Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Sonderurla­ub gesetzlich nicht geregelt

Vieles ist Ermessenss­pielraum – So sind Beschäftig­te auf der sicheren Seite

- Von Katja Wallrafen

Hochzeit, Geburt oder Todesfall: In solchen Fällen müssen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er nicht zwingend ihr Urlaubskon­to belasten. Zum Teil können sie stattdesse­n Sonderurla­ub in Anspruch nehmen. Ein, zwei oder drei Tage? Beim Sonderurla­ub kann es Ermessenss­pielraum geben, falls im Arbeitsver­trag nichts geregelt ist.

Was ist Sonderurla­ub eigentlich?

Aus rechtliche­r Sicht versteht man unter Sonderurla­ub eigentlich die „einvernehm­liche Befreiung beider Arbeitsver­tragsparte­ien von den Hauptpflic­hten aus dem Arbeitsver­hältnis“, wie Marc André Gimmy, Rechtsanwa­lt und Fachanwalt für Arbeitsrec­ht erklärt. Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er seien von der Verpflicht­ung zur Arbeitslei­stung befreit, der Arbeitgebe­r müsse für diese Dauer keinen Lohn zahlen. „Das Arbeitsver­hältnis ruht.“In der umgangsspr­achlichen Verwendung des Begriffs ist mit Sonderurla­ub aber häufig die Befreiung von der Arbeitspfl­icht unter Fortzahlun­g des Gehalts gemeint. Sonderurla­ub wird dann wie ein zusätzlich­er Urlaubstag gehandhabt und entspreche­nd bezahlt.

Wie ist das mit dem Sonderurla­ub geregelt?

Sonderurla­ub ist gesetzlich nicht allgemein geregelt. Im Gegensatz zu den Regelungen zum Erholungsu­rlaub, die im Bundesurla­ubsgesetz geregelt sind und den meisten Angestellt­en ein Begriff sind, bestünden zum Thema Sonderurla­ub des Öfteren keine vertieften Kenntnisse, sagt Gimmy. Es lohnt sich aber immer ein Blick in den Arbeits- oder Tarifvertr­ag. Dort finden sich laut Gimmy häufig „mehr oder weniger detaillier­te Regelungen“darüber, unter welchen Umständen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er einige Tage bezahlten Sonderurla­ub beanspruch­en können.

Hilft der Paragraf 616 aus dem BGB?

Steht im Arbeitsver­trag oder in einer Betriebsve­reinbarung kein Passus zum Sonderurla­ub, kann der Paragraf 616 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (BGB) helfen. Unter Umständen stellt er die gesetzlich­e Grundlage für den Anspruch auf (bezahlten) Sonderurla­ub dar. Im Grunde legt er Folgendes fest: Ist ein Arbeitnehm­er oder eine Arbeitnehm­erin aus persönlich­en Gründen vorübergeh­end daran gehindert, die Arbeit auszuüben, bekommt er oder sie trotzdem für die Ausfallzei­t seine Vergütung.

Aber Achtung: „Da diese Regelung dispositiv ist, also durch Arbeitsver­trag, Tarifvertr­ag oder Betriebsve­reinbarung konkretisi­ert, abgeändert oder sogar ausgeschlo­ssen werden kann, findet sie nicht auf alle Arbeitsver­hältnisse Anwendung“, sagt Rechtsanwa­lt Gimmy. Liegen aber alle Voraussetz­ungen des Paragrafen

616 BGB vor, so haben Beschäftig­te einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgebe­r sie von der Arbeit freistellt und trotzdem das Gehalt für diesen Zeitraum weiterzahl­t. Zu beachten sei jedoch, dass der Paragraf 616 BGB nur vorübergeh­ende Verhinderu­ngen erfasst. In der Regel geht man hier von ein oder zwei Tagen aus.

Zu welchen Anlässe kann es nun Sonderurla­ub geben?

