Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Stiftungsstreit: Ergebnis am Donnerstag
Mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim dauert 2,5 Stunden
FRIEDRICHSHAFEN - Klagebefugnis, Zulässigkeit der Berufung, Feststellungsinteresse: Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim zum Streit um die Zeppelin-Stiftung am Dienstag war schwere juristische Kost ohne tagesaktuelles Ergebnis. Am Donnerstag werden die höchsten Verwaltungsrichter des Landes Baden-Württemberg ihre Entscheidung verkünden. Der Kläger, Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, hat bereits bestätigt, im Falle einer Niederlage vor dem VGH in die nächste Instanz zu gehen.
Gedämpftes Licht, Milchglasscheiben, ein matt beleuchtetes Landeswappen neben den drei Richtern des 1. VGH-Senats unter Leitung des Gerichtspräsidenten Volker Ellenberger, fünf Anwälte, vier Justizwachtmeister vor dem Saal: Der Fall mit dem Aktenzeichen 1 S 1865/20 ist kein 08/15-Verfahren. Es geht um viel Geld, um Einfluss, um eine Lücke im deutschen Recht, wie die einen sagen. Es geht auch um gekränkte Ehre, wie andere behaupten.
Es geht um die Zeppelin-Stiftung, 1908 von Ferdinand Graf von Zeppelin gegründet, um Luftschiffe zu bauen. 1947 wurde sie – Luftfahrt war zwei Jahre nach dem Krieg in Deutschland kein Thema - aufgehoben und als rechtlich unselbstständige Stiftung unter die Verwaltung der Stadt Friedrichshafen gestellt. Heute ist die Stiftung Hauptgesellschafterin des Autozulieferers ZF Friedrichshafen (Jahresumsatz 2021: 38,3 Milliarden Euro) und des Baumaschinenhändlers Zeppelin (Umsatz 2021: 3,7 Milliarden Euro). Mit ihren Erträgen fördert Friedrichshafen gemeinnützige und mildtätige Zwecke in der 63 000-Einwohner-Stadt am Bodensee. 2019, im letzten Jahr vor Corona, waren das mehr als 100 Millionen Euro, von der Unterstützung bedürftiger Bürger über den Betrieb von Kitas bis zum Bau des Sportbads.
Seit 2015 versuchen Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, Urenkel des Grafen, und sein Sohn Frederic, die Stiftung in ihrer ursprünglichen Form wiederherstellen zu lassen, mit Mitgliedern ihrer Familie an entscheidender Stelle. Nach ihrer Auffassung war die Aufhebung im Jahre 1947 rechtswidrig und damit unwirksam. Die Erträge der Stiftung werden nach Auffassung der Nachfahren gegen den Willen des Grafen verwendet.
Einen entsprechenden Antrag auf Restitution der Zeppelin-Stiftung aus dem Jahr 2015 hat die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Tübingen, 2016 abgelehnt. Dagegen klagten die beiden Adeligen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen und verloren. Die beiden hätten gar kein Klagerecht, befanden die Richter im Jahr 2020.
Gegen dieses Urteil legten Urenkel und Ururenkel des Grafen Berufung ein, über die jetzt der 1. Senat des VGH entscheiden muss. Im Kern geht es um die Frage, ob und wie man juristisch überprüfen lassen kann, ob die Aufhebung der Stiftung im Jahr 1947 rechtswidrig war. Derzeit ist das kaum möglich.
Die Kläger und ihre Rechtsanwälte sehen hier eine Gesetzeslücke, die entweder vom Bundestag oder durch Rechtsfortbildung durch Gerichte zu schließen sei. Das Regierungspräsidium Tübingen, das das beklagte Land Baden-Württemberg vor Gericht vertritt, und die Stadt Friedrichshafen, die zu dem Verfahren beigeladen ist, verneinen das.
Eine Stiftung sei „ein Grundrechtsträger“, sagte Rechtsanwalt
Stephan Schauhoff, der die Klägerseite vertritt. Die Rechtsaufsicht müsse eingreifen, wenn – wie 1947 passiert – eine „Stiftung vernichtet wird“. Wer, wenn nicht die Nachfahren des Stifters sollten in so einem Fall klagen, fragte er.
Nikolaos Tokas vom Regierungspräsidium Tübingen vertrat stattdessen die Ansicht, dass sich eine Stiftung selbst gegen Angriffe juristisch wehren müsse. Dies sei aber 1947 und in den Jahren danach nicht passiert, obwohl es bis zur Aufhebung einen handlungsfähigen Vorstand gab.
Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, der ohne seinen an Corona erkrankten Sohn Frederic erschienen war, saß in zweiter Reihe und blieb während der zweieinhalbstündigen Verhandlung, von wenigen Fragen abgesehen, im Hintergrund. Bei dem Termin vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war er offensiver und auch emotionaler aufgetreten.
Bei einem anschließenden Pressegespräch wurde er deutlicher. Die Aufhebung der Stiftung im Jahr 1947 sei eine „Unrechtshandlung“gewesen, die vom Rechtsstaat „geradegebogen werden“müsse. Die Stadt verwende die Erträge der Stiftung missbräuchlich. Dass Friedrichshafen „Hunderte Millionen Euro“horte, sei weder im Sinne seines Urgroßvaters noch im Sinne der vielen Deutschen, die die Zeppelin-Stiftung mit ihrer Spende im Jahr 1908 möglich gemacht hätten.
Von Brandenstein-Zeppelin erneuerte seinen Vorschlag, mit den Erträgen der Stiftung künftig die Erforschung ökologischer Luftfahrt zu finanzieren, beispielsweise die Brennstoffzellentechnologie. Dies werde weiteres Geld in die Region spülen und Tausende Arbeitsplätze schaffen.
Die Entscheidung des VGH, die am Donnerstag verkündet werden soll, werde er respektieren, so Albrecht von Brandenstein-Zeppelin. Zugleich kündigte er an, im Falle einer Niederlage vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen zu wollen. Man prüfe zudem, ob es weitere juristische Wege gebe, um das Ziel einer Restitution der ZeppelinStiftung zu erreichen. Er bot der Stadt erneut an, sich in der Angelegenheit an einen Verhandlungstisch zu setzen.