Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Billige Konkurrenz macht Bauern Druck
Einheimische Landwirte setzen auf Direktvermarktung der Erdbeeren
LINDAU (isa) - Abgemähte Pflanzen, zerstörte Felder, untergepflügte Erdbeeren: Das sind Horrorbilder für jeden Erdbeerbauern. Solche Verzweiflungstaten geschehen derzeit vielerorts in Deutschland, etwa in Nordrhein-Westfalen. Grund dafür sind die niedrigen Preise. Die deutschen Erdbeerbauern kommen dadurch nicht mehr auf ihre Kosten. Dies trifft aber längst nicht alle. Am bayerischen Bodensee etwa geht es den Erdbeerbauern noch gut.
„Ich kenne die Bilder. Es ist furchtbar, aber ich habe auch vollstes Verständnis für das Mulchen im Norden“, sagt Lena Nüberlin. Sie führt mit ihrem Bruder den Obsthof in 26. Generation. Erdbeeren baut die Familie schon lange an. Das ganze Jahr hindurch müssen die Pflanzen gehegt und gepflegt werden, damit die roten Beeren daran wachsen. „Das ist richtig viel Arbeit und wenn ich mir vorstelle, dass ich das alles zerstören müsste, dann tut das richtig weh.“
Die Produktionskosten für Erdbeeren sind grundsätzlich relativ hoch. Wegen des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Preissteigerung umso mehr. Gleichzeitig kommt hinzu, dass der Absatz von Erdbeeren deutschlandweit eingebrochen ist. Es werden mehr Erdbeeren
als früher aus dem Ausland importiert. Der Grund dafür ist, dass der Lebensmittelhandel dort die Früchte billiger bezieht als von den heimischen Bauern, die ihrerseits höhere Lohnkosten und strengere Produktionsauflagen haben als ihre Kollegen in anderen EU-Staaten. Die Folge ist, dass der heimische Erdbeererzeuger nur noch den billigen, globalen Preis für sein vergleichsweise teurer hergestelltes Produkt bekommt. Und der ist derzeit nicht kostendeckend. „Die Kollegen im Norden kriegen nur noch einen Euro pro Schale“, sagt Lena Nüberlin.
Von dieser Preisentwicklung sind die Erzeuger am bayerischen Bodensee nicht betroffen. Der Grund? Anders als ihre Kollegen sind sie nicht auf die Vermarktung durch Großmärkte oder Supermärkte angewiesen. Vielmehr vermarkten sie die Früchte selbst. „Ich kann immer nur für mich sprechen, aber preislich stehen wir gut da. Als Direktvermarkter können wir das selbst steuern“, erläutert die Obstbäuerin.
Weil auch der Verkauf gut läuft, sagt sie: „Ich bin eigentlich nicht unzufrieden.“Vielleicht liegt es daran, dass sie ihren Kunden nicht nur die Erdbeeren verkauft, sondern ihnen obendrein noch ein Bewusstsein dafür vermittelt: „Das ist ein Produkt, das von uns kommt und von hier. Es gibt nichts Besseres als direkt beim Produzenten zu kaufen.“
Auch Klaus Strodel muss seine Erdbeeren, die er auf eineinhalb Hektar Fläche anbaut, nicht unterpflügen. „Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass die Leute bei Waren mit hohen Produktionskosten zurückhaltend sind“, sagt er und erklärt, dass die Kunden aber nicht völlig auf diese Lebensmittel verzichten. Vielmehr gönnen sie sie sich etwa zum Wochenende hin oder greifen auf spanische Produkte zurück.
Er ist froh, dass er nicht vom Einzelhandel abhängig ist. „Ich vermarkte meine Produkte selbst und habe Kunden mit kleinen Läden. Die sind bereit das zu zahlen, was es kostet“, sagt er. Gleichzeitig hofft er auf ein Umdenken, dass der Verbraucher nicht mehr schon im April nach Erdbeeren verlangt, sondern wartet, bis für die ersten Freilandfrüchte die Zeit reif ist.
Ein Umdenken ist auch beim Preis gefragt. So ist es zwar teurer, direkt beim Produzenten einzukaufen. Sollte aber die derzeitige Entwicklung weiter gehen hat das zur Folge, dass es künftig kaum mehr Erdbeeren aus Deutschland gibt.