Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Sprengt die Kette der Unterdrückung!
Zu den größten Übeln der Menschheitsgeschichte gehört neben unheilbaren Krankheiten, neurotischen Despoten und eingewachsenen Fußnägeln der münzgebundene Einkaufswagen. Niemand scheint sich Gedanken darüber zu machen, dass bei zunehmender Bargeldlosigkeit – bedingt durch den Vormarsch der Plastikmoneten – kaufwillige Kunden nur selten bis nie die benötigte Münze zur Hand haben. Und auch die sogenannten Einkaufswagen-Chips, welche ebenfalls einen Wagen aus der Verankerung zu lösen vermögen, sind entweder unauffindbar unter den Autositz gerollt. Oder irgendein geistiger Kleingärtner von Schussel hat sie nicht dorthin zurückgelegt, wo sie hingehören.
Gewiss feilen Hersteller schon an technischen Lösungen. Denkbar wäre ein Banknotenschlitz an jedem Wägelchen, das Fünfer, Zehner oder Zwanziger einzieht und nur bei korrekter Rückgabe den Schein wieder ausspuckt. Ausgestattet mit einem Funksender, könnte der Einkaufswagen andererseits die Banknote zu Konfetti verarbeiten, wenn das System registriert, dass jemand sich vom
Parkplatz des Ladens wegschleicht. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Angesichts der prekären Lage von Kunden, die immer öfter vergeblich an der Einkaufswagenentriegelung rütteln, stellt sich die rechtsphilosophische Frage, ob es nicht Zeit ist, zivilen Ungehorsam zu üben. Und zum Beispiel mit einem Bolzenschneider die Ketten der Kundenunterdrückung zu sprengen, um mit dem Einkaufswagen in den Sonnenuntergang der Freiheit zu fahren, dass der Kopfsalat nur so im Winde flattert. (nyf)
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