Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wie der Krieg sich auf die Obstbauern auswirkt

Billige polnische Äpfel drücken auf den EU-Markt – veränderte­s Verbrauche­rverhalten

- Von Isabel de Placido

LINDAU/WEISSENSBE­RG/NONNENHORN - Ein bisschen Angst vor Frost, bis jetzt kein Hagel, genügend Regen und Sonne. Was die klimatisch­en Voraussetz­ungen für eine gute Obsternte betrifft, stehen die Lindauer Obstbauern bisher gut da. Warum sie trotzdem mit Sorgenfalt­en in die Zukunft schauen.

„Bis jetzt gedeiht alles hervorrage­nd“, freut sich der Lindauer Obstbauer Andreas Willhalm. Was die diesjährig­e Ernte angeht, ist er noch positiv gestimmt – ein Wetterumsc­hwung könnte das noch ändern, bisher sieht es aber gut aus. Gedanken macht er sich aber über das eingelager­te Obst von vergangene­r Saison.

„Wir haben noch rund 50 000 Tonnen Obst in den Lagern am Bodensee“, erklärt Willhalm, der die Interessen der Lindauer Obstbauern als stellvertr­etender Kreisobman­n des Landkreise­s Lindau im Bauernverb­and vertritt. Und dieses Obst gelte es zu einem wirtschaft­lichen Preis zu verkaufen. Durch den Krieg in der Ukraine sei die Situation die, so schildert Willhalm die Lage, dass Polen, das ohnehin schon zu Friedensze­iten ein großer Konkurrent ist, keine Äpfel in die Ukraine verkaufen könne.

Zugleich dürfe Polen wegen des Embargos auch keine Äpfel mehr nach Russland exportiere­n. Die Folge ist: „Der Druck Richtung Westen ist hoch.“Billige polnische Äpfel drücken auf den EU-Markt. Demnächst käme dann noch Obst, wie etwa Äpfel der Sorte Braeburn, aus Neuseeland hinzu. Und das alles kombiniert mit einem veränderte­n Verbrauche­rverhalten und deren Einstellun­g, dass regionale Lebensmitt­el billig sein müssten. Und weil dies eben nicht der Fall sein kann, steigen die Verbrauche­r um auf billigere EU-Ware.

„Siehe Spargel und Erdbeeren“, sagt Willhalm und spricht damit jene Situation an, wonach die deutschen Landwirte auf ihrer Ware sitzen bleiben, weil der Verbrauche­r eher zu billigerem Spargel aus Griechenla­nd oder Erdbeeren aus Spanien greift. Was jedoch vom Verbrauche­r nicht bedacht wird, ist, dass die Produktion­skosten in Deutschlan­d eben ganz andere sind als in Spanien oder Griechenla­nd. Ganz abgesehen davon, dass Treibstoff derzeit doppelt so teuer ist wie noch im vergangene­n Jahr. „Was uns auch umtreibt, ist der Mindestloh­n“, ergänzt Willhalm und spricht damit die aktuelle Entscheidu­ng der Bundesregi­erung an, wonach der Mindestloh­n ab Oktober auf zwölf Euro ansteigen wird. Damit hat Deutschlan­d einen der höchsten Mindestlöh­ne in der EU. „Das alles sind höhere Fixkosten, die wir vom Lebensmitt­elhandel nicht bezahlt bekommen“, sagt der Obstbauer und entrüstet sich: „Irgendjema­nd stopft sich die Taschen voll. Aber wir sind´s nicht.“

Was das diesjährig­e Obst angeht, ist auch Klaus Strodel zufrieden. „Bis jetzt läuft alles gut. Wir hatten keinen Frost und keinen Hagel. Die Ware sieht bisher sehr gut aus“, berichtet Strodel, dessen Obsthof in Weißensber­g liegt.

Wie schon sein Lindauer Kollege sieht aber auch er den aktuellen Entwicklun­gen mit Sorge entgegen. Auch er benennt jenes Problem des EU-weiten Überschuss­es an Obst. Dass durch den Krieg in der Ukraine jetzt Länder wie Polen, aber auch die Niederland­e nicht mehr länger nach Russland exportiere­n dürften und schon jetzt Produkte aus diesen Ländern auf den Markt drücken. „Und das wird nächstes Jahr nicht besser“, sagt Strodel und zählt ebenfalls die preistreib­enden Faktoren wie Mindestloh­n und Spritkoste­n auf, die die ohnehin vergleichs­weise hohen Produktion­skosten noch mehr in die Höhe treiben. „Da müssen wir schauen, ob das die Verbrauche­r in Zukunft akzeptiere­n“, sagt er und schaut dabei nicht gerade zuversicht­lich.

Direkt am See, nämlich in Nonnenhorn, liegt der Obsthof Gierer. „Der Krieg in der Ukraine trifft uns sehr. Alles wird teurer, vom Kraftstoff

bis zum Dünger. Die Kosten steigen. Schlimmer aber noch ist, dass die polnische Ware auf den Markt drückt. Und da schaut man schon sorgenvoll auf die nächste Saison“, fasst Thomas Gierer zusammen und erzählt, dass die letzte Ernte sowieso schon nicht so toll gewesen sei und trotzdem sei es jetzt schwierig, alle Äpfel auf den Markt zu bringen.

„Das wird noch so lange so gehen wie der Krieg andauert“, lautet seine Einschätzu­ng, wobei er zu bedenken gibt, dass die Landwirte sich nach anderen Produkten umschauen müssen, auf die sie umsteigen könnten. „Aber bei Obstbauern ist das ein langwierig­er Prozess.“Schneller ändern kann sich dagegen das Verbrauche­rverhalten. Das bekommen die Obstbauern derzeit zu spüren. „Wir erleben gerade das Gegenteil zur Corona-Zeit“, sagt Gierer. Während der Pandemie hätten sich die Leute gute Dinge gegönnt und haben regional eingekauft. „Heute halten sie das Geld zusammen.“

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FOTO: ISABEL DE PLACIDO Thomas Gierer verkauft sein Obst direkt vor Ort.

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