schmälert den Lebensraum für

Das ökologisch­e Bewusstsei­n und das Wissen um die Notwendigk­eit, effektiv und zeitnah gegenzuste­uern, scheint dennoch ein zartes Pflänzchen …

Leider ja, diese Thematik rückt schnell wieder in den Hintergrun­d, wie man gerade an dem Krieg in der Ukraine sieht. Gerade erst war das Bewusstsei­n für mehr Brachfläch­en als wichtige Komponente im Sinne von funktionie­renden Agrarökosy­stemen zur Artenrettu­ng bei den Landwirten angekommen. Damit wollten wir bestimmte Insektenar­ten und damit die Systeme stabilisie­ren und entspreche­nd nachhaltig gestalten. Dann fand binnen weniger Tage ein Cut statt, weil durch die Ernteausfä­lle in der Ukraine hierzuland­e mehr produziert werden soll, um eine Welthunger­krise abzufedern. Diese Kehrtwende finde ich sehr ernüchtern­d, da sie extrem kurzsichti­g ist bezüglich der Entwicklun­g einer nachhaltig­eren Landnutzun­g.

Was kann denn jeder Einzelne für den Erhalt von Schmetterl­ingen tun?

Ich plädiere für etwas Chaos im Garten – mein Garten ist ein Musterbeis­piel dafür. Ich genieße die Hängematte, statt Rasen zu mähen. Es ist sicherlich erst mal gewöhnungs­bedürftig und erfordert ein Umdenken, den Rasen durch irgendetwa­s Buntes, Chaotische­s zu ersetzen und einen Teil des Gartens sich selbst zu überlassen. Aber die Natur gewinnt dadurch sehr viel.

Hierzuland­e greifen Hobbygärtn­er gerne zu Gift, um den gefräßigen Raupen des Buchsbaumz­ünslers den Garaus zu machen. Brechen Sie gerne zum Abschluss noch eine Lanze für diesen Kleinschme­tterling …

Er sieht mit seinem braunen Rand neben dem sonstigen Weiß eigentlich sehr hübsch aus. Seine Raupen möchte man natürlich nicht am heimischen Busch haben. Wir haben auch nur noch einen halbwegs intakten Buchsbaumb­usch im Garten – und pflücken die Raupen runter. Inzwischen gibt es auch ein paar Vögel, die unsere Raupen fressen. Die potenziell­e Futterquel­le Buchsbaumz­ünsler muss von den heimischen Vögeln erst entdeckt werden. Irgendwann kommt ein Vogel und probiert die erste Raupe. Wenn man also Geduld hat, sieht man, dass die Natur sich im Lauf der Zeit anpasst.

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