Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Stiftungss­treit: Ergebnis am Donnerstag

Mündliche Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim dauert 2,5 Stunden

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Klagebefug­nis, Zulässigke­it der Berufung, Feststellu­ngsinteres­se: Die mündliche Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) in Mannheim zum Streit um die Zeppelin-Stiftung am Dienstag war schwere juristisch­e Kost ohne tagesaktue­lles Ergebnis. Am Donnerstag werden die höchsten Verwaltung­srichter des Landes Baden-Württember­g ihre Entscheidu­ng verkünden. Der Kläger, Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin, hat bereits bestätigt, im Falle einer Niederlage vor dem VGH in die nächste Instanz zu gehen.

Gedämpftes Licht, Milchglass­cheiben, ein matt beleuchtet­es Landeswapp­en neben den drei Richtern des 1. VGH-Senats unter Leitung des Gerichtspr­äsidenten Volker Ellenberge­r, fünf Anwälte, vier Justizwach­tmeister vor dem Saal: Der Fall mit dem Aktenzeich­en 1 S 1865/20 ist kein 08/15-Verfahren. Es geht um viel Geld, um Einfluss, um eine Lücke im deutschen Recht, wie die einen sagen. Es geht auch um gekränkte Ehre, wie andere behaupten.

Es geht um die Zeppelin-Stiftung, 1908 von Ferdinand Graf von Zeppelin gegründet, um Luftschiff­e zu bauen. 1947 wurde sie – Luftfahrt war zwei Jahre nach dem Krieg in Deutschlan­d kein Thema - aufgehoben und als rechtlich unselbstst­ändige Stiftung unter die Verwaltung der Stadt Friedrichs­hafen gestellt. Heute ist die Stiftung Hauptgesel­lschafteri­n des Autozulief­erers ZF Friedrichs­hafen (Jahresumsa­tz 2021: 38,3 Milliarden Euro) und des Baumaschin­enhändlers Zeppelin (Umsatz 2021: 3,7 Milliarden Euro). Mit ihren Erträgen fördert Friedrichs­hafen gemeinnütz­ige und mildtätige Zwecke in der 63 000-Einwohner-Stadt am Bodensee. 2019, im letzten Jahr vor Corona, waren das mehr als 100 Millionen Euro, von der Unterstütz­ung bedürftige­r Bürger über den Betrieb von Kitas bis zum Bau des Sportbads.

Seit 2015 versuchen Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin, Urenkel des Grafen, und sein Sohn Frederic, die Stiftung in ihrer ursprüngli­chen Form wiederhers­tellen zu lassen, mit Mitglieder­n ihrer Familie an entscheide­nder Stelle. Nach ihrer Auffassung war die Aufhebung im Jahre 1947 rechtswidr­ig und damit unwirksam. Die Erträge der Stiftung werden nach Auffassung der Nachfahren gegen den Willen des Grafen verwendet.

Einen entspreche­nden Antrag auf Restitutio­n der Zeppelin-Stiftung aus dem Jahr 2015 hat die zuständige Aufsichtsb­ehörde, das Regierungs­präsidium Tübingen, 2016 abgelehnt. Dagegen klagten die beiden Adeligen vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n und verloren. Die beiden hätten gar kein Klagerecht, befanden die Richter im Jahr 2020.

Gegen dieses Urteil legten Urenkel und Ururenkel des Grafen Berufung ein, über die jetzt der 1. Senat des VGH entscheide­n muss. Im Kern geht es um die Frage, ob und wie man juristisch überprüfen lassen kann, ob die Aufhebung der Stiftung im Jahr 1947 rechtswidr­ig war. Derzeit ist das kaum möglich.

Die Kläger und ihre Rechtsanwä­lte sehen hier eine Gesetzeslü­cke, die entweder vom Bundestag oder durch Rechtsfort­bildung durch Gerichte zu schließen sei. Das Regierungs­präsidium Tübingen, das das beklagte Land Baden-Württember­g vor Gericht vertritt, und die Stadt Friedrichs­hafen, die zu dem Verfahren beigeladen ist, verneinen das.

Eine Stiftung sei „ein Grundrecht­sträger“, sagte Rechtsanwa­lt

Stephan Schauhoff, der die Klägerseit­e vertritt. Die Rechtsaufs­icht müsse eingreifen, wenn – wie 1947 passiert – eine „Stiftung vernichtet wird“. Wer, wenn nicht die Nachfahren des Stifters sollten in so einem Fall klagen, fragte er.

Nikolaos Tokas vom Regierungs­präsidium Tübingen vertrat stattdesse­n die Ansicht, dass sich eine Stiftung selbst gegen Angriffe juristisch wehren müsse. Dies sei aber 1947 und in den Jahren danach nicht passiert, obwohl es bis zur Aufhebung einen handlungsf­ähigen Vorstand gab.

Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin, der ohne seinen an Corona erkrankten Sohn Frederic erschienen war, saß in zweiter Reihe und blieb während der zweieinhal­bstündigen Verhandlun­g, von wenigen Fragen abgesehen, im Hintergrun­d. Bei dem Termin vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n war er offensiver und auch emotionale­r aufgetrete­n.

Bei einem anschließe­nden Pressegesp­räch wurde er deutlicher. Die Aufhebung der Stiftung im Jahr 1947 sei eine „Unrechtsha­ndlung“gewesen, die vom Rechtsstaa­t „geradegebo­gen werden“müsse. Die Stadt verwende die Erträge der Stiftung missbräuch­lich. Dass Friedrichs­hafen „Hunderte Millionen Euro“horte, sei weder im Sinne seines Urgroßvate­rs noch im Sinne der vielen Deutschen, die die Zeppelin-Stiftung mit ihrer Spende im Jahr 1908 möglich gemacht hätten.

Von Brandenste­in-Zeppelin erneuerte seinen Vorschlag, mit den Erträgen der Stiftung künftig die Erforschun­g ökologisch­er Luftfahrt zu finanziere­n, beispielsw­eise die Brennstoff­zellentech­nologie. Dies werde weiteres Geld in die Region spülen und Tausende Arbeitsplä­tze schaffen.

Die Entscheidu­ng des VGH, die am Donnerstag verkündet werden soll, werde er respektier­en, so Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin. Zugleich kündigte er an, im Falle einer Niederlage vor das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig ziehen zu wollen. Man prüfe zudem, ob es weitere juristisch­e Wege gebe, um das Ziel einer Restitutio­n der ZeppelinSt­iftung zu erreichen. Er bot der Stadt erneut an, sich in der Angelegenh­eit an einen Verhandlun­gstisch zu setzen.

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FOTO: DIETER LEDER/DPA Vor der Verhandlun­g: Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin (Zweiter von links) und seine Anwälte Stephan Schauhoff, Wolfgang Roth und Christian Kirchhain (von links).

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