Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Russland nicht erwünscht
Ukraine-Krieg beeinflusst Schwimm-WM maßgeblich
Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche
BUDAPEST (dpa) - Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf das Schwimmen erfährt Olympiasieger Florian Wellbrock von einem direkt Betroffenen. Der ukrainische Topathlet und Wellbrock-Konkurrent Michailo Romantschuk hat sich auf Einladung des 24-Jährigen in Magdeburg auf die WM vorbereitet. Romantschuk sei nach Deutschland gekommen, „als seine letzte Trainingshalle mit einem 50-Meter-Becken kaputt gebombt wurde“, sagte Wellbrock. Wegen der Invasion ins Nachbarland sind russische Sportler bei der WM in Budapest ab diesem Freitag unerwünscht.
Wellbrock will den Ausschluss nicht öffentlich bewerten. Sein Teamkollege Lukas Märtens kommentiert ihn so: „Ich stehe da voll dahinter. In Michailo Romantschuk haben wir ja gerade auch jemanden hier, der hautnah berichtet hat, was in der Ukraine passiert ist.“
Mit der Entscheidung, dass keine Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus in der ungarischen Hauptstadt starten dürfen, hatte sich der Weltverband FINA verhältnismäßig lange Zeit gelassen. So lange, dass unter anderem der Deutsche Schwimm-Verband schon Druck aufgebaut hatte. Der DSV hatte mit einem WM-Boykott gedroht, sollte Russland dabei sein dürfen. Nach den ursprünglichen Regeln wäre ein Start bei den Wettbewerben im Beckenschwimmen, Freiwasserschwimmen, Wasserspringen, Wasserball und Synchronschwimmen unter neutraler Flagge möglich gewesen. Sportlich hat das Fehlen der Russinnen und Russen große Auswirkungen. Die starke Schwimm-Nation belegte bei den vergangenen Weltmeisterschaften im Medaillenspiegel Rang drei hinter China und den USA. In den Beckenschwimmwettbewerben gab es dreimal Gold. Im Synchronschwimmen gewannen Russinnen gar neun von zehn Titeln.
Der frühere Weltklasse-Wasserspringer Patrick Hausding sieht den Ausschluss differenziert. Er zeigt auch Mitgefühl für die Athleten. „Man muss beide Seiten der Medaille sehen. Die russischen Springer sind bestimmt nicht aus politischen Gründen unterwegs. Deswegen tut es mir für sie schon irgendwie leid“, sagte der Rekordeuropameister. „Auf der anderen Seite: Wenn man keine kollektiven Entschlüsse durchzieht, dann sieht es so aus, als ob alles in Ordnung sei, und das geht auch nicht.“