Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auf ein Kofferwort
Mitte Mai war es bei uns schon sehr warm – kein typisches Wetter rund um die Eisheiligen von Pankratius (12.5.) bis zur Kalten Sophie (15.5.). Es seien dieses Jahr eher Schweißheilige, befand ein Bekannter. Daraus sollte eigentlich sofort eine Sprachglosse über Kofferwörter werden, doch dann drängten sich andere Themen auf.
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Beim Gang durch Leutkirch bleibt man derzeit an einem Plakat hängen: „Schmecktakel am Wochenende 25./26. Juni“. Wie bei den Schweißheiligen haben wir es auch bei Schmecktakel mit einem Kofferwort zu tun. Darunter versteht man mehr oder minder amüsante Neuschöpfungen, die durch die Verschmelzung von unterschiedlichen Wörtern entstehen – wie wenn man die verschiedensten Dinge in einen Koffer packt. Wir haben das Wort schmecken und das Wort Spektakel. Beides wird vermengt, und schon ergibt das einen Namen für einen „Street Food Markt“, der zumindest aufmerken lässt.
Dieses Prinzip ist recht beliebt, wie ein Griff in den Kofferwort-Koffer zeigt. Ältere eingespielte Begriffe sind Kurlaub (Kur + Urlaub), Politesse (Polizei + Hostesse), Motel (Motor + Hotel), Besserwessi (Besserwisser + Wessi), Schachverstand (Schach + Sachverstand) oder Teuro (teuer + Euro). Einige bekannte Exemplare wie Smog (smoke + fog) oder Brunch (breakfast + lunch) wurden aus englischen Wörtern verschmolzen. Und unlängst hat uns der Brexit – selbst schon ein Kofferwort aus British und Exit – ein doppeltes Kofferwort beschert: Brexodus (Brexit + Exodus). Mainhattan (Main + Manhattan) kursiert als Übername für Frankfurt. Hinter einem Schokoholiker verbirgt sich – Schokolade + Alkoholiker – ein Zeitgenosse, der seine Gelüste nicht zügeln kann. Bei Lustballon – gebildet aus Lust und Luftballon – kann man sich denken, um welche Gelüste es da geht. Und auch Bahnsinn (Bahn + Wahnsinn) ist selbsterklärend – man denke nur an die Fehlplanungen beim Neun-Euro-Ticket.
Bleibt ein Problem: Viele dieser Formulierungen sind eher verderbliche Ware. Das heißt, zu häufig und zu lange darf man sie nicht einsetzen, weil sich der Charme einer originellen Wortfindung verflüchtigt. Politesse, Motel, Smog oder Brunch sind zwar zu festen Begriffen geworden. Bei Schmecktakel wird das eher nicht so sein. Als Name für eine alljährlich wiederkehrende lokale Festivität mag sich das Wort einbürgern. Aber Nachbargemeinden sollten sich etwas anderes ausdenken.
Gute Beispiele für Kofferwortwitze liefert oft die „ZDF-Heute-Show“am Freitagabend: Wenn unter einer Collage von Angela Merkel und Xi Jinping steht: Chinakohls Mädchen. Oder wenn ein Foto Viktor Orbán zeigt und dazu das Cover von Mario Puzos Romanbestseller – Untertitel: Der Unsympate. Man lacht kurz auf, für Dauerbrenner aber braucht es mehr. Der unvergessene Heinz Erhardt dichtete einst: „Es war einmal ein Muselmann, der trank sich einen Dusel an, wann immer er nur kunnt. Er rief dann schnell sein Muselweib, wo es denn mit dem Fusel bleib‘, denn Durst ist nicht gesund“… Das Muselweib ist kofferwörtlich genial – auch heute noch, aber natürlich politisch höchst unkorrekt. Doch das vertiefen wir jetzt nicht.
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