Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Vergeblich wirbt der Müllersbursch um seine Liebe
Philipp Nicklaus und Nikolaus Henseler interpretieren Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“
MEERSBURG/FRIEDRICHSHAFEN „Liebt sie mich? Ja oder nein?“Der arme Müllersbursch muss erfahren, dass die Angebetete ihm den fröhlichen Jäger vorzieht, und geht darum in den Tod, doch die Zuhörer dürfen Franz Schuberts berühmten Liederzyklus „Die schöne Müllerin“in immer neuen Interpretationen erleben, zählt das Werk doch zu den Höhepunkten der Gattung im 19. Jahrhundert. Im Wohnstift Augustinum in Meersburg und im Graf-ZeppelinHaus in Friedrichshafen haben am Samstag und Sonntag Philipp Nicklaus, Tenor an der Oper Stuttgart, und sein Klavierpartner Nikolaus Henseler, der Leiter der Camerata Serena und designierte Chordirektor und Kapellmeister an der Oper Ulm, ihre Zuhörer tief in das Werk, in das kurze Glück und den tiefen Schmerz, die Todessehnsucht des unglücklich Verliebten hineingezogen.
Schubert hat in seiner Vertonung Prolog und Epilog von Wilhelm Müllers Vorlage mit ihrer ironischen Brechung weggelassen und die Gefühle ernst genommen – man darf als Zuhörer mitleiden. Erst recht, wenn die
Interpreten den wandernden Gesellen gefühlvoll und ohne Pathos durch Höhen und Tiefen begleiten. In klarer, gut verständlicher Diktion akzentuiert der Tenor die Stimmungen, unterstreicht sie ohne Allüren mit Gesten, und der Pianist trägt jede Stimmung am Klavier mit, leitet überschwängliches Glücksgefühl wie manisch-depressive Verzweiflung vehement oder still ein, lässt sie stimmig ausklingen.
Man spürt die Wanderlust, hört das Rauschen des Baches, das den Wandernden berauscht, die Stimme malt die frohe Aufbruchstimmung. Frohe Erwartung wechselt mit banger Unruhe, mit jubelnder Gewissheit. Die beredte Sprache der Hände begleitet den Überschwang der Gefühle. Wie zart sind die Liebesgedanken, wie froh das Herz. Doch rasch schlägt der „allerheißeste Schmerz“der Liebe um in Tränen. Gehetzt ist das Lied vom Jäger, trostlos die sichere Erkenntnis, dass der Schatz einen anderen liebt. Die Stimme und das Klavier malen Wut und Auflehnung gegen die „böse Farbe Grün“, doch schon klingt die Todessehnsucht an: Die tote Liebe blüht nicht wieder. Es geht ans Herz, wenn der Verlassene im Bach „die kühle Ruh“sucht. Unendlich zärtlich ist das abschließende Wiegenlied des Baches für den toten Wanderer, leise verklingt die Musik, und es dauert eine kleine Weile, bis nach der intensiven Darbietung in Meersburg der verdiente Applaus beginnt.