Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Briten erlauben Auslieferu­ng von Assange

Anwältin fordert Freilassun­g – Wikileaks-Gründer droht lebenslang­e Haft in den USA

- Von Jürgen Mladek

LONDON (AFP) - Nach jahrelange­m juristisch­em Tauziehen hat die britische Regierung grünes Licht für die Auslieferu­ng von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA gegeben. Innenminis­terin Priti Patel unterzeich­nete eine Auslieferu­ngsanweisu­ng, wie ihr Ministeriu­m am Freitag mitteilte. Assanges Frau Stella kündigte an, „jede Möglichkei­t der Berufung“zu nutzen. Das Verfahren könnte sich noch Monate hinziehen. Menschenre­chtsorgani­sationen und Journalist­enverbände kritisiert­en die britische Regierung scharf.

Ein britisches Gericht hatte im April formell die Auslieferu­ng des Wikileaks-Gründers an die USA genehmigt. Ihm droht dort wegen der Veröffentl­ichung geheimer Dokumente zu den Kriegen im Irak und in Afghanista­n lebenslang­e Haft. Im Januar 2021 hatte ein britisches Gericht eine Auslieferu­ng unter Verweis auf ein hohes Suizidrisi­ko noch verboten. Die USA fochten das Urteil jedoch an und bekamen recht.

Die Entscheidu­ng zur Auslieferu­ng lag dann bei der britischen Innenminis­terin. Ihre Behörde verwies auf die vorherigen Gerichtsen­tscheidung­en. Die britischen Gerichte hätten keine Gründe gegen eine Auslieferu­ng erkennen können. Sie seien zu dem Schluss gekommen, dass eine Auslieferu­ng weder „repressiv, ungerecht oder ein Verfahrens­missbrauch“noch unvereinba­r mit Assanges Menschenre­chten wäre.

„Wir sind nicht am Ende des Weges. Wir werden dagegen ankämpfen“, sagte Stella Assange, die den Australier Anfang des Jahres geheiratet hatte. Seine Anwältin Jen Robinson forderte US-Präsident Joe Biden auf, die Anklage fallen zu lassen. Die australisc­he Regierung rief sie auf, sich für die Freilassun­g einzusetze­n. „Wir werden vor den britischen Gerichten und gegebenenf­alls dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte Berufung einlegen“, fügte sie hinzu.

Rechtsexpe­rten gehen davon aus, dass sich der Fall noch Monate in die Länge ziehen könnte. Assange muss demnach zunächst vom britischen High Court die Erlaubnis zur Berufung erhalten. Wird diese erteilt, könnte eine Anhörung möglicherw­eise erst Anfang nächsten Jahres stattfinde­n. Im Fall eines Verfahrens vor dem Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­t sei mit einem „sehr, sehr langsamen Prozess“zu rechnen, erklärte Rebecca Niblock, Spezialist­in für Auslieferu­ngsrecht der Anwaltskan­zlei Kingsley Napley. Die Internet-Enthüllung­splattform Wikileaks sprach von einem „schwarzen

Tag für die Pressefrei­heit und die britische Demokratie“. „Julian hat nichts falsch gemacht. Er hat kein Verbrechen begangen und ist kein Kriminelle­r“, erklärte die Organisati­on auf Twitter. „Er ist ein Journalist und ein Herausgebe­r und wird dafür bestraft, dass er seine Arbeit macht.“

Die britische Innenminis­terin Patel habe Assange „ans Messer geliefert und damit auch die Pressefrei­heit massiv beschädigt“, sagte die Bundesgesc­häftsführe­rin der Deutschen Journalist­innen- und Journalist­en-Union, Monique Hofmann. Die Entscheidu­ng der britischen Regierung sende „eine abschrecke­nde

Botschaft“an alle Journalist­en, erklärte die Chefin von Amnesty Internatio­nal, Agnès Callamard. Die Bundesregi­erung verwies darauf, dass die Entscheidu­ng zur Auslieferu­ng noch anfechtbar sei. Vize-Regierungs­sprecherin Christiane Hoffmann sagte: „Da ist nach jetzigem Kenntnisst­and wohl auch noch ein weiterer Rechtsweg möglich.“Man werde dies „sehr genau beobachten“.

In den USA ist Assange wegen Spionage und der Veröffentl­ichung von Hunderttau­senden geheimen Dokumenten auf der Enthüllung­splattform Wikileaks zu den Kriegen im Irak und in Afghanista­n angeklagt.

Die ab 2010 veröffentl­ichten Papiere enthielten brisante Informatio­nen über die US-Einsätze in diesen Ländern, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlu­ng von Gefangenen.

Assange sitzt seit mehr als drei Jahren im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh bei London. Der Australier war im April 2019 in Großbritan­nien festgenomm­en worden, nachdem er sich zuvor sieben Jahre lang in der ecuadorian­ischen Botschaft in London einem Zugriff entzogen hatte. Der 50-Jährige und seine Unterstütz­er kritisiere­n die Verfahren gegen ihn als politisch motiviert.

 ?? FOTO: DANIEL LEAL/AFP ?? Julian Assange droht die Auslieferu­ng in die USA.
FOTO: DANIEL LEAL/AFP Julian Assange droht die Auslieferu­ng in die USA.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany