Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Habeck setzt auf Kohle als Gasersatz
Wirtschaftsminister sucht Ausweg aus dem Dilemma der Engergieversorgung
Von Stefan Kegel und dpa
BERLIN - Wegen der einbrechenden Erdgaslieferungen aus Russland will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verstärkt Kohlekraftwerke zur Stromgewinnung nutzen. Das sonst in Gaskraftwerken verarbeitete Erdgas soll dafür in die Speicher für den nächsten Winter fließen. Entsprechende Pläne stellte Habeck am Sonntag vor.
Der Rückgriff auf Kohle zur Stromerzeugung sei „bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken“, erklärte der Grünen-Politiker. Der russische Erdgaskonzern Gazprom hatte in der vergangenen Woche angekündigt, seine Lieferungen um bis zu 60 Prozent zu senken. Bislang sind die Erdgasspeicher nur zu 57 Prozent gefüllt.
Um sein Ziel zu erreichen, will Habeck neben der Aktivierung von Kohlekraftwerken auch Anreize für die Industrie schaffen, eingespartes Erdgas mit einem Auktions-Instrument auf dem Markt zu verkaufen. Zudem versprach er dem Trading Hub Europe, einem Zusammenschluss von Ferngasnetzbetreibern, zusätzliche Kredite.
Bei der Wirtschaft stieß das Vorhaben auf Zustimmung. Es sei „absolut richtig, jetzt zügig auf die dynamische Lage zu reagieren und wenn nötig auch Notfallmaßnahmen zu ergreifen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, Ingbert Liebing. Es müsse jedoch Sonderregelungen für Stadtwerke geben, in denen Gas in der Kraft-Wärme-Kopplung sowohl zur Stromerzeugung als auch für Fernwärme genutzt wird.
Auch die Opposition signalisierte teilweise Unterstützung. CDU-Bundesvizechef Andreas Jung betonte: „Es muss alles in die Waagschale, um Deutschland auch ohne russische Energie winterfest zu machen: Ersatzgas-Einkauf, Stromalternativen und Einsparungen.“Eine Gasauktion könne dazu einen Beitrag leisten. Die Zeit dränge. „Habeck muss seine Vorstellungen kurzfristig konkretisieren.“Auch der Deckel für die Verstromung von Biomasse müsse befristet gehoben werden.
„Die hohe Inflation, getrieben durch die fossilen Energien, drückt das Land schwer“, betonte Habeck.
„Wir haben verschiedene Möglichkeiten, diese Preise abzufedern“, sagte Habeck. „Aber die Gerechtigkeitsfrage stellt sich natürlich unmittelbar und wird sicherlich auch weiter diskutiert werden müssen: Wie halten wir die Unternehmen am Markt? Welche Unterstützung müssen wir geben und wie unterstützen wir Haushalte, die in der Heizperiode natürlich darauf angewiesen sind, dass sie ihre Wohnung oder ihre Häuser warm bekommen, aber die hohen Preise vielleicht nicht so ohne Weiteres bezahlen können? Darauf werden wir demnächst Antworten geben.“
Indes hat sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) positiv zu den Plänen von Habeck geäußert, das Kartellrecht angesichts der trotz des Tankrabatts hohen Spritpreise zu verschärfen. „Der Staat kann Gewinne abschöpfen, die mit Straftaten erzielt wurden. Ich bin offen dafür, wenn wir dieses Instrument für das Kartellrecht weiten und Gewinne, die durch illegale Preisabsprachen erzielt wurden, abschöpfen“, sagte Buschmann der „Rheinischen Post“.
„Preisabsprachen sind mit der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar“, betonte Buschmann. Bisher müsse das Kartellamt Preisabsprachen nachweisen. „Weil sich beim Sprit die Preise auch ohne Absprache gleich bewegen, kann man über eine Umkehr der Beweislast nachdenken“, sagte der Justizminister mit Blick auf Habecks Pläne.
Habeck hatte am vergangenen Wochenende angekündigt, das Kartellamt mit mehr Eingriffsmöglichkeiten auszustatten. Hintergrund sind Vorwürfe an Ölkonzerne, den milliardenschweren Tankrabatt der Regierung nur teilweise an Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben.
„Ich bin gespannt auf Habecks Gesetzesvorschlag“, sagte Buschmann. Er betonte zugleich: „Der Tankrabatt wirkt und wird gut angenommen.“Das zeige eine Studie des Ifo-Instituts, wonach der Rabatt weitgehend an der Zapfsäule ankomme.