Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Sparen in Zeiten der Inflation
Wie sich Sparer angesichts der Preissteigerungen besser positionieren können
STUTTGART - Anlageform mit eingebautem Teuerungsausgleich: An Investitionen in Aktien führt in den kommenden Monaten nichts vorbei.
Anders als in den USA gibt es im Euroraum bisher keine Anzeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck. In Deutschland hat sich der Verbraucherpreisanstieg im Mai weiter beschleunigt – und zwar auf 7,9 Prozent im Vorjahresvergleich. „Ebenso wenig dürften die jüngsten Lohndaten aus der Eurozone zur Beruhigung der Inflationssorgen beigetragen haben“, schätzt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. Mit einem Plus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr hat sich das Lohnwachstum im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorquartal fast verdoppelt – also ist das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale nicht mehr von der Hand zu weisen.
Wie in den Monaten zuvor aber waren es die Preise für Energie und Lebensmittel, die besonders kräftig anzogen. Angesichts der wieder deutlich ansteigenden Notierungen für ein Barrel Rohöl der Sorte Brent sollte sich nach Erwartungen des LBBW Research an diesem Befund zumindest auf kurze Sicht wenig ändern. „Die Inflation erhebt derweil weiter ihr garstig Haupt“, sagt LBBW-Analyst Dirk Chlench auf fast schon lyrische Weise. Unter den europäischen Ländern verzeichnet derzeit Estland mit 20,1 Prozent Preissteigerung die höchste Inflationsrate. Die Entwicklung geht für das LBBW Research im Euro-Mitgliedsstaat Estland somit – in der Sprache der Pferdesportler – vom Trab in den Galopp über. Eine galoppierende Inflation allerdings werden nach Überzeugung von Matthias Reiter, Anlagestratege der Kreissparkasse Ravensburg, EZB und die US-Notenbank Fed zu verhindern wissen. Dennoch rechnet er mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von sechs bis sieben Prozent im laufenden Jahr und mit um die fünf Prozent für 2023. Entsprechend hoch ist der Kaufkraftverlust für minimal verzinste Tagesgeldkonten – „die erwischt es voll“, sagt Reiter. Auch zehnjährige Bundesanleihen erleiden bei einer Zinsanhebung von einem Prozent 7,5 Prozent Kursverlust. Je nach Laufzeit sind die Kurse der „Bunds“im laufenden Jahr schon bis zu 15 Prozent in die Knie gegangen, weshalb Reiter von einem „kleinen Rentencrash“spricht. Anlegern rät er zwar auch in Zeiten eines realen Kaufkraftverlusts an einer gewissen Notfallliquidität festzuhalten. Ansonsten aber gelte es, in Sachwerte, insbesondere Aktien zu investieren. Nicht zuletzt wegen der höheren Preise schreiben viele Unternehmen gute Gewinne – „und machen so die
Aktie zu einer Anlageform mit Inflationsausgleich“, erläutert Reiter.
Vorsichtiger ist Reiter bei Gold geworden. Nachdem bereits fünfjährige US-Anleihen knapp drei Prozent Rendite abwerfen und die Zinsen weiter steigen, spricht dies eher gegen Gold, das bekanntlich keinen Ertrag abwirft. Als Anlageklasse zur Krisenabsicherung wird das gelbe Edelmetall aber dennoch weiter stark nachgefragt – so, dass temporär bereits 50-Gramm-Barren nicht bestellt werden konnten. Weiterhin attraktiv erachtet der Sparkassen-Experte ein Engagement in Immobilien – etwa, wenn die Höhe der Miete an die Teuerung gekoppelt und so dem Erwerber ein Inflationsschutz gewährt wird. Eine aktuelle Gefahr für den Immobilienmarkt sieht Reiter aufgrund des bisherigen Zinsanstiegs übrigens nicht. Da die Objekte in der Regel langfristig finanziert sind, dürfte auch nichts anbrennen, wie er meint. Blieben unter den Sachwerten noch Rohstoffe, die man sich laut Reiter am besten als einen international breit gestreuten Fonds ins Depot legen sollte. Überhaupt erachtet er ein Wertpapierdepot mit einem leichten Übergewicht bei Aktien und Rohstoffen und einer Untergewichtung von Rentenpapieren sowie puren Geldmarktkonten als „das Beste, was man derzeit machen kann“.
Klar, der Preisdruck im Land dürfte noch eine ganze Weile hoch bleiben. So erwartet Stephan von der Deutschen Bank einen weiteren Anstieg der Inflation bis in den Sommer hinein und einen starken Druck für eine schnelle Zinswende im Euroraum. Europäische Aktienmärkte könnten empfindlich auf unerwartet hohe Inflationszahlen reagieren, bevor die Teuerungsrate schließlich im Herbst wieder in den Trab übergehen dürfte. „Lässt der Preisdruck wie erwartet auch in Europa im späteren Jahresverlauf nach, sollte der Gegenwind für die Börsen aber abflauen“, resümiert Stephan.