Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gitzensteiger fürchten Hangrutsch
Laster dürfen marode Straße bei Tettnang seit 2015 nicht befahren – Sanierung immer aufgeschoben
TETTNANG/GITZENSTEIG - Große Ratlosigkeit herrscht in Gitzensteig. Die Frage, was passiert, wenn die Straße von Apflau den Hang hinauf mal abrutschen sollte, beschäftigt dort viele. In der Tat: Der Weg ist pittoresk, die Strecke hat Charme. Doch in den Ort führt sonst nur noch der Weg von Wielandsweiler aus. Und die Bewohner fragen sich: Wann passiert da mal was, wann wird saniert?
Ansätze für eine Maßnahme reichen fast sieben Jahre zurück. Anfang des Jahres 2015 habe der Bauhof „größere Schäden in Form von Rissbildungen festgestellt“, hieß es Ende des gleichen Jahres im Technischen Ausschuss. An der Steige waren demzufolge zuletzt in den 1990erJahren Sicherungsmaßnahmen erfolgt, 2004 folgte dann ein neuer Asphaltfeinbelag. Als der Bauhof die Schäden feststellte, wurden die Risse geschlossen und die Straße für LkwVerkehr gesperrt.
Allerdings: Die 300 000 Euro, die seit dem Jahr 2016 für die Behebung in den Haushalt eingestellt worden sind, wurden von Jahr zu Jahr verschoben. Das hat Folgen für die Bevölkerung vor Ort. Angelika Egger etwa berichtet von Lastwagen, die in den Ort hineinfahren und dann große Schwierigkeiten haben, dort zu wenden. Der Steig ist ja für Lkw gesperrt, aber die Straßen in dem kleinen Ort sind eben nicht gerade breit.
Das heißt, dass die schweren Fahrzeuge mangels Wendeplatte teils in private Hofeinfahrten zurücksetzen müssen, um überhaupt wenden zu können. Das gelte übrigens auch für die Müllabfuhr, sagt Angelika Egger, wo das ebenfalls notgedrungen geduldet würde. Allerdings würde sich das mit der Zeit eben in den Einfahrten bemerkbar machen.
Hartmut Plötz verweist darauf, dass es immer wieder auch Beschwerden von Feriengästen gibt. Dadurch, dass eine Ausweichstelle nicht mehr nutzbar sei, müssten Fahrzeuge auf der kurvigen Straße unter Umständen sehr weit zurücksetzen, bis zwei Fahrzeuge einander passieren könnten. Die Warnbaken sind etwas eingerückt aufgestellt. Dazwischen gammelt altes Laub vor sich hin. An einer Stelle bricht bereits die Natur durch die Fahrbahndecke. Das sei Außenstehenden nicht vermittelbar, sagt Plötz.
Die Anwohner verweisen darauf, dass die Strecke ihrer Wahrnehmung nach auch immer weiter unterspült wird. An einer Stelle klafft unter der Begrenzung in der Tat eine Lücke von 20 Zentimetern Höhe und gut einem halben Meter Tiefe. So weit kann man einen Meterstab an einem Punkt in ein etwas breiteres Loch an einem Bereich der Fahrbahn schieben.
Laut Stadt werden die Sicherheitseinrichtungen wöchentlich kontrolliert und die Straße bei Bedarf gereinigt. Schaut man sich die
Strecke an, gilt dies jedenfalls nicht unbedingt für die Straßenränder. Bezüglich des baulichen Zustands äußert die Stadt auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass der als „beobachtungswürdig“gelte.
Gleiches gelte für die Unterspülung. Ein Gutachten eines Fachbüros hatte im Jahr 2015 darauf hingewiesen, dass in einem Teilbereich „Auffüllungen und Kiese abfließen“könnten. Im schlimmsten Fall müsse die Straße gesperrt werden, heißt es in der Antwort der Stadt. Eine Umleitung über Wielandsweiler stehe jederzeit zur Verfügung. Das sieht Eva Egger kritisch. Sie wohnt in Gitzensteig und ist in der Freiwilligen Feuerwehr.
Der Weg über die Umleitung sei eben doch länger. Der Umweg über Wielandsweiler und Rattenweiler beträgt rund drei Kilometer. Und eine Reparatur sei auch umgekehrt wichtig, wenn es um den Zugang für Rettungskräfte gehe – auch im Sinne der Hilfsfristen, sagt Eva Egger.
Larissa Stellbauer äußert, dass es nach den ganzen Jahren an der Zeit wäre, das wirklich in Angriff zu nehmen. Immer wieder stand die Maßnahme im Haushaltsplan. Und immer wieder ist sie am Ende raus genommen worden, weil der Gemeinderat andere Maßnahmen bei den Haushaltsberatungen höher priorisiert hatte.
Die Verzögerung freilich besorgt die Menschen aus Gitzensteig, weil sie nicht wissen, ob die damalige Schätzung von 300 000 Euro noch ausreicht. Angelika Egger etwa sagt: „Die Kosten wären damals sicher noch geringer gewesen.“
Laut Stadt ist offen, wer bei einem Abrutschen der Fahrbahn eigentlich haften würde. Auf diese Frage hin heißt es: „Das kann man konkret nicht genau sagen. Für die Fahrbahn ist die Stadt zuständig (Eigentum), der Hang wiederum ist zum Teil privat.“Hier komme es dann auf den jeweiligen Fall an. Klar sei: Eine provisorische Reparatur ist laut Gutachten nicht möglich. Wenn man den Bereich anlange, „dann richtig. Also Sanierung“.
Die Bewohner von Gitzensteig, sagt Otto Egger, „fühlen sich benachteiligt“. Der Schulbus etwa halte unten am Fuß des Hügels, er darf ja nicht hinauffahren. „Wir müssen mit den Kindern dann den Berg runter“, ergänzt Angelika Egger. Und später dann auch wieder hinauf. Und obwohl die Situation am Hang sich aus ihrer Sicht verschlechtere, sagen alle, passiere nichts Substanzielles.
Sie sei damals bei der Sitzung im Ausschuss dabei gewesen, sagt Eva Egger: „Das ist doch eigentlich Blödsinn: Da wird Geld für ein Gutachten ausgegeben, um dann aber nichts zu machen.“Stefan Berchtold ergänzt leicht fatalistisch: „Wir können eigentlich froh sein, dass die Strecke noch geöffnet ist.“Er hofft wie die anderen, dass sich hier jetzt doch mal etwas bewegt. Nicht der Hang. Die Stadt.