Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Un, deux, trois

- Von Jens Lindenmüll­er

Lange haben Mama und Papa überlegt, ob sie Tochter Hanna im September wirklich in die Schule schicken sollen. Ein paar Tage vor Beginn des Schuljahre­s wird sie sechs und ist damit ein sogenannte­s Kann-Kind: Man kann es zur Schule schicken, kann aber auch noch ein Jahr warten. Einerseits lässt sich Hanna vom großen Bruder seit Monaten Zahlen und Buchstaben erklären, anderersei­ts spielt sie immer noch liebend gerne Baby. Nichts selber zu können, hat schließlic­h den Vorteil, dass andere einem alles abnehmen.

Das ist zwar durchschau­bar, trotzdem kamen Mama und Papa neulich beim Mensch-ärgere-dich-nichtSpiel ins Grübeln. Nach jedem Würfeln begann die große Kleine angestreng­t zu Überlegen, zählte nicht minder angestreng­t die Felder und setzte die Figur ein ums andere Mal aufs falsches Feld. Mama und Papa begannen zu diskutiere­n, ob das mit der Einschulun­g wirklich eine gute Idee sei. Hanna tat erstmal so, als hörte sie gar nicht zu, als ginge sie das gar nichts an. Dann würfelte sie eine Drei, zählte auf Französisc­h „un, deux, trois“, schubste Papas Figur, die auf ihrem Zielfeld stand, vom Brett, grinste ihm frech ins Gesicht und zog gelangweil­t von dannen, weil sie einfach keinen Bock auf Mensch-ärgere-dich-nicht hatte.

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