Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie der Krieg sich auf die Obstbauern auswirkt
Billige polnische Äpfel drücken auf den EU-Markt – verändertes Verbraucherverhalten
LINDAU/WEISSENSBERG/NONNENHORN - Ein bisschen Angst vor Frost, bis jetzt kein Hagel, genügend Regen und Sonne. Was die klimatischen Voraussetzungen für eine gute Obsternte betrifft, stehen die Lindauer Obstbauern bisher gut da. Warum sie trotzdem mit Sorgenfalten in die Zukunft schauen.
„Bis jetzt gedeiht alles hervorragend“, freut sich der Lindauer Obstbauer Andreas Willhalm. Was die diesjährige Ernte angeht, ist er noch positiv gestimmt – ein Wetterumschwung könnte das noch ändern, bisher sieht es aber gut aus. Gedanken macht er sich aber über das eingelagerte Obst von vergangener Saison.
„Wir haben noch rund 50 000 Tonnen Obst in den Lagern am Bodensee“, erklärt Willhalm, der die Interessen der Lindauer Obstbauern als stellvertretender Kreisobmann des Landkreises Lindau im Bauernverband vertritt. Und dieses Obst gelte es zu einem wirtschaftlichen Preis zu verkaufen. Durch den Krieg in der Ukraine sei die Situation die, so schildert Willhalm die Lage, dass Polen, das ohnehin schon zu Friedenszeiten ein großer Konkurrent ist, keine Äpfel in die Ukraine verkaufen könne.
Zugleich dürfe Polen wegen des Embargos auch keine Äpfel mehr nach Russland exportieren. Die Folge ist: „Der Druck Richtung Westen ist hoch.“Billige polnische Äpfel drücken auf den EU-Markt. Demnächst käme dann noch Obst, wie etwa Äpfel der Sorte Braeburn, aus Neuseeland hinzu. Und das alles kombiniert mit einem veränderten Verbraucherverhalten und deren Einstellung, dass regionale Lebensmittel billig sein müssten. Und weil dies eben nicht der Fall sein kann, steigen die Verbraucher um auf billigere EU-Ware.
„Siehe Spargel und Erdbeeren“, sagt Willhalm und spricht damit jene Situation an, wonach die deutschen Landwirte auf ihrer Ware sitzen bleiben, weil der Verbraucher eher zu billigerem Spargel aus Griechenland oder Erdbeeren aus Spanien greift. Was jedoch vom Verbraucher nicht bedacht wird, ist, dass die Produktionskosten in Deutschland eben ganz andere sind als in Spanien oder Griechenland. Ganz abgesehen davon, dass Treibstoff derzeit doppelt so teuer ist wie noch im vergangenen Jahr. „Was uns auch umtreibt, ist der Mindestlohn“, ergänzt Willhalm und spricht damit die aktuelle Entscheidung der Bundesregierung an, wonach der Mindestlohn ab Oktober auf zwölf Euro ansteigen wird. Damit hat Deutschland einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. „Das alles sind höhere Fixkosten, die wir vom Lebensmittelhandel nicht bezahlt bekommen“, sagt der Obstbauer und entrüstet sich: „Irgendjemand stopft sich die Taschen voll. Aber wir sind´s nicht.“
Was das diesjährige Obst angeht, ist auch Klaus Strodel zufrieden. „Bis jetzt läuft alles gut. Wir hatten keinen Frost und keinen Hagel. Die Ware sieht bisher sehr gut aus“, berichtet Strodel, dessen Obsthof in Weißensberg liegt.
Wie schon sein Lindauer Kollege sieht aber auch er den aktuellen Entwicklungen mit Sorge entgegen. Auch er benennt jenes Problem des EU-weiten Überschusses an Obst. Dass durch den Krieg in der Ukraine jetzt Länder wie Polen, aber auch die Niederlande nicht mehr länger nach Russland exportieren dürften und schon jetzt Produkte aus diesen Ländern auf den Markt drücken. „Und das wird nächstes Jahr nicht besser“, sagt Strodel und zählt ebenfalls die preistreibenden Faktoren wie Mindestlohn und Spritkosten auf, die die ohnehin vergleichsweise hohen Produktionskosten noch mehr in die Höhe treiben. „Da müssen wir schauen, ob das die Verbraucher in Zukunft akzeptieren“, sagt er und schaut dabei nicht gerade zuversichtlich.
Direkt am See, nämlich in Nonnenhorn, liegt der Obsthof Gierer. „Der Krieg in der Ukraine trifft uns sehr. Alles wird teurer, vom Kraftstoff
bis zum Dünger. Die Kosten steigen. Schlimmer aber noch ist, dass die polnische Ware auf den Markt drückt. Und da schaut man schon sorgenvoll auf die nächste Saison“, fasst Thomas Gierer zusammen und erzählt, dass die letzte Ernte sowieso schon nicht so toll gewesen sei und trotzdem sei es jetzt schwierig, alle Äpfel auf den Markt zu bringen.
„Das wird noch so lange so gehen wie der Krieg andauert“, lautet seine Einschätzung, wobei er zu bedenken gibt, dass die Landwirte sich nach anderen Produkten umschauen müssen, auf die sie umsteigen könnten. „Aber bei Obstbauern ist das ein langwieriger Prozess.“Schneller ändern kann sich dagegen das Verbraucherverhalten. Das bekommen die Obstbauern derzeit zu spüren. „Wir erleben gerade das Gegenteil zur Corona-Zeit“, sagt Gierer. Während der Pandemie hätten sich die Leute gute Dinge gegönnt und haben regional eingekauft. „Heute halten sie das Geld zusammen.“