Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Natur und Musik in vollkommener Harmonie
Die Schubertiade lockt wieder in den Bregenzerwald – Viel Beifall für Tenor Patrick Grahl bei seinem Debüt in Schwarzenberg
Von Katharina von Glasenapp
SCHWARZENBERG - Die Musik Franz Schuberts und die Hügel, Bäche und Berge des beschaulichen Bregenzerwalds bilden immer wieder eine besondere Einheit. Nachdem die Schubertiade, das Festival für romantischen Liedgesang und Kammermusik in den Pandemiejahren gar nicht oder nur verkürzt stattfinden konnte, lebt auch hier alles wieder auf. Seit 2001 ist die Schubertiade, die 1975 von Hermann Prey und Gerd Nachbauer gegründet, in Hohenems ihren Anfang nahm, im Bregenzerwald zu Hause. Künstlerinnen und Künstler genießen die schöne Atmosphäre und Akustik im Angelika-Kauffmann-Saal ebenso wie das Publikum, das sich von Liedern, Streichquartetten oder Klavierabenden verzaubern lässt. Vor Beginn und in den Pausen rufen zwei Hörner mit Weisen von Schubert, vom Saal aus sieht man hinaus auf die grüne Flanke der Hangspitze. Eine gewisse Vorsicht ist im Vergleich zu früher auch hier noch zu spüren, für Musikfreunde aus dem Raum Bodensee/Oberschwaben lohnt also durchaus ein Blick ins Programm oder ein spontaner Anruf im Schubertiade-Büro, um in die Welt der Romantik einzutauchen.
Hier gibt es „rauschende Bächlein, so silbern und hell“zu Hauf, Schuberts Wanderer, seien es Müllersburschen, Liebende oder einsame Melancholiker, scheinen sich auf dem Weg zur Lustenauer Hütte oder an der Bregenzer Ach zu treffen. Franz Schubert, der die Natur in all ihrer Schönheit, aber auch Düsternis und Gefährlichkeit auf so einzigartige Weise in seiner Musik gespiegelt hat, ist freilich nie nach Vorarlberg gekommen. Dass seine Lieder, die Klavier- und Kammermusik jedoch ganz wunderbar in diese Umgebung passen, darüber sind sich alle einig.
Am Montagabend gab der Tenor Patrick Grahl an der Seite von Daniel Heide sein mit herzlichem Beifall aufgenommenes Debüt bei der Schubertiade. Beim Thomanerchor Leipzig
hat er Singen gelernt, große Vorbilder wie der Tenor Peter Schreier haben ihn noch nach dem Studium in Leipzig geprägt, als Evangelist in den Passionen von Johann Sebastian Bach tritt er schon seit einigen Jahren in die Fußstapfen seines Mentors. Seine Stimme ist weich, schön abgerundet, fein differenziert mit tragendem Piano, seine Textdeutlichkeit ist, natürlich, exzellent. Nun hatte der junge Tenor sein SchubertiadeDebüt
in Schwarzenberg mit „Die schöne Müllerin“, jenem Zyklus, der bei diesem Festival und in dieser Umgebung so wunderbar passt und viele Vergleichsmöglichkeiten bietet. Patrick Grahl braucht sie nicht zu scheuen, vor allem, weil auch Daniel Heide seine große Erfahrung als Liedpianist einbringt und die beiden zusammen durch gemeinsame Konzerte und CD-Aufnahmen verbunden sind.
Die Wanderung des Müllersburschen ist ebenso eine Lebensreise wie die des Wanderers aus der „Winterreise“und sie bietet Spielraum für psychologische Deutung – mit ein Grund, warum man den Zyklus der 20 Lieder nach Wilhelm Müller immer wieder neu hören kann. Patrick Grahl und Daniel Heide beginnen frisch und spritzig, feine Verzierungen in der Gesangslinie schmücken die Strophen aus. Doch der junge Mann, der da so frohgemut aufbricht, ist sensibel, der Bach, sein Begleiter, Ratgeber und innere Stimme, kann mit den Händen von Daniel Heide murmeln, verführen, drohen und trösten. Das Ziel ist die Mühle mit der schönen Müllerstochter, die das Werben des sanftmütigen Burschen nicht wahrnimmt und den schneidigen Jäger vorzieht. So erzählen die beiden Künstler die Geschichte als Auf und Ab von Hoffnung, Kränkung und Enttäuschung, von rasender Eifersucht und seelischen Abgründen. Die lyrischen Linien gestaltet Patrick Grahl mit feiner Empfindung und Farben der Kopfstimme, im Sprachfeuerwerk der textreichen „Jägerlieder“nimmt er als (vermutlich unnötiges) Sicherheitspolster die Noten zu Hilfe, um die letzten Lieder dann um so verinnerlichter, fahler ersterben zu lassen. Daniel Heide spielt ebenso mit allen Facetten der Anschlagskunst, spiegelt Aufschwünge und Verzicht, lässt das Horn des Jägers schmettern und versteht es, „des Baches Wiegenlied“als Zusammenfassung des Zyklusses mit einem silbernen Hauch aufzulösen. Die Magie der „schönen Müllerin“wirkt auch diesmal wieder.