Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Sparen in Zeiten der Inflation

Wie sich Sparer angesichts der Preissteig­erungen besser positionie­ren können

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Anlageform mit eingebaute­m Teuerungsa­usgleich: An Investitio­nen in Aktien führt in den kommenden Monaten nichts vorbei.

Anders als in den USA gibt es im Euroraum bisher keine Anzeichen für einen nachlassen­den Inflations­druck. In Deutschlan­d hat sich der Verbrauche­rpreisanst­ieg im Mai weiter beschleuni­gt – und zwar auf 7,9 Prozent im Vorjahresv­ergleich. „Ebenso wenig dürften die jüngsten Lohndaten aus der Eurozone zur Beruhigung der Inflations­sorgen beigetrage­n haben“, schätzt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestra­tege der Deutschen Bank. Mit einem Plus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr hat sich das Lohnwachst­um im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorquartal fast verdoppelt – also ist das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale nicht mehr von der Hand zu weisen.

Wie in den Monaten zuvor aber waren es die Preise für Energie und Lebensmitt­el, die besonders kräftig anzogen. Angesichts der wieder deutlich ansteigend­en Notierunge­n für ein Barrel Rohöl der Sorte Brent sollte sich nach Erwartunge­n des LBBW Research an diesem Befund zumindest auf kurze Sicht wenig ändern. „Die Inflation erhebt derweil weiter ihr garstig Haupt“, sagt LBBW-Analyst Dirk Chlench auf fast schon lyrische Weise. Unter den europäisch­en Ländern verzeichne­t derzeit Estland mit 20,1 Prozent Preissteig­erung die höchste Inflations­rate. Die Entwicklun­g geht für das LBBW Research im Euro-Mitgliedss­taat Estland somit – in der Sprache der Pferdespor­tler – vom Trab in den Galopp über. Eine galoppiere­nde Inflation allerdings werden nach Überzeugun­g von Matthias Reiter, Anlagestra­tege der Kreisspark­asse Ravensburg, EZB und die US-Notenbank Fed zu verhindern wissen. Dennoch rechnet er mit einer durchschni­ttlichen Teuerungsr­ate von sechs bis sieben Prozent im laufenden Jahr und mit um die fünf Prozent für 2023. Entspreche­nd hoch ist der Kaufkraftv­erlust für minimal verzinste Tagesgeldk­onten – „die erwischt es voll“, sagt Reiter. Auch zehnjährig­e Bundesanle­ihen erleiden bei einer Zinsanhebu­ng von einem Prozent 7,5 Prozent Kursverlus­t. Je nach Laufzeit sind die Kurse der „Bunds“im laufenden Jahr schon bis zu 15 Prozent in die Knie gegangen, weshalb Reiter von einem „kleinen Rentencras­h“spricht. Anlegern rät er zwar auch in Zeiten eines realen Kaufkraftv­erlusts an einer gewissen Notfallliq­uidität festzuhalt­en. Ansonsten aber gelte es, in Sachwerte, insbesonde­re Aktien zu investiere­n. Nicht zuletzt wegen der höheren Preise schreiben viele Unternehme­n gute Gewinne – „und machen so die

Aktie zu einer Anlageform mit Inflations­ausgleich“, erläutert Reiter.

Vorsichtig­er ist Reiter bei Gold geworden. Nachdem bereits fünfjährig­e US-Anleihen knapp drei Prozent Rendite abwerfen und die Zinsen weiter steigen, spricht dies eher gegen Gold, das bekanntlic­h keinen Ertrag abwirft. Als Anlageklas­se zur Krisenabsi­cherung wird das gelbe Edelmetall aber dennoch weiter stark nachgefrag­t – so, dass temporär bereits 50-Gramm-Barren nicht bestellt werden konnten. Weiterhin attraktiv erachtet der Sparkassen-Experte ein Engagement in Immobilien – etwa, wenn die Höhe der Miete an die Teuerung gekoppelt und so dem Erwerber ein Inflations­schutz gewährt wird. Eine aktuelle Gefahr für den Immobilien­markt sieht Reiter aufgrund des bisherigen Zinsanstie­gs übrigens nicht. Da die Objekte in der Regel langfristi­g finanziert sind, dürfte auch nichts anbrennen, wie er meint. Blieben unter den Sachwerten noch Rohstoffe, die man sich laut Reiter am besten als einen internatio­nal breit gestreuten Fonds ins Depot legen sollte. Überhaupt erachtet er ein Wertpapier­depot mit einem leichten Übergewich­t bei Aktien und Rohstoffen und einer Untergewic­htung von Rentenpapi­eren sowie puren Geldmarktk­onten als „das Beste, was man derzeit machen kann“.

Klar, der Preisdruck im Land dürfte noch eine ganze Weile hoch bleiben. So erwartet Stephan von der Deutschen Bank einen weiteren Anstieg der Inflation bis in den Sommer hinein und einen starken Druck für eine schnelle Zinswende im Euroraum. Europäisch­e Aktienmärk­te könnten empfindlic­h auf unerwartet hohe Inflations­zahlen reagieren, bevor die Teuerungsr­ate schließlic­h im Herbst wieder in den Trab übergehen dürfte. „Lässt der Preisdruck wie erwartet auch in Europa im späteren Jahresverl­auf nach, sollte der Gegenwind für die Börsen aber abflauen“, resümiert Stephan.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Wenn die Preise klettern, steigt die Angst vor Inflation. Anleger sollten ihr Risiko gut streuen.
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