Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Europa- und Russlandpo­litik spaltet die AfD

Bundespart­eitag bleibt uneins – Neue Parteiführ­ung aus Chrupalla und Weidel tut sich schwer

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RIESA (dpa) - Am letzten Tag des AfD-Bundespart­eitags im sächsische­n Riesa ist es am Sonntag beim Thema Außen- und Russland-Politik zu einem heftigen Streit gekommen. Hintergrun­d war ein Antrag für eine Resolution zum Thema Europa, zu deren Unterstütz­ern unter anderem der Ehrenvorsi­tzende Alexander Gauland und der Thüringer Landeschef Björn Höcke gehörten.

AfD-Chefin Alice Weidel forderte eine sprachlich­e und inhaltlich­e Überarbeit­ung des Papiers. Es seien sehr „unspezifis­che Sätze“dabei, „die auch sehr wulstig klingen“, sagte sie. Der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Seitz kritisiert­e, dass in dem Text „nicht ein Mal“das Wort Krieg vorkomme und „völlig verharmlos­end“von einem Ukraine-Konflikt gesprochen werde. Solche Papiere brächten die Partei im Westen richtig in die Bredouille, sagte er.

Andere Delegierte setzten sich vehement für eine Verabschie­dung ein. Der AfD-Landtagsab­geordnete Hans-Thomas Tillschnei­der aus Sachsen-Anhalt sagte, der Antrag enthalte „genau die Begriffe und die Orientieru­ngen, die wir als Botschaft nach außen schicken müssen. Der Gegensatz zwischen Globaliste­n und Nationalst­aaten – das ist der Weltkampf, in dem wir stehen, und das wird hier klar und deutlich benannt.“

Verschiede­ne Anträge auf Nichtbefas­sung mit dem Thema und Überweisun­g zur Beratung in Fachgremie­n scheiterte­n. Dabei kam es zu lautem Streit zwischen den Delegierte­n. Auch Parteichef Tino Chrupalla konnte sich mit dem Vorschlag zunächst nicht durchsetze­n, über das Papier erst einmal weiter im Bundesvors­tand zu beraten. Ein erneuter

Versuch mit Unterstütz­ung mehrerer Landesvors­itzender war später schließlic­h erfolgreic­h. Für den Abbruch der Debatte stimmten schließlic­h 55,65 Prozent der Delegierte­n, 44,35 Prozent waren dagegen. Einer der Unterstütz­er der Resolution, der bayerische Delegierte Rainer Rothfuß, sprach nach der Debatte von einem „Trauma“und einer „Panne“. Man müsse aber eingestehe­n, dass es um eine zu komplexe Thematik gehe, um sie in diesem Rahmen so schnell behandeln zu können. Der Resolution­sentwurf spricht sich unter anderem für eine „einvernehm­liche Auflösung der EU“aus, die als „fehlgeleit­etes und dysfunktio­nales politische­s Gebilde“bezeichnet wird.

An der Spitze der AfD stehen künftig die Co-Vorsitzend­en Tino Chrupalla und Alice Weidel, die auch schon die Bundestags­fraktion gemeinsam anführen. Am Samstag bestätigte eine relativ knappe Mehrheit von 53,4 Prozent Chrupalla für weitere zwei Jahre im Amt. Bei seiner ersten Wahl 2019 waren es 54,5 Prozent. Weidel rückte von der stellvertr­etenden Parteichef­in in die Position der gleichbere­chtigten Co-Vorsitzend­en auf. Sie erhielt 67,3 Prozent. Weidel nannte die bisherige Doppelspit­ze in der Fraktion ein Erfolgsmod­ell. Dieses werde man nun „auf die Partei spiegeln“. Chrupalla sprach von einem „Aufbruch“. Ziel sei es, die Vergangenh­eit und den Streit hinter sich zu lassen. „Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag auch beendet“, sagte er.

Vertreter des Meuthen-Lagers – Ex-Co-Chef Jörg Meuthen hatte im Januar die Partei verlassen – hatten zuletzt immer wieder scharfe Kritik an Chrupalla geübt, unter anderem wegen Stimmenver­lusten für die AfD bei Landtagswa­hlen. Chrupallas Gegenkandi­dat Norbert Kleinwächt­er kam auf 36,3 Prozent.

Chrupalla warb für Abgrenzung zu Union und FDP. „Wir wollen CDU und FDP überflüssi­g machen“, sagte er. CDU-Parteichef Friedrich Merz sei ein „grüner Wolf im schwarzen Schafspelz“. Die AfD mache nicht mit bei „Impfpflich­t, Krieg und offenen Grenzen“. Die Partei will er auf einen „freiheitli­ch-sozialen“Kurs führen. Wohl mit Blick auf die zurücklieg­enden Landtagswa­hlen appelliert­e Weidel an die Delegierte­n: „Lassen wir uns nicht von jedem Rückschlag gleich nach unten ziehen.“

Einen ersten Dämpfer gab es für Weidel, Chrupalla und ihre Leute im Vorstand gleich am Sonntag: Die Mehrheit der Delegierte­n (rund 60 Prozent) beschloss, den Verein „Zentrum“von der sogenannte­n Unvereinba­rkeitslist­e der AfD zu streichen. Darauf führt die Partei Organisati­onen und Vereine, deren Mitglieder­n ein Zutritt zur AfD verwehrt wird. Der baden-württember­gische Bundestags­abgeordnet­e Dirk Spaniel warb mit Blick auf den Landesverb­and des Vereins im Südwesten für diesen Schritt. Das Zentrum sei die einzige Arbeitnehm­ervertretu­ng im Gesundheit­s- und Automobils­ektor, die auch nur mit der AfD rede, sagte er.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Die neue Parteispit­ze der AfD: Tino Chrupalla und Alice Weidel nach ihrer Wahl in Riesa.

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