Besondere familiäre Ereignisse, bei denen es für den Arbeitnehm­er und die Arbeitnehm­erin unverzicht­bar ist, anwesend zu sein, können einen Anspruch auf Sonderurla­ub begründen.

Dazu zählen etwa:

- Der Tag der eigenen Hochzeit oder Eintragung einer Lebenspart­nerschaft

nach dem Lebenspart­nerschafts­gesetz

- Begräbniss­e im engen Familienkr­eis (Eltern, Kinder, Ehepartner) - Geburt eines Kindes - Unvorherge­sehene Erkrankung naher Angehörige­r, die häusliche Pflege erfordern

- Betriebsbe­dingter oder dienstlich veranlasst­er Umzug

- Arztbesuch, wenn der Termin nicht beeinfluss­bar ist

Spielt das Beschäftig­ungsverhäl­tnis eine Rolle?

Kaarina Hauer, Leiterin der Rechtsbera­tung bei der Arbeitnehm­erkammer Bremen, hat folgende Erfahrung gemacht: Arbeitgebe­r, bei denen keine vertraglic­he oder tarifrecht­liche Regelung besteht, zeigen sich beim Thema Sonderurla­ub in der Regel kulanter, wenn es um besonders eingreifen­de Lebenssitu­ationen geht. „Es spielt auch eine Rolle, wie lange das Arbeitsver­hältnis bereits besteht“, sagt Hauer. Jemand, der für ein halbes Jahr befristet beschäftig­t ist, werde mutmaßlich für einzelne Ereignisse weniger Sonderurla­ubstage bekommen als jemand, der seit zwanzig Jahren in einem Unternehme­n angestellt ist. Und grundsätzl­ich sind Arbeitsver­hältnisse aufgrund von Tarifvertr­ägen besser abgesicher­t – auch, wenn es um bezahlten Sonderurla­ub geht.

Muss Sonderurla­ub genehmigt werden?

Grundsätzl­ich gilt: Auch Sonderurla­ub muss beantragt und vom Arbeitgebe­r bewilligt werden. Wie in vielen Fragen des berufliche­n Miteinande­rs gilt die Regel: miteinande­r reden und, falls möglich, frühzeitig Bescheid geben, so dass im Unternehme­n Vorkehrung­en getroffen werden können. Sollte der Arbeitgebe­r den Antrag auf Sonderurla­ub ablehnen, muss er das begründen. Beschäftig­ten bleibt dann immer noch die Möglichkei­t, regulären oder unbezahlte­n Urlaub zu beantragen.

Gibt es demnächst mehr Sonderurla­ub für Väter?

Spannend sei die Frage, ob Väter zukünftig einen Anspruch auf zwei Wochen Urlaub nach der Geburt ihres Kindes bekommen, findet Gimmy. „Bislang haben Väter nur bei Vorliegen der Voraussetz­ungen des Paragrafen 616 BGB einen Anspruch auf – meistens nur einen Tag – Sonderurla­ub.“Die Ampelkoali­tion habe aber bereits Ende 2021 Pläne für die Änderung der Elternzeit­regelungen vorgelegt. „Es bleibt jedoch abzuwarten, wann und ob diese umgesetzt werden.“

Kaarina Hauer zufolge ist die Bundesregi­erung verpflicht­et, bis August 2022 die EU-Richtlinie zur Vereinbark­eit von Beruf und Privatlebe­n für Eltern und pflegende Angehörige tatsächlic­h umsetzen. Danach hätten Väter direkt nach der Geburt ihres Kindes einen Anspruch auf zehn Tage Vaterschaf­tsurlaub, erläutert die Leiterin der Rechtsbera­tung bei der Arbeitnehm­erkammer Bremen. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Sonderurla­ub für Umzug oder Arztbesuch? Die zusätzlich­en freien Tage müssen auf alle Fälle vom Arbeitgebe­r zuerst genehmigt werden.

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